Die Amerikanistik ist diejenige Philologie, die sich mit der Sprache und Literatur der Vereinigten Staaten von Amerika befasst.

Das Fach existiert fast ausschließlich in Mitteleuropa, wo Autoren wie Friedrich Schlegel, Jacob Grimm, Wilhelm Grimm und Karl Lachmann im 19. Jahrhundert das Konzept der Philologie theoretisch begründet haben. Die Anhänger dieser Schule waren davon überzeugt, Texten keine echte Bedeutung entnehmen zu können, wenn sie dabei nicht in erster Linie auf die Schriftzeichen und Worte schauten.

In anderen Teilen der Welt hat die philologische Idee kaum Anhängerschaft gefunden. So sind im englischen Sprachraum Language Studies und Literature bis heute getrennte Disziplinen. Zwar existiert das Wort Americanistics im Englischen, wird aber nur verwendet, um die philologisch ausgerichtete mitteleuropäische Amerikanistik zu bezeichnen.

Begriffsabgrenzung

Die Amerikanistik ist von den American Studies (deutsch auch: Amerikastudien, Amerikakunde) zu unterscheiden, die als interdisziplinäres Kulturfach auch die Geschichte, Politik, Gesellschaft und Kultur der Vereinigten Staaten behandeln.

Die Universität Kiel bietet einen Bachelorstudiengang „Anglistik/Nordamerikanistik“ an und will mit diesem Neologismus ausdrücken, dass in dem Ausbildungsgang neben dem britischen und amerikanischen Englisch auch das kanadische Englisch berücksichtigt wird. Üblicherweise wird diejenige Philologie, die sich mit den kanadischen Sprachen (v. a. Englisch, Quebecer Französisch) und der kanadischen Literatur befasst, aber als Kanadistik bezeichnet.

Geschichte der Amerikanistik

Das Wort „Amerikanistik“ entstand als Analogiebildung zu den Bezeichnungen älterer Philologien, wie der Anglistik, Germanistik und Romanistik und lässt sich bereits im späten 19. Jahrhundert nachweisen.

Als universitäres Lehrfach konnte die Amerikanistik sich jedoch erst spät durchsetzen. 1936 entstand an der Berliner Friedrich-Wilhelms-Universität erstmals ein Lehrstuhl für Amerikanistik. Besetzt wurde die Professur mit Friedrich Schönemann, einem „Märzgefallenen“ und loyalen Gefolgsmann der NSDAP, der sich an der Universität Münster 1924 als erster Deutscher in der Literatur- und Kulturgeschichte der USA habilitiert hatte. Wie alle Amerikanisten der Zeit wandte Schönemann sich gegen die einseitige Privilegierung des britischen Englisch und der englischen Literatur im deutschen Bildungswesen. Darüber hinaus vertrat er aber auch einen integrativen, auslandswissenschaftlichen Ansatz und plädierte für eine Amerikanistik, die nicht nur literaturwissenschaftliche, sondern auch historische, ökonomische und sozialwissenschaftliche Methoden nutzen sollten, mit dem Ziel einer umfassenden Kulturanalyse der USA. Ins Zentrum seiner Lehre stellte Schönemann dann die Kritik der amerikanischen Wertvorstellungen von Freiheit und Demokratie. Mit seinem integrativen Ansatz, der eher auf American Studies als auf eine Amerikanistik im engen Sinne hinauslief, war er bereits in den 1920er Jahren ein Außenseiter gewesen und konnte sich auch über das Kriegsende hinaus damit nicht halten.

Den Neuanfang der Amerikanistik nach dem Zweiten Weltkrieg machte die DDR. An der Universität Leipzig bestand bereits in den 1950er Jahren ein Institut für Anglistik und Amerikanistik; Leiter der Abteilung Amerikanistik wurde dort 1955 Karl-Heinz Schönfelder, dessen Assistent Eberhard Brüning an derselben Hochschule 1969 als ordentlicher Professor für Amerikanistik berufen wurde. 1960 publizierte Peter Genzel eine Kurze Bibliographie für das Studium der Anglistik und Amerikanistik. An der Humboldt-Universität zu Berlin lehrte Georg Kartzke und nach dessen Tod (1958) Karl-Heinz Wirzberger. 1977 folgte als ordentlicher Professor an derselben Hochschule Horst Ihde. An der Universität Potsdam lehrte Heinz Wüstenhagen.

