ARHGAP11B
Andere Namen
  • Rho GTPase activating protein 11B
  • FAM7B1
  • B'-T
  • Family With Sequence Similarity 7, Member B1
  • Inactive Rho GTPase-Activating Protein 11B
  • GAP (1–8)
Eigenschaften des menschlichen Proteins
Masse/Länge Primärstruktur 267 Aminosäuren, 30.251 Da
Bezeichner
Gen-Name ARHGAP11B
Externe IDs
Vorkommen
Homologie-Familie Hovergen

Rho-GTPase-aktivierendes Protein 11B ist ein Protein aus der Gruppe der GTPase-aktivierenden Proteine, das vom Gen ARHGAP11B des Chromosoms 15 kodiert wird. Dieses Protein verstärkt das Wachstum und die Vermehrung der Hirn-Stammzellen (also neuronaler Vorläuferzellen), trägt damit zur Faltung des normalerweise glatten Neokortex bei und ist damit für ein intensiveres Hirnwachstum verantwortlich.

In Zusammenarbeit mit dem Forscherteam um Svante Pääbo vom Max-Planck-Institut für evolutionäre Anthropologie in Leipzig konnte bestätigt werden, dass dieses Gen und das von ihm exprimierte Protein nur im Menschen und seinen nächsten ausgestorbenen Verwandten, dem Denisova-Menschen und Neandertaler existiert, deren Gehirne ähnlich groß waren wie das des Homo sapiens, nicht aber in Menschenaffen wie beispielsweise dem Schimpansen. Das erklärt, warum der menschliche Neokortex als der evolutionär jüngste Teil der Großhirnrinde etwa dreimal so groß ist wie der Neokortex der Schimpansen.

Entstehung des menschenspezifischen Gens

Nach der Trennung der beiden Evolutionslinien, welche einerseits zum modernen Menschen, dem Neandertaler und dem Denisova-Menschen und andererseits zu den Schimpansen geführt hatten, entstand vor etwa fünf Millionen Jahren das menschenspezifische Gen ARHGAP11B durch eine teilweise Verdopplung (Duplikation) des in der Tierwelt weit verbreiteten Gens ARHGAP11A. Das vom ARHGAP11B-Gen exprimierte Protein enthält bei insgesamt 267 Aminosäuren eine Abfolge von 47 Aminosäuren am C-Terminus, die ebenfalls den Menschen spezifisch ist, im ARHGAP11A-Protein nicht vorkommt, und für die Fähigkeit von ARHGAP11B zur Vermehrung von basalen Vorläuferzellen im Gehirn von essentieller Bedeutung ist.

Der entscheidende Effekt einer rasanten Zunahme der Gehirngröße setzte nach Ansicht der Forschenden jedoch erst vor rund zwei bis 1,5 Millionen Jahren ein. In Folge einer Punktmutation führte der punktuelle Austausch eines einzigen genetischen Buchstabens bei einem Basenpaar, nämlich der Austausch von C (Cytosin) zu G (Guanin), im ARHGAP11B-Gen zu einer Verschiebung im Leseraster und damit zum Verlust von 55 Nukleotiden bei der Bildung der entsprechenden Boten-RNA. Zuvor waren diese 55 Nukleotide in der DNA des ARHGAP11B-Gens weiterhin vorhanden und sind erst bei der Bildung der Boten-RNA von ARHGAP11B eliminiert worden. Das Ergebnis war und ist die funktionell essenzielle Sequenz von 47 Aminosäuren im Protein.

Des Weiteren bewirkte diese Punktmutation, dass sich das ARHGAP11B-Protein vom Zellkern in die Mitochondrien verlagerte, wo es nun mit einem anderen Protein, das die Membran-Pore steuert, in der Membran von Mitochondrien zusammenwirkt. Diese Poren schließen sich in Folge der Wechselwirkung beider Proteine und verhindern so den Austritt von Kalzium aus den Mitochondrien. Dadurch entsteht im Inneren derselben eine höhere Kalziumkonzentration, welche die Mitochondrien veranlasst, über den Stoffwechselweg Glutaminolyse chemische Energie zu erzeugen. Auf diese Weise werden durch ARHGAP11B letztlich basale Hirnstammzellen dazu gebracht, einen größeren Pool von Stammzellen zu bilden.

