Ein Alter Herr oder Philister ist ein Mitglied einer Studentenverbindung nach Beendigung seiner Studien- und Aktivenzeit. In Damenverbindungen bzw. gemischten Verbindungen ist die weibliche Entsprechung Hohe Dame.
Begriff
Den Status des Alten Herrn erreicht das Mitglied mit Abschluss des Studiums oder mit dem Eintritt ins Berufsleben. Die Gesamtheit der Alten Herren einer Studentenverbindung wird meist als Altherrenschaft oder Philisterium bezeichnet.
Mit dem Begriff des Philisters war auch immer eine aus Sicht der Studenten besonders verachtenswerte oder rückwärtsorientierte Geisteshaltung verbunden, die der Lebensfreude und dem Sinn für das Schöne nicht den richtigen Stellenwert einräumte. Diese Geisteshaltung bezeichnete der Student als „philiströs“ im Gegensatz zur „burschikosen“ Lebenseinstellung eines echten Burschen.
In vielen, vor allem christlichen, Studentenverbindungen ist Philister die offizielle Bezeichnung für die Alten Herren. In anderen Dachverbänden, z. B. den Corps oder Landsmannschaften, wird die Bezeichnung Alter Herr vorgezogen. Mitglieder von Damenverbindungen werden nach Abschluss ihres Studiums als Hohe Damen bezeichnet.
Verbindungstyp | Bezeichnung (Sg.) | Bezeichnung (Pl.) | Gruppenbezeichnung |
---|---|---|---|
Christliche Studentenverbindungen, baltische Verbindungen | Philister (Phil.) | Philister (Eigenbezeichnung: Conphilister) | Philisterium (dt. Philisterschaft) |
Corps, Landsmannschaft (Studentenverbindung), Burschenschaften | Alter Herr (AH) | Alte Herren (AHAH od. AH²) | Altherrenschaft |
Gemischte Studentenverbindungen | Hohe Dame (HD) / Alter Herr (AH) | Hohe Damen in Kombination mit Alten Herren auch ADAH | Philisterium |
Damenverbindungen | Hohe Dame (HD) | Hohe Damen (HDHD od. HD²) | Hohe-Damenschaft |
selten in Bayern und Österreich: | Corpsphilister | Corpsphilister | Corps-Philisterschaft |
Organisation
Die Alten Herren einer Verbindung organisieren sich üblicherweise in einem Altherrenverein (AHV). Dieser wird je nach Verbindung und Dachverband unterschiedlich bezeichnet (z. B. Philisterverein, Brüderverein). Die Altherrenvereine sind als Zusammenschlüsse die organisatorische Auswirkung des Lebensbundprinzips. Teilweise bilden studierende und nicht mehr studierende Mitglieder einer Korporation aber auch eine organisatorische Einheit.
Neben ihrer Einbindung in die eigenen Altherrenvereine organisieren sich Alte Herren vielfach verbindungsübergreifend in örtlichen Zusammenschlüssen nach Verbandszugehörigkeit (z. B. AHSC, VAB, VACC). Dabei sind die örtlichen Zusammenschlüsse die älteren und setzten um 1860 ein. Die Altherrenvereine entstanden hingegen erst im letzten Viertel des 19. Jahrhunderts als feste Zusammenschlüsse, um die Finanzierung der Korporationshäuser an den Hochschulorten strukturieren zu können.
Ziel eines Altherrenvereins ist es, den Zusammenhalt untereinander und mit den studierenden Mitgliedern (Aktivitas) aufrechtzuerhalten. Die Alten Herren sind aber auch bei gesellschaftlichen Anlässen der Studentenverbindung oder bei der finanziellen Unterstützung tätig. Die Altherrenvereine sind in den Altherrenverbänden meist wieder auf Verbandsebene zusammengeschlossen. Ein Dachverband mehrerer Altherrenverbände ist der Convent Deutscher Akademikerverbände (CDA).
Philistrierung
Philistrierung ist, in Anlehnung an die Aufnahme in die aktive Verbindung, der Übergang aus der Aktivitas in die Altherrenschaft. Vielfach muss der Aktive, der nach seinem Studium philistriert werden möchte, beim Altherrenverband einen Antrag auf Aufnahme stellen. Lehnt der Altherrenverband die Aufnahme in seine Reihen ab, ist damit die Mitgliedschaft in der Verbindung beendet.
