Mauerraute

Mauerraute (Asplenium ruta-muraria)

Systematik
Farne
Klasse: Echte Farne (Polypodiopsida)
Ordnung: Tüpfelfarnartige (Polypodiales)
Familie: Streifenfarngewächse (Aspleniaceae)
Gattung: Streifenfarne (Asplenium)
Art: Mauerraute
Wissenschaftlicher Name
Asplenium ruta-muraria
L.

Die Mauerraute oder der Mauer-Streifenfarn (Asplenium ruta-muraria) ist eine Pflanze aus der Familie der Streifenfarngewächse, die als Kulturfolger häufig in den Ritzen und Mörtelfugen alter Mauern wächst.

Merkmale

Es handelt sich um kleine immergrüne Farne mit 3–10(–15) cm langen Blättern. Die Blätter sind zwei- bis dreifach gefiedert und im Umriss unregelmäßig dreieckig bis oval. Die namensgebenden Fiedern sind dabei rautenförmig, am Grund keilig verschmälert und vorne gekerbt bis eingeschnitten und etwa 2 bis 3 mm lang. Die Blattstiele sind ebenso wie die Oberseite der Blattspreite grün. Sind die Sori reif, so bedecken sie die ganze Unterseite der Fiederchen, diese ist dann braun.

Sporenreife ist von Juli bis Oktober.

Die Chromosomenzahl beträgt 2n = 72 oder 144.

Ökologie

Die Mauerraute ist eine immergrüne Rosettenpflanze, die auch einige Zeit Trockenheit aushalten kann. Als Trockenheitsanpassungen gelten die Drüsen am Blattstiel und das verdickte Rhizom.

Wie bei anderen Farnen wird die Befruchtung durch einen Wassertropfen auf der Unterseite des Prothalliums vermittelt. Die Spermatozoiden werden dabei von den Eizellen chemisch angelockt. Die Vorkeime sind etwa linsengroß und wachsen in feuchten Nischen. Im Anschluss an die Befruchtung entwickeln sich die Sporophyten. Diese dienen sowohl der Photosynthese als auch der Vermehrung. Die Sporenbildung erfolgt hier fast ganzjährig. Die Sporangien sind in langen Streifen auf der Unterseite der Wedel, entlang der Leitbündel angeordnet, und sie werden von einem durchscheinenden Indusium bedeckt. Die Sporangien sind Selbstausstreuer mit Kohäsionsmechanismus. Die Sporen werden durch den Wind als Körnchenflieger ausgebreitet.

Verbreitung

Die Mauerraute ist in allen gemäßigten Gebieten der Nordhemisphäre verbreitet. Ursprünglich wuchs sie in Felsritzen in den Gebirgen und Mittelgebirgen. Dabei toleriert sie sowohl kalkhaltige wie saure Gesteine. Allerdings zieht sie kalkhaltige und nährstoffreiche Standorte vor.

Wegen dieser Standortvorlieben findet man die Mauerraute auch sehr häufig in Mauerfugen, und zwar bis in die Innenstädte. Während sie an ihren natürlichen Standorten nur als Begleiter anderer Felsspaltenpflanzen vorkommt, ist sie außerhalb der Mittelgebirge die Charakterart einer eigenen Pflanzengesellschaft (Asplenietum trichomano-rutae-murariae; Mauerrautenflur). In den Allgäuer Alpen steigt sie zwischen Schüsser und Oberstdorfer Hammerspitze in Bayern bis zu 2160 m Meereshöhe auf.

In Österreich ist diese Art kollin bis subalpin verbreitet und sehr häufig in allen Bundesländern.

Die ökologischen Zeigerwerte nach Landolt et al. 2010 sind in der Schweiz: Feuchtezahl F = 2 (mäßig trocken), Lichtzahl L = 4 (hell), Reaktionszahl R = 5 (basisch), Temperaturzahl T = 2+ (unter-subalpin und ober-montan), Nährstoffzahl N = 2 (nährstoffarm), Kontinentalitätszahl K = 4 (subkontinental).

