Als Babyboomer, Baby-Boomer oder Boomer bezeichnet man sowohl einzelne Menschen als auch die Kohorte bzw. gesellschaftliche Generation, die zu den Zeiten steigender Geburtenraten (dem „Babyboom“) nach dem Zweiten Weltkrieg oder anderen Kriegen in den vom Krieg betroffenen Staaten geboren wurden. Zur Verdeutlichung findet sich für die Gesamtheit manchmal auch der Begriff Boomgeneration.

Der Babyboom trat sowohl in den Gewinnerstaaten als auch in den Staaten, die den Zweiten Weltkrieg verloren hatten, sowie in neutralen Staaten auf, jedoch zu verschiedenen Zeiten. In den USA, Australien, Kanada und Neuseeland waren die Geburtenraten, auch die altersspezifischen, also auf bestimmte Altersgruppen bezogene, während der Weltwirtschaftskrise auf einen Tiefpunkt gesunken. Danach stieg die Fertilität bis in die 60er Jahre. In einigen Ländern stiegen bereits während des Zweiten Weltkrieges die Geburtenraten, z. B. in der Schweiz, den Niederlanden, Frankreich, Belgien, Großbritannien, Dänemark, Finnland und Norwegen. In der Schweiz gelten die Jahrgänge 1946 bis 1964 als Babyboomer-Jahrgänge; die Geburtenraten waren aber ab Ende des Zweiten Weltkriegs zunächst wieder gesunken. In Westdeutschland begann der Babyboom auf Grund der Kriegsfolgen, etwa wegen verspäteter Heimkehrer aus der Kriegsgefangenschaft, verzögert erst Mitte der 1950er, löste die Generation der sogenannten Kriegskinder ab und dauerte dort bis Mitte der 1960er Jahre. Die Fertilitätsraten stiegen bis 1964, bei Frauen bis zu 25 Jahren alt stiegen sie noch bis Ende des Jahrzehnts. Nach dem Krieg (1946–1950) waren in Deutschland die Geburtenraten noch niedrig. Nach Ende des Koreakrieges 1953 dauerte der Babyboom in Südkorea von 1955 bis 1963. In Japan erreichten die Geburtenraten Ende 60er, Anfang 70er Jahre ihre Höchststände.

Der Babyboom war die einzige Phase seit Ende des 19. Jahrhunderts, in der die Fertilitätsrate wieder stieg; ihr daran anschließendes Sinken wird als Pillenknick bezeichnet.

Deutschland

In Deutschland werden die im Zeitraum von 1955 bis 1969 Geborenen von Statistikern als geburtenstarke Jahrgänge bezeichnet. Es gab zwar bereits zuvor, in den Jahren 1947–1950, einen Anstieg der Geburtenrate, doch von 1950 bis 1955 stagnierte die Geburtenrate wieder. Christoph Quarch sieht die Jahrgänge 1960–1975 als Babyboomer und „Kinder der 80er“. Nach Bernhard von Becker begann der Babyboom in Deutschland Mitte der 50er Jahre und endete Mitte der 60er Jahre, wobei er auch das Ende des Nachkriegs-Wirtschaftsbooms 1966 als Einschnitt einbezieht. Konstantin Sakkas spricht von den „zwischen Ende der 50er- und Anfang der 70er-Jahre“ Geborenen. Der Jugendforscher Simon Schnetzer definiert die Jahrgänge 1955–1964 als Baby-Boomer und die folgenden Jahrgänge 1965–1979 als Generation X.

In den Vereinigten Staaten entspricht dieser Alterskohorte sowohl altersmäßig als auch in Bezug auf den typischen Habitus eher die sogenannte Generation Jones. Die Geburtenzahlen erreichten im Jahr 1964 ihren Höhepunkt mit 1.357.304 Lebendgeborenen. Ab 1965 setzte der sogenannte Pillenknick ein: die Geburtenrate ging zurück und sank schließlich 1970 unter das Niveau von 1955; ab 1972 lag die Geburtenrate unter der Sterberate. Langfristig setzt sich die abfallende Entwicklung der Geburtenzahlen bis heute fort; 2002 war die Zahl der Geburten nur noch halb so hoch wie 1964. Obwohl die geburtenstarke Generation einen zahlenmächtigen demografischen Faktor darstellt, existieren über ihr Lebensgefühl und ihren Sozialisationstyp keine Untersuchungen mit eindeutigen Ergebnissen. Demgegenüber finden sich in den Medien und in der Wirtschaft zunehmend Aussagen, die sich auf Vermutungen, Spekulationen und Deutungen stützen.

