Arctometatarsalia

Veraltete systematische Gruppe

Das hier behandelte Taxon ist nicht Teil der in der deutschsprachigen Wikipedia dargestellten Systematik. Näheres hierzu findet sich im Artikeltext.

Fußskelett (ohne Fußwurzelknochen) eines Vertreters der Tyrannosauroidea mit Arctometatarsus. Die Zehenstrahlen sind mit römischen Zahlen nummeriert. Die proximate Verjüngung der Dorsalfläche des Metatarsale III ist gut erkennbar, auch wenn dessen proximalste Partie bei diesem Exemplar nicht erhalten ist (zeichnerisch rekonstruiert). Ebenfalls deutlich Erkennbar ist, dass die Kontaktfläche zwischen Mittelfuß und Fußwurzel im Wesentlichen von den proximalen Enden der Metatarsalia II und IV gebildet worden sein muss.

Zeitliches Auftreten
Kreide (Hauterivium bis Maastrichtium)
133,9 bis 66 Mio. Jahre
Fundorte
Systematik
Ornithodira
Dinosaurier (Dinosauria)
Echsenbeckensaurier (Saurischia)
Theropoda
Coelurosauria
Redundantes Taxon:
Arctometatarsalia
Identisch mit Ornithomimosauria
Wissenschaftlicher Name
Arctometatarsalia
Holtz, 1994

Die Arctometatarsalia sind ein Taxon innerhalb der Dinosaurier­großgruppe Theropoda. Der Name wurde 1994 vom US-amerikanischen Paläontologen Thomas Holtz geprägt für eine Klade, die alle „höheren“ Theropoden (Coelurosauria) mit Ausnahme der engeren Verwandtschaft der Vögel einschloss. Er ist gebildet aus dem lateinischen Wort arctus, das so viel wie ‚schmal‘ oder ‚eng‘ bedeutet, und dem Plural des Wortes Metatarsale, dem anatomischen Fachausdruck für einen Mittelfußknochen. Rund zehn Jahre nach seiner Errichtung wurde das Taxon hinsichtlich seines Umfanges identisch mit dem 1976 errichteten Taxon Ornithomimosauria. Damit wurde der Name „Arctometatarsalia“ taxonomisch überflüssig.

Arctometatarsus

Namensgebendes Kennzeichen des Taxons Arctometatarsalia ist der arctometatarsale Zustand des Mittelfußes (Arctometatarsus): der mittlere der drei großen Mittelfußknochen (Metatarsale III) besitzt in seiner distalen (zu den Zehen hin liegenden) Partie einen dreieckigen Querschnitt, wobei die Basis des Dreiecks zum „Fußrücken“ hin zeigt. Proximad (zum Unterschenkel bzw. zur Fußwurzel hin) verjüngt sich das Metatarsale III relativ stark und sein Anteil am Fußrücken nimmt ab. Bei einigen Vertretern mit sehr langgestrecktem Mittelfuß keilt das Metatarsale proximad sogar ganz aus und erreicht nicht die Fußwurzel. Hingegen sind beim „primitiven“ Mittelfuß vieler anderer Theropoden die Metatarsalia II, III und IV annähernd zylindrisch und haben proximal wie distal den gleichen Umfang – oft hat das Metatarsale III sogar einen geringfügig größeren Anteil an der Kontaktfläche zur Fußwurzel als die Metatarsalia II und IV.

Auffällig ist, dass bei den Vertretern mit Arctometatarsus das Längenverhältnis zwischen Mittelfuß und Beinknochen im Vergleich zu „primitiveren“ Theropoden generell zugunsten der Länge des Mittelfußes verschoben ist. Ähnliche Längenverhältnisse finden sich rezent vor allem bei Amnioten, die sehr schnell laufen können. Der evolutive Erwerb des Arctometatarsus ging deshalb wahrscheinlich mit einer Erhöhung der läuferischen Fähigkeiten der „höheren“ Theropoden einher. Die genaue Funktionsweise ist allerdings umstritten.

Ein Arctometatarsus war zum Zeitpunkt der Errichtung des Taxons Arctometatarsalia nachgewiesen bei Tyrannosauroiden, Ornithomimosauriern, Troodontiden und einigen Oviraptorosauriern (Caenagnathiden, Avimimus). Noch im gleichen Jahr wurde ein Arctometatarsus beim Alvarezsauriden Mononykus beschrieben. Seit dem Jahr 2000 sind Arctometatarsi auch von mehreren unterkretazischen Dromaeosauriden bekannt.

