Artavasdes II. (armenisch Արտավազդ Բ Aratavazd B, auch Artabazes genannt; † 30 v. Chr.) aus der Dynastie der Artaxiden war ein Sohn Tigranes’ II. des Großen und als dessen Nachfolger ab ca. 55 v. Chr. König von Armenien.
Leben
Nach der Schlacht von Tigranokerta (69 v. Chr.) wurde Artavasdes von seinem Vater Tigranes zum Mitregenten erhoben. Nach dem Tod des Tigranes wurde er Alleinherrscher und bot sich am Beginn des römischen Partherkrieges (54 v. Chr.) Marcus Licinius Crassus in Syrien als Bündnispartner mit 6.000 Reitern an. Obwohl der Armenierkönig vom römischen Feldherrn nicht geachtet und entlassen wurde, galt er dem Partherkönig Orodes II. dennoch als römischer Bundesgenosse und wurde daher 53 v. Chr. von der parthischen Offensive getroffen. Artavasdes sandte Crassus vernünftige und gutgemeinte Botschaften und wurde vom Römer trotzdem als Verräter betrachtet, so dass er die Seiten wechselte, mit dem nach Armenien vorgestoßenen Orodes Frieden schloss und seine Schwester mit dem parthischen Kronprinzen Pakoros vermählte. Diese Ehe bestand nach Cicero noch 51 v. Chr., als der römische Redner Statthalter von Kilikien war und befürchtete, dass Artavasdes dem Pakoros, der einen Feldzug über den Euphrat unternahm, durch einen Einfall in Kappadokien Hilfe leisten könnte.
Über Artavasdes berichten die Quellen erst wieder anlässlich des Partherfeldzugs des Marcus Antonius 36 v. Chr. Nach einer Niederlage gegen Publius Canidius Crassus fand er sich zur Unterstützung des Triumvirn bereit, auch deshalb, weil er seinen mit den Parthern verbündeten gleichnamigen Nachbarn, den König von Media Atropatene, hasste. Zusammen mit zwei Legionen unter dem Kommando des Oppius Statianus beschützte der Armenierkönig mit seinen Reitern die dem Antonius langsam nachgeführten Belagerungsmaschinen. Sie wurden aber angegriffen und besiegt; Artavasdes floh daraufhin in sein Reich zurück. Antonius gab daher dem Artavasdes die Schuld an seiner Niederlage. Da Antonius aber den Rückzug mit seinem stark dezimierten Heer zur Winterzeit durch Armenien bewerkstelligen musste, war er gezwungen, den Artavasdes zunächst weiterhin freundlich wie einen Bundesgenossen zu behandeln. Antonius’ Gegner Octavian nahm heimlich zu Artavasdes Kontakt auf, um Antonius zu schaden.
Angesichts der Spannungen mit Octavian musste Antonius das Problem mit den Parthern in den Griff bekommen. Da aber ein Sieg gegen diesen gefährlichen Feind außer Reichweite schien, beschloss Antonius Anfang 34 v. Chr., für stabile Verhältnisse in Armenien zu sorgen, dessen König er die Schuld am gescheiterten Feldzug des Jahres 36 v. Chr. zuschrieb. Diese sicher erreichbare „kleine Lösung“ sollte die Ostfront sichern helfen. Zunächst machte der Triumvir dem Armenierkönig ein Bündnisangebot und sandte seinen Vertrauten Quintus Dellius zu ihm, um die Verlobung seines sechsjährigen Sohnes Alexander Helios mit der Tochter des Artavasdes vorzuschlagen; doch der Armenierkönig zögerte offenbar. Der antike Historiker Cassius Dio behauptet, dass das Verlobungsangebot nur ein Täuschungsmanöver von Antonius zur Ergreifung des Artavasdes war. Werner Huß und andere Forscher zweifeln dementsprechend an der Ernsthaftigkeit dieses Bündnisversuchs des Triumvirn. Dagegen glaubt Christoph Schäfer, dass Antonius die Offerte durchaus ernst meinte und dadurch aus einem unsicheren Partner einen persönlich an sich gebundenen Verbündeten machen wollte, der aufgrund seiner verwandtschaftlichen Bande mit dem Römer nicht mehr so leicht zu den Parthern hätte abfallen können. Cassius Dio habe in seinem Bericht nur die antoniusfeindliche Propaganda Octavians aufgegriffen, denn unter dessen zahlreichen oft unwahren Vorwürfen an die Adresse seines Gegners zwecks Gewinnung der öffentlichen Meinung für den bevorstehenden letzten Bürgerkrieg fand sich laut dem antiken Historiker auch der Tadel, dass Antonius den Armenierkönig getäuscht habe.
