Strukturformel
Allgemeines
Name Diacetyl
Andere Namen
  • 2,3-Butandion (IUPAC)
  • Dimethylglyoxal
  • Dimethyldiketon
Summenformel C4H6O2
Kurzbeschreibung

gelbgrüne Flüssigkeit mit strengem Geruch

Externe Identifikatoren/Datenbanken
CAS-Nummer 431-03-8
EG-Nummer 207-069-8
ECHA-InfoCard 100.006.428
PubChem 650
ChemSpider 630
Wikidata Q408916
Eigenschaften
Molare Masse 86,09 g·mol−1
Aggregatzustand

flüssig

Dichte

0,99 g·cm−3 (20 °C)

Schmelzpunkt

−2 °C

Siedepunkt

88 °C (thermische Zersetzung ab 110 °C)

Dampfdruck
  • 58,2 hPa (20 °C)
  • 99,8 hPa (30 °C)
  • 163 hPa (40 °C)
  • 254 hPa (50 °C)
Löslichkeit
Brechungsindex

1,3951 (20 °C)

Sicherheitshinweise
GHS-Gefahrstoffkennzeichnung

Gefahr

H- und P-Sätze H: 225302331315317318373
P: 210280301+312304+340+311305+351+338314
MAK

0,02 ml·m−3; 0,07 mg·m−3 

Soweit möglich und gebräuchlich, werden SI-Einheiten verwendet. Wenn nicht anders vermerkt, gelten die angegebenen Daten bei Standardbedingungen. Brechungsindex: Na-D-Linie, 20 °C

Diacetyl ist eine organische chemische Verbindung aus der Gruppe der Ketone und der einfachste Vertreter der Stoffklasse der Diketone. Es besitzt in verdünnter Form einen ausgeprägten Geschmack und Geruch nach Butter und ist auch Bestandteil des natürlichen Butteraromas. In hohen Konzentrationen riecht es ranzig. Diacetyl gibt eine positive Iodoformprobe.

Im Bierbrau-Prozess produzieren Bierhefen aus dem Stoffwechsel-Zwischenprodukt Acetolactat Diacetyl, das sie weiter zu 2,3-Butandiol reduzieren. Unterbleibt letzterer Abbau oder wird durch ungünstige Nährstoffgehalte die Diacetylfreisetzung forciert, so bekommt das Bier einen deutlichen und unangenehmen Fehlgeschmack. Ähnliche Prozesse mit großem Einfluss auf den Geschmack des Weins finden auch bei der Weinlagerung durch spezielle Milchsäurebakterien (siehe auch Milchsäuregärung bzw. malolaktische Gärung) statt (→ Weinfehler). Am 8. Dezember 2015 veröffentlichten Forscher der Harvard University eine Studie, nach der 39 von 54 untersuchten Liquids für elektrische Zigaretten Diacetyl enthielten. Allerdings ist Diacetyl zu einem wesentlich höheren Anteil auch in Tabakzigaretten enthalten und liegt auch hier noch unter den von der amerikanischen NIOSH ausgegebenen Grenzwerten.