In Schleswig-Holstein kommt die Mauerraute jedoch nur sehr selten vor, beispielsweise am Bahnhof Flensburg. Sie steht dort auf der Roten Liste.

Systematik

Man kann die folgenden Unterarten und Varietäten unterscheiden:

  • Asplenium ruta-muraria L. subsp. ruta-muraria: Die Chromosomenzahl beträgt 2n = 144.
    • Asplenium ruta-muraria var. cryptolepis (Fernald) Wherry: Sie kommt in Kanada und in den Vereinigten Staaten vor.
    • Asplenium ruta-muraria var. eberlei (D.E.Mey.) Rasbach, K.Rasbach, Reichst. & Viane (Syn.: Asplenium eberlei D.E. Mey.): Sie kommt in Italien vor.
    • Asplenium ruta-muraria var. lanceolum Christ: Sie kommt in den Vereinigten Staaten vor.
    • Asplenium ruta-muraria var. schriesheimense Röhner & Bujnoch: Sie kommt in Südwestdeutschland vor.
  • Dolomiten-Mauer-Streifenfarn (Asplenium ruta-muraria subsp. dolomiticum Lovis & Reichst.; Syn.: Asplenium dolomiticum (Lovis & Reichst.) Á. Löve & D. Löve): Er kommt in Frankreich, Italien, Österreich, Slowenien, Albanien und Bulgarien vor. Nach der Flora of China kommt die Unterart auch in Südwestasien, in Afghanistan, in der Mongolei, im östlichen Sibirien und in China in Höhenlagen zwischen 1500 und 3300 Metern Meereshöhe vor. Die Chromosomenzahl beträgt 2n = 72.
  • Asplenium ruta-muraria nothosubsp. baldense (Sleep, Vida & Reichst.) Muñoz Garm. = Asplenium ruta-muraria subsp. ruta-muraria × Asplenium ruta-muraria subsp. dolomiticum: Sie kommt in Italien vor.

Bedeutung als Futterpflanze (Auswahl)

Die Raupen folgender Schmetterlingsarten sind von der Pflanze als Nahrungsquelle abhängig:

Trivialnamen

In alten Texten wurde die Art lateinisch auch als Adiantum album („Weißer Frauenhaarfarn“) und Ruta muraria bezeichnet.

In Niederösterreich wird diese Art im Volksmund als „Stoanneidkraut“ bezeichnet. Es sollte durch seine magischen Kräfte gegen das „Verneiden“ (Verhexen) helfen und wurde an das Vieh verfüttert. Dem Deutschen Wörterbuch von Jacob und Wilhelm Grimm zufolge heißt die Mauerraute auch „Eselsfarn“.

Im deutschsprachigen Raum werden oder wurden für diese, im Mittelalter lateinisch auch als capillus veneris bezeichnete Pflanzenart, zum Teil nur regional, auch die folgenden weiteren Trivialnamen verwandt: Capelleken, Capelliche, Chappachläre (Appenzell), Chappilläre (Appenzell), Erdbrauen, Erdhar, Eselfarlin, Weiss Frauenhaar, Frauenlockkraut, Harngras (Tirol bei Lienz), Harterleib, Juncvrowenhaar, Jungfrauenhaar, Mauerrauten, Meichelkraut, Murrutten, Steenruet, Steinrute, Stenvarn (mittelniederdeutsch), Venushaar, Wedertam (althochdeutsch), Weinkräutl (Pongau, Pinzgau), Widderdan, Widertate (mittelhochdeutsch), Widertat (mittelhochdeutsch) und Widertot (mittelhochdeutsch).