Bei einigen Vertretern außerhalb der Coelurosaurier, insbesondere bei den Abelisauroiden, vollzog sich ein genau entgegengesetzter Entwicklungstrend, mit einer deutlichen proximaten Zunahme der Querschnittsfläche des Metatarsale III und Reduktion der Metatarsalia II und IV. Für einen derartig gebauten Mittelfuß wurde von Holtz der Begriff Antarctometatarsus geprägt, jedoch nicht selbst erstpubliziert.

Ursprüngliche Definition

Holtz (1994) definierte die Arctometatarsalia apomorphie­basiert als „erster Theropode mit Arctometatarsus und alle dessen Nachfahren“. In den Ergebnissen der zugrundeliegenden Analyse (siehe untenstehendes Kladogramm) umfasste diese Gruppe die Troodontiden, die Ornithomimosaurier, die Tyrannosauriden, die „Elmisauriden“ sowie die Gattung Avimimus.

 Avetheropoda 

Allosauridae


 Coelurosauria 

Compsognathus


 Maniraptoriformes * 
 Arctometatarsalia 

Elmisauridae


   

Avimimus


   

Tyrannosauridae


 Bullatosauria 

Troodontidae


   

Ornithomimosauria



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Ornitholestes


 Maniraptora 

Dromaeosauridae


   

Archaeopteryx



   

Oviraptoridae


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* 
Diese Klade wurde aufgrund einer ungerechtfertigten Umdefinition des Taxons durch Holtz (1994) in dessen Kladogramm und Erläuterungen als „Maniraptora“ bezeichnet. Tatsächlich ist die Klade aus Archaeopteryx und Dromaeosauriden so zu bezeichnen. Den Namen „Maniraptoriformes“ für die Klade, die durch den jüngsten gemeinsamen Vorfahren von Ornithomimus und Vögeln definiert ist, prägte Holtz erst später.

Revision und aktueller Status

Nachfolgend räumte Holtz ein, dass sich dieses Merkmal bei allen höheren Theropodengruppen, bei denen es vorkommt, nicht zwangsläufig von einem letzten gemeinsamen Vorfahr ableiteten muss. Daher definierte er 1996 die Arctometatarsalia neu als stammbasiertes Taxon, das alle Theropoden umfasst, die näher mit Ornithomimus verwandt sind als mit den Vögeln. In einer nachfolgenden Analyse beschränkte dies den Begriff auf eine Klade, die die Tyrannosauridae, die Ornithomimosauria und – unter Vorbehalt – die Troodontidae in sich vereinte, andere Formen mit Arctometatarsus (Caenagnathidae, Alvarezsauridae) jedoch ausschloss. Daraus folgte, dass sich der arctometatarsale Zustand des Mittelfußes wahrscheinlich mehrmals konvergent innerhalb der Coelurosauria entwickelt hat. Schon vor 1994 vertraten mehrere Autoren diese Ansicht, die heute allgemein akzeptiert ist. Allerdings haben wiederum jüngere Analysen bestätigt, dass die Troodontiden näher mit den Vögeln als mit Ornithomimus verwandt sind und deshalb nunmehr als Untergruppe der Maniraptora geführt werden. Zudem haben diese Untersuchungen ergeben, dass sich offenbar auch die Arctometatarsi der Tyrannosauriden und Ornithomimosauria unabhängig voneinander entwickelt haben (siehe untenstehendes Kladogramm). Damit wurden die Arctometatarsalia, gemäß ihrer Definition, zu einem jüngeren Synonym der Ornithomimosauria.



Allosaurus


   

Sinraptor


   

Bicentenaria


 Coelurosauria 

Zuolong


   

Tugulusaurus


   

Tyrannosauroidea A


 Maniraptoriformes 

Ornitholestes


   

Compsognathidae


   

Ornithomimosauria A


 Maniraptora 

Therizinosauroidea


   

Alvarezsauroidea A


   

Oviraptorosauria A
 (einschl. Avimimus)


 Paraves 

Troodontidae A


   

Dromaeosauridae A


   

Avialae (Vögel i. w. S.)


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A 
Taxa, in denen zumindest einige Untertaxa Arctometatarsi aufweisen. Aus der Verteilung im Kladogramm folgt, dass der Arctometatarsus in mindestens vier Gruppen jeweils unabhängig voneinander entstanden ist. Bei den Paraves ist er offenbar ein ursprüngliches Merkmal, das bei den „höheren“ Dromaeosauriden und den Vögeln wieder verloren gegangen ist.