Schädigende Wirkung

Nachdem bereits im Mai 2000 die Gesundheitsbehörden des US-Bundesstaats Missouri über die Erkrankung von zehn Arbeitern einer Popcorn-Fabrik an Bronchiolitis obliterans, einer sonst eher seltenen Atemwegskrankheit, berichteten und im Zusammenhang damit die Untersuchung der Fabrik durch die US-Arbeitsschutzbehörde OSHA forderten – allerdings ohne wirksame Folgen –, kam es im Juli 2004 vor einem US-Gericht in Iowa zu einer Klage gegen die Symrise Inc. sowie eine Reihe weiterer Butteraroma-Hersteller, bei der es um Schadensersatzansprüche aufgrund der Erkrankung an Bronchiolitis obliterans ging, bewirkt durch das Einatmen von Diacetyl-Dämpfen, wie sie bei der Herstellung von künstlich aromatisiertem Mikrowellen-Popcorn freigesetzt werden. Geklagt hatten Angestellte eines Lebensmittelherstellers und Zwischenhändler, die Produkte von Symrise in der Lebensmittelverarbeitung einsetzten. Weitere Klagen im Zusammenhang mit der inzwischen als „Popcorn Workers Lung“ bezeichneten Krankheit wurden im Sommer 2005 vor Gerichten in Illinois und St. Louis, Missouri, eingereicht, bis schließlich im Juni 2007 im amerikanischen Kongress ein Gesetzgebungsentwurf eingebracht wurde, verbindliche Grenzwerte für die Diacetylbelastung am Arbeitsplatz festzulegen. Wie Der Spiegel wenig später berichtete, mussten die Hersteller künstlichen Butteraromas bis zu diesem Zeitpunkt bereits mehr als 100 Millionen Dollar Entschädigungen an kranke Mitarbeiter zahlen, und offiziell wurde sogar der Tod eines Menschen auf die Erkrankung zurückgeführt. Anfang September 2007 wurde schließlich der Fall einer weiteren, schon im Juli diagnostizierten, allerdings bis dahin von den Behörden ignorierten Erkrankung an Bronchiolitis obliterans bekannt, diesmal bei einem Mann, der regelmäßig und in großer Menge selbst zubereitetes Mikrowellen-Popcorn zu sich genommen hatte und anschließend an „Popcorn Workers Lung“ erkrankte, vermutlich, weil er bei der Zubereitung die dabei freigewordenen Diacetyl-Dämpfe eingeatmet hatte. Drei Wochen später verabschiedete daraufhin das US-Repräsentantenhaus den Popcorn Workers Lung Disease Prevention Act, mit dem es die OSHA dazu verpflichtete, verbindliche Standards für den Umgang mit Diacetyl festzulegen. Neuere Forschungen zeigen, dass Diacetyl verschiedene Aspekte der Amyloid-β-Aggregation fördert. Solche Beta-Agreggationen werden mit der Alzheimer-Erkrankung in Verbindung gebracht.

Trimeres Diacetyl

Unter definierten Bedingungen erhält man aus Diacetyl mehrere strukturell verschiedene homotrimere Verbindungen mit identischer Summenformel (C12H18O6):

  • Im Jahr 1902 beschrieben Otto Diels und Hans Jost ein Polymerisationsprodukt von Diacetyl, das durch Einwirkung von konzentrierter Salzsäure auf Diacetyl bei 0 °C entsteht, als „eine prachtvoll krystallisierende Verbindung“ mit einem Schmelzpunkt von 105 °C. Durch Derivatisierungen und weitere Analysen wurden eine Hydroxygruppe, eine Ketofunktion, sowie „vier nicht zugängliche Sauerstoffatome“ nachgewiesen. Eine hypothetische, tricyclische Struktur mit zwei substituierten 1,3-Dioxetan- und einem 1,4-Dioxan-Ring wurde bei Beilstein als „nicht sehr wahrscheinlich“ eingeschätzt.
Analysen im Jahr 1999 identifizierten die trimere Hauptverbindung als 6-Hydroxy-1,3,6,7,9-Pentamethyl-2,8,10,11-tetraoxa-tricyclo[5.2.1.13.9]undecan-4-on und klärten die Strukturen von vier weiteren Nebenprodukten auf. Verwendung dieses Trimers und sein Einsatz in Formulationen von Kosmetika und Therapeutika wurde patentiert.
  • 1961 wurde von Cresswell et al. ein weiteres Trimer beschrieben, das in vier bis fünf Tagen bei Raumtemperatur unter katalytischem Kontakt des Anionenaustauscher Amberlite CG-400 (in der OH-Form) aus Diacetyl entsteht.
  • 1968 beschrieben Yankeelov und Mitarbeiter ein weiteres Trimer, das von ihnen zur Modifizierung von Arginin-Resten in Proteinen verwendet wurde.

Verwendung

Durch Kondensation mit 2,3-Butandiamin kann 2,3,5,6-Tetramethylpyrazin gewonnen werden.

Diacetyl wird als Lebensmittelzusatzstoff (Butteraroma) verwendet.

