Spiegelwelten:Gulmwolf vom Uldenswalds Abenteuer im Flugzeug

Der Privatjet von Gulmwolf vom Uldenswald steht bereit, um seinen einzigen Passagier aufzunehmen, den Prösidenten des Diktatoriats Gulmwolf vom Uldenswald. Der stapft gerade missmutig aus dem Haupteingang des Präsidentengästehotels in der Küstenstreifer Großstadt Hilton Beach City. Für die am Straßenrand emporwachsenden Palmen hat er keinen Blick übrig. Er steigt, unschöne Dinge fluchend, in einen Wagen und bemerkt gar nicht, dass es nicht der von Küstenstreifen bereitgestellte Dienstwagen, sondern ein stinknormales Taxi ist. Wütend fuchtelt er mit seiner Pistole herum und überzeugt den Taxifahrer, ihn einfach mitzunehmen.

Hinweis!
Dieser Artikel ist zwar im Namensraum Spiegelwelten zu finden, er spielt aber in der Orbis Alius.
Was ist die Orbis Alius? Was sind die Spiegelwelten?

Hinter dem Wagen setzen sich die zwei Dutzend Polizeiautos vorsichtig in Bewegung und verfolgen das Taxi. Der persönliche Begleiter von Gulmwolf rät den Polizisten, den Prösidenten besser nicht einmal freundlich zum Umsteigen in das eigentlich vorgesehene Fahrzeug zu bitten, da dies einen unkontrollierbaren Wutanfall zur Folge haben kann.

Der Taxifahrer weiß, wen er vor sich hat und wohin dieser möchte, schließlich wurde der Kongress oft genug in Radio und Fernsehen erwähnt und sowieso ist das Gesicht von Gulmwolf vom Uldenswald in der Orbis Alius wohlbekannt. Also fährt er mit zügigem Tempo, um sein Leben nicht von Gulmwolf beenden zu lassen, aber auch nicht zu schnell, um sein Leben nicht von der kurvigen Landstraße beenden zu lassen, zum Flughafen Hilton Beach Airport.

Fast eine Dreiviertelstunde ist vergangen. Das von Gulmwolf vom Uldenswald gekaperte Taxi samt Polizeibegleitung kommt am Hilton Beach Airport an. Schlecht gelaunt wie immer steigt Gulmwolf vom Uldenswald, immer noch mit seiner Pistole in der Hand, aus. Hinter dem Taxi, dessen Fahrer noch immer die Knie schlottern, halten die Polizeiwagen an und die Polizisten springen heraus. Zu der von Gulmwolfs Berater geträllerten Melodie der diktatorianischen Nationalhymne marschieren die Polizisten neben dem tollwütigsten Herrscher der Orbis Alius zum Rollfeld.

Gulmwolf vom Uldenswald stapft über die hastig herbeigebrachte Treppe in seinen Privatjet. Es handelt sich dabei um ein sehr modernes Fabrikat aus Über, das bis zu 45 km hoch fliegen kann und Mach 2 erreicht. Sie hat stolze 128 Millionen Chronen gekostet, ist ihren Preis aber wert.

Der Prösident nimmt auf dem extra weich bezogenen Ledersessel statt, greift zur Minibar und holt sich eine Autokrat Kola hervor. Dabei handelt es sich um ein besänftigendes, die Müdigkeit anregendes Getränk, welches extra für mitunter durchdrehende Diktatoren kreiert wurde.

Nun endlich hebt der Flieger ab und erreicht recht schnell die Hochatmosphäre. In 42,7 km Höhe kommt er nach gut zwanzig Minuten Steigflug und mit einem Tempo von 790 km/h an. Nun wird mit dem patentieren ÜBERschall-Antrieb auf Mach 1,5 beschleunigt.

Etwas später befindet sich der Privatjet südwestlich der Insel Seeland. Um das unkontrollierte Lägasthenien zu umfliegen, wird über dem otrantonischen Ozean geflogen und das Festland gemieden. Noch ist der Flug vollkommen stabil.

Plötzlich ertönt ein unfassbar lauter Knall direkt neben dem Flugzeug. Gulmwolf vom Uldenswald, der aufgrund der Autokrat Kola bis eben noch friedlich gedöst hatte, springt mit einem wilden Schrei, den sonst nur Gorillas auf Diamorphin abgeben, auf und verheddert sich dabei in seinem Sitzgurt. Diesen zerreißt er nach einigen Versuchen und rennt nun, mit der Pistole in der Hand, in der Kabine umher.

Eine weitere Serie von lauten Knallen, noch lauter als der vorige, ertönen und versetzen Gulmwolf vom Uldenswald in einen gefährlichen Zustand. Er schießt um sich, doch mit Blick auf die heftigen Wutanfälle ihres Staatschefs ließen die diktatorianischen Flugzeugbesteller die gesamte Kabine mit einem Kugeln schluckenden Material abdichten.

Während der heftigen Knallserie hat der Pilot die Kontrolle über das Flugzeug verloren und nun rast es mit einer Geschwindigkeit von über 2 Mach nach unten. Bis zum Aufschlag auf dem Otrantonischen Ozean verbleibt noch gut eine Minute, doch das weiß keiner an Bord so genau.