Anfang 34 v. Chr. rückte Antonius zunächst ins römische (West-)Armenien bis Nikopolis vor und bestellte Artavasdes dorthin, angeblich um über Maßnahmen gegen die Parther zu beraten. Da sich der Geladene nicht einfand, stieß der römische Feldherr mit seiner Armee nun rasch bis zur Hauptstadt des Artavasdes, Artaxata, vor. Der vorausgesandte Dellius sollte den Armenierkönig überzeugen, sich ins römische Lager zu begeben. Diesem Befehl kam Artavasdes unter dem militärischen und diplomatischen Druck schließlich nach. Der Triumvir ließ den König festnehmen, aber zunächst ehrenvoll behandeln. Er musste eine Weile als Geisel durch sein Königreich reisen, da sich Antonius mit seiner Hilfe die armenischen Schlösser mit großen Schätzen öffnen lassen wollte. Doch die Armenier erhoben den ältesten Sohn des gefangenen Königs, Artaxias, zum neuen Herrscher, der aber nach einer Niederlage zu den Parthern fliehen musste. Artavasdes hingegen wurde in silberne Ketten gelegt.
Dann schloss Antonius ein Bündnis mit dem mittlerweile von den Parthern abgefallenen Artavasdes von Medien und hatte damit einigermaßen eine Sicherung der Ostfront erreicht. Anschließend wurde der armenische Artavasdes nach Alexandria gebracht und musste mit seiner Frau und seinen Kindern in goldenen Ketten den dionysischen Triumphzug (Dionysoskult) des Antonius begleiten, den seine Geliebte Kleopatra VII. auf einem goldenen Thron erwartete. Doch der Armenierkönig und seine Familie flehten in stolzer Haltung trotz Gewaltandrohung weder um Gnade noch übten sie Proskynese gegenüber Kleopatra. Diese ließ den gefangenen Artavasdes nach der Schlacht bei Actium (31 v. Chr.) hinrichten und seinen Kopf an den medischen Artavasdes schicken, um sich dessen Hilfe zu sichern.
Artavasdes betätigte sich auch als Griechisch schreibender Tragödienautor. Proben seiner Werke gab es noch zu Zeiten Plutarchs. Seine aufgefundenen Münzen mit der Inschrift „König der Könige Artavasdes“ zeigen die armenische Tiara mit umgebundenem Diadem. In der späteren armenischen Legende bei Moses von Choren (Geschichte Armeniens 2,22) lebt er fort.
Literatur
- Adolf Baumgartner: Artavasdes 1. In: Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft (RE). Band II,1, Stuttgart 1895, Sp. 1308 f.
- Werner Huß: Ägypten in hellenistischer Zeit. C. H. Beck, München 2001, ISBN 3-406-47154-4, S. 738f.; 740.
- Christoph Schäfer: Kleopatra. Darmstadt 2006, S. 163f.; 175f.; 178; 188.
Einzelnachweise
- ↑ Memnon von Herakleia bei C. Müller, Fragmenta Historicorum Graecorum (FHG) III 556.
- ↑ Plutarch, Crassus 19.
- ↑ Plutarch, Crassus 22; 33.
- ↑ Cicero, epistel 15,3,1.
- ↑ Vgl. Cicero, epistel 15,2,2; ad Atticum 5,20,2; 5,21,2.
- ↑ Plutarch, Antonius 37; Cassius Dio, Römische Geschichte 49,25.
- ↑ Plutarch, Antonius 39; Cassius Dio,Römische Geschichte 49,25.
- ↑ Strabon, Geographika 11,524; Plutarch, Antonius 50.
- ↑ Plutarch, Antonius 50; Cassius Dio, Römische Geschichte 49,31.
- ↑ Cassius Dio, Römische Geschichte 49,41,5.
- ↑ Werner Huß, Ägypten in hellenistischer Zeit, S. 738.
- ↑ Cassius Dio, Römische Geschichte 49,39,2.
- ↑ Cassius Dio, Römische Geschichte 50,1,4.
- ↑ Werner Huß, Ägypten in hellenistischer Zeit, S. 738 im Gegensatz zu Christoph Schäfer, Kleopatra, S. 175f.
- ↑ Cassius Dio, Römische Geschichte 49,39,3 – 40,1; dazu Werner Huß, Ägypten in hellenistischer Zeit. S. 738f.; Christoph Schäfer, Kleopatra, S. 176.
- ↑ Cassius Dio, Römische Geschichte 49,40,2; 49,44,2; Plutarch, Antonius 53,12.
- ↑ Cassius Dio, Römische Geschichte 49,40,3f.
- ↑ Cassius Dio, Römische Geschichte 51,5,5; Strabon, Geographika 11,532.
- ↑ Plutarch, Crassus 33.
Vorgänger | Amt | Nachfolger |
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Tigranes II. | König von Armenien ca. 55–34 v. Chr. | Artaxias II. |