Literatur

  • Marta Florio, Takashi Namba, Svante Pääbo, Michael Hiller, Wieland B. Huttner: A single splice site mutation in human-specific ARHGAP11B causes basal progenitor amplification. In: Science Advances. 7. Dezember 2016, Band 2, Nr. 12, doi:10.1126/sciadv.1601941.
  • Michael Heide, Christiane Haffner, Ayako Murayama, Yoko Kurotaki, Haruka Shinohara, Hideyuki Okano, Erika Sasaki, Wieland B. Huttner: Human-specific ARHGAP11B increases size and folding of primate neocortex in the fetal marmoset. In: Science. 31. Juli 2020, Band 369, Nr. 6503, S. 546–550, doi:10.1126/science.abb2401/ E-publication veröffentlicht von Science. via First Release, 18. Juni 2020.

Einzelnachweise

  1. M. Florio, M. Albert, E. Taverna, T. Namba, H. Brandl, E. Lewitus, C. Haffner, A. Sykes, F. K. Wong, J. Peters, E. Guhr, S. Klemroth, K. Prüfer, J. Kelso, R. Naumann, I. Nüsslein, A. Dahl, R. Lachmann, S. Pääbo, W. B. Huttner: Human-specific gene ARHGAP11B promotes basal progenitor amplification and neocortex expansion. In: Science. Band 347, Nummer 6229, März 2015, S. 1465–1470, doi:10.1126/science.aaa1975, PMID 25721503.
  2. 1 2 Max-Planck-Institut für molekulare Zellbiologie und Genetik, Dresden: Gehirngröße: Mini-Mutation mit riesigen Folgen. Der Expansion des menschlichen Großhirns während der Evolution liegt wahrscheinlich eine winzige Veränderung in einem Gen zugrunde. Auf. mpg.de vom 8. Dezember 2016; zuletzt abgerufen am 17. Januar 2022.
  3. Max-Planck-Institut für molekulare Zellbiologie und Genetik, Dresden: Entwicklung eines größeren Gehirns. Ein Gen, das nur der Mensch besitzt und das in der Großhirnrinde aktiv ist, kann das Gehirn eines Frettchens vergrößern. Auf: mpg.de vom 8. Januar 2019; zuletzt abgerufen am 17. Januar 2022.
  4. 1 2 Max-Planck-Institut für molekulare Zellbiologie und Genetik, Dresden: Evolutionärer Schlüssel für ein vergrößertes Gehirn. Dresdner und japanische Forscher zeigen, dass ein menschenspezifisches Gehirngrößen-Gen einen größeren Neokortex beim Weißbüschelaffen hervorruft. Auf: mpg.de vom 18. Juni 2020; zuletzt abgerufen am 17. Januar 2022.
  5. M. Heide, W. B. Huttner: Human-Specific Genes, Cortical Progenitor Cells, and Microcephaly. In: Cells. Band 10, Nummer 5, 05 2021, S. , doi:10.3390/cells10051209, PMID 34063381, PMC 8156310 (freier Volltext) (Review).
  6. T. Namba, J. Dóczi, A. Pinson, L. Xing, N. Kalebic, M. Wilsch-Bräuninger, K. R. Long, S. Vaid, J. Lauer, A. Bogdanova, B. Borgonovo, A. Shevchenko, P. Keller, D. Drechsel, T. Kurzchalia, P. Wimberger, C. Chinopoulos, W. B. Huttner: Human-Specific ARHGAP11B Acts in Mitochondria to Expand Neocortical Progenitors by Glutaminolysis. In: Neuron. Band 105, Nummer 5, 03 2020, S. 867–881.e9, doi:10.1016/j.neuron.2019.11.027, PMID 31883789.
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