Mit einem Mal erscheint neben dem Panoramafenster des Jets ein riesiger, leuchtender Gesteinsbrocken. Er glüht in hellem Rot und fliegt neben dem abstürzenden Jet dahin.

Gulmwolf vom Uldenswald starrt das Gebilde starr vor Schreck an. Ein paar Mal noch löst er seine Pistole aus, dann ist die Munition alle. Derweil hört er durch die Flugzeugwand, wie es von dem Gesteinsbrocken knistert und knackt und wie der rötliche Farbton sich langsam ändert. Er wird zu einem hellen orange und flammenartige Muster bilden sich. Schlangengleich kriechen diese über die Oberfläche des seltsamen Objekts.

Noch immer ist Gulmwolf vom Uldenswald wie betäubt, als die Muster mit einem Mal ein Lächeln zu formen scheinen. Das Lächeln einer Person, die er schon lange nicht mehr gesehen hat. Damals.

Es war ein verschneiter Wintertag im Dezember 1941. Gulmwolf vom Uldenswald, damals noch ein kleiner Junge von sechs Jahren, schreibt seinen ersten eigenen Brief an den Weihnachtsmann. Nur mühsam finden die Schriftzeichen des Neuen Diktatorianischen Alphabets sich auf dem Papier ein. Dann ist der kleine Junge fertig. Er ruft mit krähender, befehlsgewohnter Stimme eine junge Dienerin herbei, mit ihren sechzehn Jahren auch fast noch ein Kind. Er drückt ihr den Brief in die Hand und schickt sie fort.

Als er wieder in die Gegenwart zurückkehrt, ist sich Gulmwolf vom Uldenswald sicher, wer diese schrecklichen Gesteinsbrocken geschickt hat: sein seit Jahrzehnten erbittert gehasster Feind, der Weihnachtsmann. Oh, Gulmwolf weiß, warum er ihn hasst. Warum er ihn so sehr hasst.

Und wieder wird es in Gulmwolfs Hirn 1941. Es ist der Abend des 24. Dezember, und der kleine Diktator steht staunend am Fenster. Er wartet auf den Weihnachtsmann, von dem er sich etwas ganz besonderes gewünscht hat: fünftausend verschieden uniformierte Zinnsoldaten. Pashtunische Bergkämpfer. Übersche Kampfroboter. Kosakenkrieger aus dem Otamanat. Und natürlich diktatorianische Soldaten. Viele. Damit er endlich das tun kann, was sein Ziehvater immer macht. Diese Figuren auf Landkarten hin- und herrücken, gegeneinander kämpfen und sterben lassen.
Doch er sieht nichts. Kein Schlitten kommt angeflogen. Der kleine Junge versteht die Welt nicht mehr. Warum? Warum?

Und wieder kehrt Gulmwolf vom Uldenswald zurück in die Wirklichkeit. Das erst noch gütige Lächeln des Weihnachtsmanngesichtes in dem Gesteinsbrocken verzerrt sich zu einer unförmigen Fratze. Ein hämisches Lachen ertönt in Gulmwolfs Ohren und mit einem Mal verschwindet der glühende Fels vom Fenster.

Ein monströses Krachen ertönt nur Sekunden später von unten, der Felsbrocken und seine Begleiter sind ins Meer gestürzt. Und da der dadurch entstandene Knall von unten kam, ist Gulmwolf vom Uldenswald klar, dass das Flugzeug wieder ganz normal in der Waagerechten dahinfliegt.

Und noch eines ist ihm klar: diese Brocken hat der Weihnachtsmann gesandt! Sein ärgster Feind! Er muss ihn nun wirklich vernichten, wenn er schon solch perfide Mordanschläge plant. Er schreitet zu den dicken Koffern, die von den mächtigen Turbulenzen der letzten Minute durcheinandergewirbelt mitten in der Kabine liegen. Einen davon, mit der diktatorianischen Fahne bestickt und mit einem Schloss verriegelt, öffnet Gulmwolf. Er muss dazu nur einen unscheinbaren Riegel, der in einer Täuschungsnaht am Boden versteckt ist, umlegen.

Schon schnappen die zwölf Hochsicherheitsschlösser, die doch nur Täuschung sind, auf. Gulmwolf öffnet den Koffer, zieht aus einer Seitentasche ein dickes Blatt Papier. Einige Zeilen an Zahlen und Buchstaben stehen darauf. Der Prösident des Diktatoriats zählt etwas ab, rechnet ein bisschen und scheint schließlich die richtigen Zeichen aus dem Buchstabensalat herausgefischt zu haben. Er öffnet eine Innentasche und da liegt es vor ihm: ein kleiner, bläulich leuchtender Bildschirm, daneben ein Tastenfeld und ganz rechts ein roter Knopf.

"Jetzt kriege ich dich ein für alle Mal!", knurrt Gulmwolf und tippt die Zahlenkombination ein. Sie erscheint auf dem Bildschirm. Dann drückt einer der böswilligsten Diktatoren aller Zeiten den roten Knopf...

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