Im Wingolfsbund ist die Philistration eine Veranstaltung, bei der ein Bundesbruder nach abgeschlossenem Studium und Aufnahme des Berufs in den Altherrenverband aufgenommen wird. Nach einer Philistrationskneipe, die vom Philistranden selbst geleitet wird, zerschlägt dieser seinen Krug am Bemoosten Stein. In Zukunft gehört er symbolisch nicht mehr zu den fröhlich zechenden Aktiven, sondern zum Philisterium.
Renoncephilister
Renoncephilister – in den Corpslisten R.-Ph. – waren eine besondere Art der Corpszugehörigkeit bei einigen süddeutschen Corps, besonders den ehemaligen bayerischen Lebenscorps. Verdiente Renoncen wurden beim Verlassen der Universität vom Senioren-Convent zu Renoncephilistern ernannt. Diese hatten dann etwa die Stellung der heutigen Corpsschleifenträger. Renoncen waren bis etwa 1850 im Gegensatz zu den Füchsen solche Studenten, die nur in loser Beziehung zum Corps standen. Sie nahmen dessen Schutz gegenüber der studentischen Allgemeinheit in Anspruch, verzichteten aber auf die Reception. Sie „renoncierten“ (verzichteten) auf das Corpsband. Die Renonce (Studentenverbindung) hat mit den Renoncephilistern nichts zu tun. Am Ende des 19. Jahrhunderts wurde das Renoncentum allgemein abgeschafft. Die Renoncephilister wurden, wenn sie gefochten hatten, i. e. C. rezipiert oder bekamen die Corpsschleife.
Urphilister
Urphilister bezeichnet einen Alten Herren einer katholischen Studentenverbindung, der in ebendieser Verbindung auch seine Fuchsenzeit durchlebt hat. Da ein Alter Herr sowohl bei einer Mittelschulverbindung als auch bei einer Hochschulverbindung die Fuchszeit durchlaufen haben kann, kann er bei diesen beiden Urphilister sein; gehört er weiteren Verbindungen an, dann ist er in diesen nur Bandphilister.
Bandaufnahmen
Neben dem üblichen Übergang in die Altherrenschaft nach abgeschlossenem Studium haben sich weitere Formen der Bandaufnahme (Beitritt zur Verbindung/Altherrenschaft) unter den Studentenverbindungen entwickelt. Handelt es sich um bisher nicht korporierte Interessierte, so spricht man nach Aufnahme in einigen Bünden von einem Ehrenphilister (EPh) oder Ehrenmitglied (EM). Ein anderer Fall ist die Bandaufnahme einer Person, die bisher schon Mitglied in einer Verbindung des gleichen Dachverbandes oder einer anderen befreundeten Verbindung war. In diesem Fall sprechen manche Verbindungen von Bandphilistern oder Zweitbandträgern. Allgemein üblich werden sie im Alltag aber gleichwohl einfach Alter Herr bzw. Philister genannt. Diese Einteilung kann sich von Dachverband zu Dachverband in der Benennung durchaus unterscheiden.
Im Cartellverband der katholischen deutschen Studentenverbindungen (CV) ist es zusätzlich üblich, bekannten öffentlichen Persönlichkeiten, beispielsweise Bischöfen der römisch-katholischen Kirche, ein Ehrenband anzutragen. Eine solche „Ehrenmitgliedschaft“ ohne eine persönliche Beteiligung am Aktivenleben wird von vielen anderen Studentenverbindungen abgelehnt. Die meisten Studentenverbindungen knüpfen Bandaufnahmen an bestimmte Bedingungen, wie zum Beispiel eine rege Teilnahme am Verbindungsleben. Grundsätzlich muss aber festgehalten werden, dass sich anhand der Mitgliedsart nicht per se über das jeweilige persönliche Engagement der betreffenden Person innerhalb der Verbindung urteilen lässt, da dies auch im Falle von hohen geistlichen oder politischen Würdenträgern von Person zu Person viel zu unterschiedlich ist.
