Anna Iwanowna (russisch Анна Ивановна, auch – und hauptsächlich – Анна Иоанновна/Anna Ioannowna; * 28. Januarjul. / 7. Februar 1693greg. in Moskau; † 17. Oktoberjul. / 28. Oktober 1740greg. in Sankt Petersburg) war Kaiserin von Russland von 1730 bis 1740.

Leben

Familie

Anna war die vierte Tochter von Iwan V. (1666–1696) von Russland und dessen Gemahlin Praskowja Fjodorowna Saltykowa (1664–1723) und Halbnichte des Zaren Peter I.

Regentin in Kurland

Anna wurde im November 1710 mit Herzog Friedrich († 1711) verheiratet und fungierte nach dessen frühem Tod als – allerdings nicht unbestrittene – Regentin von Kurland.

Anna residierte ab 1711 in Mitau und war dort völlig dem Wohlwollen Peters I. unterworfen. Der Zar stützte sie als Regentin, um den russischen Einfluss in Kurland zu gewährleisten, versah sie aber nur mit einer knappen Apanage, die kaum ausreichte, um das Hofpersonal zu bezahlen. Als Annas Obersthofmeister fungierte der Russe Pjotr Michailowitsch Rjumin-Bestuschew, der sie, obwohl fast zwei Jahrzehnte älter, im Geheimen als Liebhaber verführte und sie langjährig völlig unter seinen Willen brachte. Auch ihre Mutter, die Zarin Praskowja Saltykowa, machte der Tochter bis zu ihrem Tod 1723 brieflich Vorschriften, die den Lebensstil und die Auswahl ihrer Beziehungen umfassten.

1726 erschien Prinz Moritz von Sachsen als Brautwerber Annas am Hof von Mitau. Das Werben schmeichelte zwar Anna, aber weniger dem Zaren, welcher sofort den Fürsten Alexander Menschikow absandte, um diese Liaison zu unterbinden. Nachdem Moritz von Sachsen aus Kurland vertrieben war, stieg der kurländische Adelige Ernst Johann von Biron (1690–1772) als erster Günstling Annas auf. Biron fungierte schon länger als Sekretär der Herzogswitwe, dann als Hofmeister und enger Vertrauter Annas, in dieser Position machte er sich jetzt unentbehrlich. Als Anna 1730 Zarin von Russland wurde, folgte er ihr an den Hof nach Sankt Petersburg.

Regentschaft

Nach dem Tod ihres Halbneffen zweiten Grades (also des Sohnes ihres Halbcousins), des Kaisers Peter II., bestieg sie den Thron und wurde 1730 zur Kaiserin gekrönt. Diese Nachfolge war durch den Kanzler Heinrich Johann Friedrich Ostermann erreicht worden, obwohl Anna und Elisabeth, die zwei Töchter Peters, bzw. deren Nachkommen, vorrangig Ansprüche auf den Thron gehabt hätten. Ostermann verhandelte für die von ihm favorisierte Thronfolge mit den Bojaren und unter dem schriftlichen Zugeständnis, dass Adel und Senat Mitbestimmungsrechte bei der Politik bekämen, wurde Anna inthronisiert.

Dieses Dokument wurde von Anna nach ihrer Krönung widerrufen. Sie löste sich von konstitutionellen Beschränkungen des Adels und rief sich zur Alleinherrscherin aus. Diese handstreichartige Machtergreifung blieb eine Einzelerscheinung. Anna kümmerte sich in der Folge wenig um die Regierungsgeschäfte und zog es vor, ihren Vergnügungen nachzugehen wie dem Jagdsport in einem ihrer Parks. Der ausgeprägte Luxus, mit dem sich die Kaiserin umgab, war selbst nach den Maßstäben des russischen Hofes einzigartig. Trotz ihres politischen Desinteresses besaß Anna einen feinen Machtinstinkt. In den zehn Jahren ihrer Regierungszeit blieb ihre Herrschaft erstaunlich stabil und musste sich keiner nennenswerten Opposition erwehren.

Unter der Kaiserin Anna erhielt Sankt Petersburg, die Gründung ihres Halbonkels, den Status der Hauptstadt zurück und wurde grundlegend verändert: die Stadt wurde in fünf Stadtteile geteilt. Das Zentrum wanderte von der Petrograder Seite zu der Großen Seite bei der Admiralität. 1732 bis 1740 wurden hier städtebauliche Probleme gelöst, die für Jahrhunderte die architektonische „Biographie“ Sankt Petersburgs vorherbestimmt haben. Das von Kaiserin Anna und ihrer Kommission entworfene dreistrahlige Straßensystem im Zentrum der Stadt bestimmt noch heute ihre Struktur. Newski-Prospekt, Gorochowaja Uliza und Wosnessenski-Prospekt durchschneiden, von der Admiralität ausgehend, strahlenförmig den historischen Kern.