Literatur

  • Oskar Sebald, Siegmund Seybold, Georg Philippi (Hrsg.): Die Farn- und Blütenpflanzen Baden-Württembergs. 2., ergänzte Auflage. Band 1: Allgemeiner Teil, Spezieller Teil (Pteridophyta, Spermatophyta): Lycopodiaceae bis Plumbaginaceae. Eugen Ulmer, Stuttgart (Hohenheim) 1993, ISBN 3-8001-3322-9.
  • Ruprecht Düll, Herfried Kutzelnigg: Taschenlexikon der Pflanzen Deutschlands und angrenzender Länder. Die häufigsten mitteleuropäischen Arten im Portrait. 7., korrigierte und erweiterte Auflage. Quelle & Meyer, Wiebelsheim 2011, ISBN 978-3-494-01424-1.

Einzelnachweise

  1. Plinius der Ältere, Naturalis historia 27,17,34 (hier nach: C. Plinii Secundi Naturalis historia. Hrsg. von D. Detlefsen, I–VI (in 3 Bänden), Berlin 1866–1882, hier: Band 4, S. 145): „Asplenon […] nascitur in petris parietibusque opacis, umidis, laudatissime in Creta“.
  2. 1 2 3 Tropicos.
  3. Erhard Dörr, Wolfgang Lippert: Flora des Allgäus und seiner Umgebung. Band 1, IHW, Eching 2001, ISBN 3-930167-50-6, S. 86.
  4. Asplenium ruta-muraria L. In: Info Flora, dem nationalen Daten- und Informationszentrum der Schweizer Flora. Abgerufen am 25. Februar 2022.
  5. Flensburger Tageblatt: Der neue Feind der Bahnhofstreppe vom 11. September 2013; abgerufen am 1. März 2014
  6. 1 2 Christenhusz, M. & Raab-Straube, E. von (2013): Lycopodiophytina. – In: Euro+Med Plantbase – the information resource for Euro-Mediterranean plant diversity. Datenblatt Asplenium ruta-muraria In: Euro+Med Plantbase – the information resource for Euro-Mediterranean plant diversity.
  7. 1 2 3 4 5 6 Michael Hassler: Taxon in Suchmaske eintragen bei World Ferns. - Synonymic Checklist and Distribution of Ferns and Lycophytes of the World. Version 12.10 vom Februar 2022.
  8. Youxing Lin, Ronald Viane: Aspleniaceae.: Asplenium Linnaeus, S. 267–287 – textgleich online wie gedrucktes Werk, In: Wu Zheng-yi, Peter H. Raven, Deyuan Hong (Hrsg.): Flora of China. Volume 2–3: Lycopodiaceae through Polypodiaceae. Science Press und Missouri Botanical Garden Press, Beijing und St. Louis, 2013, ISBN 978-1-935641-11-7.
  9. Heiko Bellmann: Der neue Kosmos-Schmetterlingsführer. Schmetterlinge, Raupen und Futterpflanzen. 2. Auflage. Franckh-Kosmos, Stuttgart 2009, ISBN 978-3-440-11965-5.
  10. Otto Zekert (Hrsg.): Dispensatorium pro pharmacopoeis Viennensibus in Austria 1570. Hrsg. vom österreichischen Apothekerverein und der Gesellschaft für Geschichte der Pharmazie. Deutscher Apotheker-Verlag Hans Hösel, Berlin 1938, S. 153.
  11. Otto Zekert (Hrsg.): Dispensatorium pro pharmacopoeis Viennensibus in Austria 1570. Hrsg. vom österreichischen Apothekerverein und der Gesellschaft für Geschichte der Pharmazie. Deutscher Apotheker-Verlag Hans Hösel, Berlin 1938, S. 133.
  12. Vgl. etwa Ute Obhof: Rezeptionszeugnisse des „Gart der Gesundheit“ von Johann Wonnecke in der Martinus-Bibliothek in Mainz – ein wegweisender Druck von Peter Schöffer. In: Medizinhistorische Mitteilungen. Zeitschrift für Wissenschaftsgeschichte und Fachprosaforschung. Band 36/37, 2017/2018, S. 25–38, hier: S. 34.
  13. Georg August Pritzel, Carl Jessen: Die deutschen Volksnamen der Pflanzen. Neuer Beitrag zum deutschen Sprachschatze. Philipp Cohen, Hannover 1882, S. 49, online.
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