Zu den Pionieren der Amerikanistik in der Bundesrepublik zählt Hans-Joachim Lang, der an der Universität in Erlangen von 1967 einen der ersten Lehrstühle in diesem Fach innehatte. Klaus Lubbers, Englischprofessor an der Universität Mainz, publizierte 1970 eine erste Einführung in das Studium des Faches.

Studienmöglichkeiten

An deutschsprachigen Universitäten, an denen Amerikanistik angeboten wird, finden sich Anglistik und Amerikanistik heute oft unter dem Dach einer gemeinsamen Fakultät, mitunter gibt es aber (für jedes der beiden Fächer) separate Institute, die eigenständig arbeiten und nur im Bereich der Sprachwissenschaften gemeinsame Kurse anbieten. Überschneidungen mit der Lateinamerikanistik ergeben sich vor allem in Bezug auf die Hispanics in den USA, etwa in den Chicano Studies.

Deutschland

In Deutschland werden Studiengänge im Fach Amerikanistik derzeit (2019) an folgenden Universitäten angeboten:

  • Bachelor of Arts
  • Bachelor of Arts (Lehramt)
  • als Anglistik/Amerikanistik: Ruhr-Uni Bochum, Uni Erfurt, Uni Münster, Uni Wuppertal
  • als Anglistik/Nordamerikanistik: Uni Kiel
  • Master of Arts
  • als Anglistik/Amerikanistik: Ruhr-Uni Bochum, Uni Chemnitz, Uni Wuppertal
  • als English and American Literatures, Cultures, and Media: Uni Kiel
  • als English and American Studies/Anglistik und Amerikanistik: Uni Kassel, Uni Frankfurt

Österreich

In Österreich werden derzeit (2019) an folgenden Hochschulen Amerikanistikstudiengänge angeboten:

  • Bachelor of Arts
  • Master of Arts
  • als Sprachwissenschaft Schwerpunktfach Anglistik und Amerikanistik: Uni Salzburg
  • als Literatur- und Kulturwissenschaft, Schwerpunkt Anglistik und Amerikanistik: Uni Salzburg
  • als Anglistik/Amerikanistik: Uni Innsbruck, Uni Klagenfurt
  • als Anglophone Literatures and Cultures: Uni Wien

Schweiz

In der Schweiz werden im Fach Amerikanistik gegenwärtig (2019) keine Studiengänge angeboten.

Außerhalb des deutschsprachigen Raumes

Im englischsprachigen Raum sowie generell außerhalb des deutschen Sprachraumes sind die American Studies fast ohne Ausnahme das einzige Fach, in dem – neben Anderem – sowohl die Sprache als auch die Literatur der Vereinigten Staaten behandelt werden.

Nur wenige Universitäten außerhalb des deutschsprachigen Raumes bieten Studiengänge im Fach Amerikanistik an, darunter:

Berufsperspektiven

Absolventen von Studiengängen der Amerikanistik bieten sich Berufsperspektiven unter anderem als Englischlehrer, als Lehrer in der Erwachsenenbildung, als Sprachdozent, Dolmetscher, Übersetzer, Verlagslektor, Journalist und in der Forschung.

Bedeutende und bekannte Amerikanisten

Literatur

Einführungen
  • Uwe Böker und Christoph Houswitschka (Hrsg.): Einführung in das Studium der Anglistik und Amerikanistik. 2., überarbeitete Auflage. C. H. Beck, München 2007, ISBN 3-406-56670-7.
  • Udo J. Hebel: Einführung in die Amerikanistik / American Studies. Metzler, Stuttgart 2008, ISBN 3-476-02151-3.
  • Ansgar Nünning, Andreas H. Jucker: Orientierung Anglistik, Amerikanistik. Hamburg 1999.
Geschichte
  • Frank-Rutger Hausmann: Anglistik und Amerikanistik im Dritten Reich. Frankfurt am Main Main 2003.
  • Rainer Schnoor (Hrsg.): Amerikanistik in der DDR: Geschichte – Analysen – Zeitzeugenberichte. Trafo verlag, Berlin 1999.
  • Kermit Vanderbilt: American Literature and the Academy. University of Pennsylvania Press, Philadelphia 1986, ISBN 0-8122-1291-6.
Wiktionary: Amerikanistik – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen

Einzelnachweise

  1. Klaus Lubbers: Einführung in das Studium der Amerikanistik. Max Niemeyer, 1970, S. 1.
  2. Uwe Wirth, Kai Bremer: Die philologische Frage: Kulturwissenschaftliche Perpektiven auf die Theoriegeschichte der Philologie. S. 9, abgerufen am 4. Oktober 2019.
  3. Biographical Notes. In: Agehanada Bharati (Hrsg.): The Realm of the Extra-Human. Volume 2: Ideas and Actions. De Gruyter/Mouton Publishers, The Hague, Paris 1976, ISBN 90-279-7759-3 (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche).
  4. Klaus Lubbers: Einführung in das Studium der Amerikanistik. Max Niemeyer, 1970, S. 3.
  5. 1 2 Udo J. Hebel: Einführung in die Amerikanistik/American Studies. J. B. Metzler, Stuttgart, Weimar 2008, ISBN 978-3-476-02151-9, S. 1 (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche).
  6. Anglistik/Nordamerikanistik (Zwei-Fächer-Masterstudiengang). Abgerufen am 4. Oktober 2019.
  7. Z.B. S. Stricker: Sprachkunde. Literaturgeschichte. In: Friedrich Zarncke, Eduard Zarncke (Hrsg.): Literarisches Centralblatt für Deutschland. Band 32. Eduard Avenarius, Leipzig 1881, S. 27 (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche).
  8. 1 2 Phillip Gassert: Vor der DGfA: Deutsche Amerikaforschung zwischen Erstem Weltkrieg und früher Bundesrepublik. In: Michael Dreyer, Markus Kaim, Markus Lang (Hrsg.): Amerikaforschung in Deutschland: Themen und Institutionen der Politikwissenschaft nach 1945. Franz Steiner, Wiesbaden 2004, ISBN 3-515-08466-5, S. 29 f. (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche).
  9. Karl-Heinz Füssl: Deutsch-amerikanischer Kulturaustausch im 20. Jahrhundert: Bildung – Wissenschaft – Politik. Campus, Frankfurt, New York 2004, ISBN 3-593-37499-4, S. 97 f. (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche).
  10. Brüning, Eberhard. Abgerufen am 3. Oktober 2019.
  11. Peter Genzel: Kurze Bibliographie für das Studium der Anglistik und Amerikanistik. M. Niemeyer, Halle/Saale 1960.
  12. Klaus Lubbers: Einführung in das Studium der Amerikanistik. Max Niemeyer, 1970.
  13. Anglistik und Amerikanistik Studium. Abgerufen am 3. Oktober 2019.
  14. https://www.uni-frankfurt.de/41111760/American_Studies
  15. https://www.uni-frankfurt.de/41111760/American_Studies
  16. Anglistik und Amerikanistik / Englisch Bachelor studieren. Abgerufen am 4. Oktober 2019.
  17. Master-Studiengänge mit Stichwort Amerikanistik. Abgerufen am 4. Oktober 2019.
  18. Bachelor-Studiengänge mit Stichwort Amerikanistik. Abgerufen am 4. Oktober 2019.
  19. Master-Studiengänge mit Stichwort Amerikanistik. Abgerufen am 4. Oktober 2019.
  20. Niederlande: Amerikanistik - Studium in den Niederlanden. Abgerufen am 4. Oktober 2019.
  21. Finden Sie Bachelor of Arts-Studiengänge in Amerikanistik in Europa 2019/2020. Abgerufen am 4. Oktober 2019.
  22. Amerikanistik - Studium in den Niederlanden. Abgerufen am 4. Oktober 2019.
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