Unter Annas Regierung erhielt der deutschbaltische Adel, namentlich ihr Günstling Ernst Johann von Biron, großen Einfluss. Während der sogenannten Bironowschtschina soll er unter ihrem Namen 12.000 Verschwörer hingerichtet und 20.000 weitere nach Sibirien verbannt haben. Das Ministerkabinett wurde seit 1731 vom Kanzler Golowkin geführt, als Vizekanzler fungierte Andrei Iwanowitsch Ostermann, als Kabinettsminister wirkte Tscherkasski, zu dem 1735 auch die Minister Jaguschinski und Wolynski dazukamen. Der 1732 zum Feldmarschall ernannte Burkhard Christoph von Münnich befehligte die russische Armee und kämpfte von 1736 bis 1739 gegen die Türken. Der Günstling Biron blieb aber unangefochten wichtigster Berater der Zarin und wurde von Anna 1737 zum Herzog von Kurland ernannt. Unter ihrer Regierung löste das Zarenreich 1733 den Polnischen Thronfolgekrieg (1733–1738) und den Russisch-Österreichischen Türkenkrieg (1736–1739) aus, die jedoch nur zu geringfügigen Eroberungen führten.

Ihre zehnjährige Regierungszeit wird auch als die „dunkle Epoche“ zwischen der Ära von Peter dem Großen und derjenigen der Kaiserin Elisabeth Petrowna bezeichnet.

Nachfolge

Da ihre kurze Ehe kinderlos geblieben war und kein männlicher Thronfolger ernannt war, bestimmte Anna ihren Großneffen, den Enkel ihrer älteren Schwester Katharina, zu ihrem Nachfolger, den man als Kleinkind unter dem Namen Iwan VI. (1740–1764) zum Kaiser ausrief. Dieses erwies sich allerdings als schweres Erbe und hatte keinen politischen Bestand. Die Inthronisation ihres zwei Monate alten Großneffen stürzte Russland zum wiederholten Male in Turbulenzen.

Literatur

  • Jewgenij Anissimow: Zarinnen–Frauen auf dem russischen Thron, Pereprawa Verlag, Wien 2008
  • Winkler Prins' geïllustreerde Encyclopaedie. Amsterdam Elsevier, 1905–1912, dort in: Eerste Deel. A–Arabie, S. 704.
  • Aristide Fenster in: Hans-Joachim Torke (Hrsg.): Die russischen Zaren 1547–1917. Verlag C.H. Beck, München 1995, ISBN 3-406-42105-9.
  • E. M. Almedingen: Die Romanows – Die Geschichte einer Dynastie, Russland 1613–1917. Verlag Ullstein, Frankfurt/M. 1992, ISBN 3-548-34952-8.
  • Gertrud Fussenegger: Herrscherinnen – Frauen, die Geschichte machten. Verlag Albatros, Düsseldorf 2003, ISBN 3-491-96094-0.
Commons: Anna von Russland – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. Im zeitgenössischen Sprachgebrauch als auch im Ausland blieb es bis 1917 üblich, weiter vom Zaren zu sprechen und hat sich im Bewusstsein der Nachwelt erhalten. Was man damit traf, war nicht der geltende Würdeanspruch des Kaiserreichs, sondern die Fortlebung der spezifisch russischen Wirklichkeit, in Form des Moskauer Zarenreiches, das als Grundlage des neuen Imperiums diente. Dies führte im 19. Jahrhundert zu einer nicht quellengerechten Begriffssprache in der Literatur und zu einem überkommenen Begriffsapparat in der deutschen Literatur. In: Hans-Joachim Torke: Die russischen Zaren 1547-1917. S. 8; Hans-Joachim Torke: Die staatsbedingte Gesellschaft im Moskauer Reich. Leiden 1974, S. 2; Reinhard Wittram: Das russische Imperium und sein Gestaltwandel. In: Historische Zeitschrift. Band 187, Heft 3 (Juni 1959), S. 568–593, S. 569.
  2. 1 2 Antonius Lux (Hrsg.): Große Frauen der Weltgeschichte. 1000 Biographien in Wort und Bild. Sebastian Lux Verlag, München 1963, S. 27.
VorgängerAmtNachfolger
Peter II.Kaiserin von Russland
1730–1740
Iwan VI.
Friedrich Wilhelm KettlerRegentin der Herzogtümer Kurland und Semgallen
1711–1730
Ferdinand
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