Der Begriff „Philister“
Der Ausdruck Philister lässt sich aus den Hebräischen pelischtim herleiten und zwar von dem Streit zwischen den Philistern und Hebräern, der im Alten Testament der Bibel oft thematisiert wird. In der Studentensprache wurden zuerst die Stadtwachen oder die Polizei, mit denen sich die Studenten häufig stritten, im 18. Jahrhundert in den Universitätsstädten beispielsweise in Leipzig oder Halle (Saale) mit diesem Namen belegt, dann schließlich alle kleinbürgerlichen engstirnigen Einwohner der Universitätsstädte, also alle Spießbürger.
Heinrich Heine, als junger Jurastudent (und Mitglied des Corps Guestphalia) wegen eines Duellvergehens von der Universität Göttingen relegiert, später aber wieder zurückgekehrt, um hier zu promovieren, setzte seiner Meinung über „Philister“ in seinem Werk Die Harzreise ein Denkmal:
„Im allgemeinen werden die Bewohner Göttingens eingeteilt in Studenten, Professoren, Philister und Vieh; welche vier Stände doch nichts weniger als streng geschieden sind. Der Viehstand ist der bedeutendste. […]
Die Zahl der Göttinger Philister muß sehr groß sein, wie Sand, oder besser gesagt, wie Kot am Meer; wahrlich, wenn ich sie des Morgens, mit ihren schmutzigen Gesichtern und weißen Rechnungen, vor den Pforten des akademischen Gerichtes aufgepflanzt sah, so mochte ich kaum begreifen, wie Gott nur so viel Lumpenpack erschaffen konnte.“
Der Ausdruck Philister wurde dann auch – zuerst despektierlich, dann offiziell – für die im Berufsleben stehenden Mitglieder einer Studentenverbindung verwandt. Der Begriff tauchte im weiteren Verlauf des 19. Jahrhunderts in vielen Studentenliedern auf, in denen aus der Sicht des „Alten Herren“ der eigene Zustand des „Philistertums“ wehmütig bedauert und im klassischen Ubi-sunt-Topos der alten Zeiten als Student gedacht wird. So auch im Lied Als ich schlummernd lag heut’ Nacht von Adolf Katsch 1883:
„Gold’ne Burschenzeit entflog,
schnell – daß Gott erbarme! –
Ledern Philisterium zog
mich in dürre Arme.“
Oder in dem berühmtesten Lied der Gattung, O alte Burschenherrlichkeit, anonym publiziert 1825:
„Wo sind sie, die vom breiten Stein
Nicht wankten und nicht wichen,
Die ohne Spieß bei Scherz und Wein
Den Herrn der Erde glichen?
Sie zogen mit gesenktem Blick
In das Philisterland zurück.
O jerum, jerum, jerum,
o quae mutatio rerum!“
Der „breite Stein“ war die in der Mitte einer Straße ausgeführte Pflasterung. Links und rechts davon war der Weg nicht befestigt und besonders bei Regenwetter durch die Fuhrwerke entsprechend aufgewühlt und schlammig. Derjenige, „der nicht wich“ zwang also folglich alle Entgegenkommenden, in den Matsch zu steigen, was zugegebenermaßen eine gewisse Präpotenz in der Haltung der Studiosi widerspiegelt.
Der Begriff des Philisters als Bezeichnung für einen Menschen mit kleingeistiger Lebensauffassung griff später über den universitären Sprachgebrauch hinaus und wurde zur Vokabel des Bildungsbürgertums.
Literatur
- Remigius Bunia, Till Dembeck, Georg Stanitzek (Hrsg.): Philister. Problemgeschichte einer Sozialfigur der neueren deutschen Literatur. Akademie, Berlin 2011, ISBN 3-05-005266-X.
- Paulgerhard Gladen: Gaudeamus igitur – Die studentischen Verbindungen einst und jetzt. Callwey, München 1988, ISBN 3-7667-0912-7.
- Michael Ruck: Alte Herren, in: ders.: Corpsgeist und Staatsbewußtsein. Beamte im deutschen Südwesten 1928–1972. Oldenbourg, München 1996. ISBN 3-486-56197-9. S. 39–49.
Einzelnachweise
- ↑ Handbuch des Kösener Corpsstudenten in zwei Bänden, 6. Auflage, hrsg. vom Vorstand des Verbandes Alter Corpsstudenten, 1985, S. 330 f.