Einzelnachweise

  1. 1 2 3 Eintrag zu Butan-2,3-dion. In: Römpp Online. Georg Thieme Verlag, abgerufen am 2. September 2014.
  2. 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 Eintrag zu Butandion in der GESTIS-Stoffdatenbank des IFA, abgerufen am 3. Januar 2023. (JavaScript erforderlich)
  3. David R. Lide (Hrsg.): CRC Handbook of Chemistry and Physics. 90. Auflage. (Internet-Version: 2010), CRC Press / Taylor and Francis, Boca Raton FL, Physical Constants of Organic Compounds, S. 3-72.
  4. The MAK Collection for Occupational Health and Safety: Diacetyl MAK Value Documentation in German Language, 2015, doi:10.1002/3527600418.mb43103d0058.
  5. Joseph G. Allen, Skye S. Flanigan, Mallory LeBlanc, Jose Vallarino, Piers MacNaughton, James H. Stewart, David C. Christiani: Flavoring Chemicals in E-Cigarettes: Diacetyl, 2,3-Pentanedione, and Acetoin in a Sample of 51 Products, Including Fruit-, Candy-, and Cocktail-Flavored E-Cigarettes. In: Environmental Health Perspectives. Band 124, Nr. 6, 2015, S. 733–739, doi:10.1289/ehp.1510185, PMID 26642857.
  6. Konstantinos E. Farsalinos, Kurt A. Kistler, Gene Gillman, Vassilis Voudris: Evaluation of Electronic Cigarette Liquids and Aerosol for the Presence of Selected Inhalation Toxins. In: Nicotine & Tobacco Research. Band 17, Nr. 2, Februar 2015, S. 168–174, doi:10.1093/ntr/ntu176.
  7. Schädliche Lebensmittelzusätze – Krankheitsbild Popcorn-Lunge, Spiegel-Bericht vom 7. September 2007.
  8. Background on Diacetyl & Popcorn Workers Lung (Memento vom 14. Dezember 2010 im Internet Archive).
  9. Swati S. More, Ashish P. Vartak, Robert Vince: The Butter Flavorant, Diacetyl, Exacerbates β-Amyloid Cytotoxicity. In: Chemical Research in Toxicology. Band 25, Nr. 10, Juli 2012, S. 2083–2091, doi:10.1021/tx3001016.
  10. Otto Diels, Hans Jost: Ueber die Darstellung des Diacetyls und ein Polymerisationsproduct desselben. In: Berichte der deutschen chemischen Gesellschaft. Band 35, Nr. 3, Juli 1902, S. 3290–3299, doi:10.1002/cber.190203503137.
  11. Friedrich Konrad Beilstein, Bernhard Prager, Friedrich Richter: Beilsteins Handbuch der Organischen Chemie. Band 1. Springer, Berlin 1918, S. 771 (Textarchiv – Internet Archive).
  12. Ioanna Alexandropoulou, Trevor A. Crabb, Asmita V. Patel, John Hudec: Acid-promoted reactions of butan-2,3-dione. In: Tetrahedron. Band 55, Nr. 18, April 1999, S. 5867–5874, doi:10.1016/S0040-4020(99)00249-5.
  13. Patent WO2007110415: Use of diacetyl trimers and cosmetic or therapeutic formulations containing these compounds. Angemeldet am 26. März 2007, veröffentlicht am 4. Oktober 2007, Anmelder: Symrise, Erfinder: Karin Schaper, Sabine Lange, Holger Joppe, Gabriele Vielhaber, Jakob Ley.
  14. R. M. Cresswell, W. R. D. Smith, H. C. S. Wood: 960. The structure of two trimers of biacetyl. In: Journal of the Chemical Society. 1961, S. 4882–4885, doi:10.1039/JR9610004882.
  15. John A. Yankeelov, Carolyn Dempsey. Mitchell, Thomas H. Crawford: Simple trimerization of 2,3-butanedione yielding a selective reagent for the modification of arginine in proteins. In: Journal of the American Chemical Society. Band 90, Nr. 6, 1968, S. 1664–1666, doi:10.1021/ja01008a056.
  16. Externe Identifikatoren von bzw. Datenbank-Links zu Diacetyl-Trimer: CAS-Nummer: 18114-49-3, PubChem: 193527, ChemSpider: 167940, Wikidata: Q89912856.
  17. Roger L. Lundblad: Chemical Reagents for Protein Modification. 4. Auflage. CRC Press, 2014, ISBN 978-1-4665-7191-4, S. 646 (Google Books).
  18. George A. Burdock: Fenaroli's Handbook of Flavor Ingredients. CRC Press, 2004, ISBN 978-1-4200-3787-6, S. 1786 (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche).
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