Literatur

  • D. Weishampel, P. Dodson und H. Osmólska (Hrsg.): The Dinosauria. 2. Auflage, University of California Press, 2004, ISBN 0-520-24209-2, S. 137–150.
  • John R. Hutchinson, Kevin Padian: Arctometatarsalia. In: Philip J. Currie, Kevin Padian: Encyclopedia of Dinosaurs. Academic Press, San Diego u. a. 1997, ISBN 0-12-226810-5, S. 24–26.

Einzelnachweise

  1. 1 2 Thomas R. Holtz, Jr.: The phylogenetic position of the Tyrannosauridae. Implications for theropod systematics. In: Journal of Paleontology. Bd. 68, Nr. 5, 1994, S. 1100–1117 (JSTOR:1306180).
  2. Eric Snively, Anthony P. Russell: Kinematic model of tyrannosaurid (Dinosauria: Theropoda) arctometatarsus function. In: Journal of Morphology. Bd. 255, Nr. 2, 2003, S. 215–227, doi:10.1002/jmor.10059 (alternativer Volltextzugriff: Ohio University (Memento vom 24. September 2015 im Internet Archive)).
  3. 1 2 Perle Altangarel, Luis M. Chiappe, Rinchen Barsbold, James M. Clark, Mark A. Norell: Skeletal Morphology of Mononykus olecranus (Theropoda: Avialae) from the Late Cretaceous of Mongolia. In: American Museum Novitates. Nr. 3105, 1994 (online), S. 18 ff.
  4. Xing Xu, Zhonghe Zhou, Xiaolin Wang: The smallest known non-avian theropod dinosaur. In: Nature. Bd. 408, Nr. 6813, 2000, S. 705–708, doi:10.1038/35047056 (alternativer Volltextzugriff: IVPP (Memento vom 18. Mai 2015 im Internet Archive)).
  5. Xing Xu, Xiao-Lin Wang: Troodontid-like pes in the dromaeosaurid Sinornithosaurus. In: Journal of the Paleontological Society of Korea, Special Publication. Nr. 4, 2000, S. 179–188 (PDF (Memento vom 18. Mai 2015 im Internet Archive) 878 kB).
  6. Peter J. Makovicky, Sebastián Apesteguía, Federico L. Agnolín: The earliest dromaeosaurid theropod from South America. In: Nature. Bd. 437, Nr. 7061, 2005, S. 1007–1011, doi:10.1038/nature03996 (alternativer Volltextzugriff: ResearchGate).
  7. Matthew T. Carrano, Scott D. Sampson, Catherine A. Forster: The osteology of Masiakasaurus knopfleri, a small abelisauroid (Dinosauria: Theropoda) from the Late Cretaceous of Madagascar. In: Journal of Vertebrate Paleontology. Bd. 22, Nr. 3, 2002, S. 510–534, doi:10.1671/0272-4634(2002)022[0510:TOOMKA]2.0.CO;2.
  8. Matthew T. Carrano, Scott D. Sampson: The Phylogeny of Ceratosauria (Dinosauria: Theropoda). In: Journal of Systematic Palaeontology. Bd. 6, Nr. 2, 2008, S. 183–236, doi:10.1017/S1477201907002246.
  9. 1 2 Thomas R. Holtz, Jr.: Phylogenetic Taxonomy of the Coelurosauria (Dinosauria: Theropoda). In: Journal of Paleontology. Bd. 70, Nr. 3, 1996, S. 536–538 (JSTOR:1306452).
  10. Thomas R. Holtz, Jr.: A new phylogeny of the carnivorous dinosaurs. In: Gaia – Revista de Geociências do museu Universidade Lisboa. Bd. 15, 1998, S. 5–61.
  11. vgl. Ergebnisse der kladistischen Analyse und das Review vorhergehender Analysen ab 2001 in Stephen L. Brusatte: The Phylogeny of Basal Coelurosaurian Theropods (Archosauria: Dinosauria) and Patterns of Morphological Evolution during the Dinosaur-Bird Transition. PhD-Dissertation, Columbia University, New York 2013, doi:10.7916/D86979NW, S. 363–644 (insbes. Abb. 2-1, S. 596; Abb. 2–46, S. 642; Abb. 2–47, S. 644).
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