Psychologie und Soziologie

Aus sozialpsychologischer Perspektive wird angenommen, dass wegen der großen Zahl Gleichaltriger im Verhältnis zu anderen Altersgruppen eine Urerfahrung der Masse stattgefunden hat, die nicht ohne Folgen für die Persönlichkeitsentwicklung geblieben ist. Begriffe wie Rudel, Kohorte, Mini-Youth Bulge oder Bevölkerungsschwemme sind mit dem Zahlenphänomen dieser Generation verbunden. Bernhard von Becker charakterisiert die generationenbedingte psychische Lage der Baby-Boomer so:

„Wir können nicht anders als ständig das Lager zu wechseln, und je nach Manöverlage flexibel Positionen zu beziehen. Wir sind ja als erste Nachkriegsgeneration in einem weitgehend antiautoritären Umfeld groß geworden. Wir sind auch die erste Generation, auf die das Internet mit seinen Zentrifugalkräften schon deutlich abgefärbt hat. Wir organisieren uns dezentral und individuell […] Unsere Lebensläufe sind voller Brüche.“

Die Baby-Boomer stellten in den 1980er Jahren als Schüler und Studenten die Masse der Friedensbewegung und der Umweltbewegung, haben in dieser Zeit also ein starkes politisch-gesellschaftliches Engagement an den Tag gelegt.

Manche Soziologen sehen die Baby-Boomer als eine eher glückliche Generation: Zwar gab es 1973/1974 den Ölpreisschock, und autofreie Sonntage gaben eine leicht depressive Ahnung davon, „dass es nicht immer so weitergeht“. Im Fernsehen wurde 1979 der Holocaust erstmals massenwirksam aufgearbeitet, so beispielsweise in Holocaust – Die Geschichte der Familie Weiss. Es gab eine No-Future- und Punk-Bewegung. Doch wahre Niederlagen musste diese Generation nach Ansicht jener Soziologen noch nicht hinnehmen, eher standen sie auf der Seite von Siegern wirtschaftlicher oder politischer Ereignisse ihrer Zeit. Auf der anderen Seite steht der sozialpsychologische Komplex, der unter dem Begriff Kriegsenkel diskutiert wird. Die Eltern der meisten Baby-Boomer waren Kriegskinder.

Anders als viele bruchlose Biografien handwerklicher und gewerblich tätiger Boomer verweist Christoph Quarch darauf, dass viele studierte Baby-Boomer große Schwierigkeiten beim Einstieg in ihr Berufsleben hatten. Grund war unter anderem eine Wirtschaftskrise Mitte der 90er in Deutschland. Der öffentliche Dienst bot gleichfalls schlechte Perspektiven, weil vor allem im Schul- und Hochschulwesen die in den 1970er Jahren neu geschaffenen Stellen auf lange Zeit hinaus besetzt waren, vor allem von Mitgliedern der vorhergehenden 68er-Generation. Baby-Boomer rückten oft erst in den 2000er Jahren nach dem „Milleniumscrash“ oder erst noch später in leitende und gutverdienende Berufe ein. Deshalb sind auch schon viele dieser Baby-Boomer und nicht erst die folgende Generation X von gebrochenen Lebensläufen geprägt.

Wirtschaft und Politik

Die Zahlenmächtigkeit der Baby-Boomer hat sie auch im Rahmen politischer Bemühungen um die Bewältigung des demografischen Wandels zu einem wichtigen Faktor gemacht. Anfang der 2010er Jahre wurden die Baby-Boomer in Deutschland vielfach als „Verursacher eines bedrohlichen Szenarios“ und „Vorreiter einer vergreisenden Gesellschaft“ gesehen (Bernhard von Becker). Diese Generation ist teilweise selbst von den Folgen der wirtschaftlichen und sozialen Herausforderungen betroffen. Die im Frühjahr 2007 erfolgte Anhebung des Renteneintrittsalters in der gesetzlichen Rentenversicherung auf 67 Jahre trifft vor allem die jüngeren Jahrgänge der Baby-Boomer (ab 1964) und die folgenden Jahrgänge.

Die Jahrgänge 1945–1969 stellten in Deutschland 58 % der Mitglieder des 19. Deutschen Bundestages. In dieser Altersgruppierung sind allerdings die Baby-Boomer mit älteren Jahrgängen zusammengefasst, die sozialpsychologisch eher den sogenannten Kriegskindern und den 68ern zuzuordnen sind.

„Boomer“ in der Netzkultur

Babyboomer werden in der Netzkultur auch als „Boomer“ bezeichnet. Boomern werden konservative Ansichten und wenig Offenheit vorgeworfen. Im Jahr 2019 entwickelte sich die Phrase „OK Boomer“ zu einem Internet-Meme, die sich als Gegenbewegung der Klischees über die Generation Y und Generation Z versteht.

Siehe auch

Literatur

  • Philip Bump: The Aftermath: The Last Days of the Baby Boom and the Future of Power in America. Random House, New York 2023, ISBN 978-0-593-48969-7.
  • Kevin Munger: Generation Gap: Why the Baby Boomers Still Dominate American Politics and Culture. Columbia University Press, New York 2022, ISBN 978-0-231-20087-5.
  • Bernhard von Becker: Babyboomer: Die Generation der Vielen. (edition suhrkamp taschenbuch). Suhrkamp-Verlag, Frankfurt 2014, ISBN 3-518-46508-2
  • Christoph Quarch, Evelin König: Wir Kinder der 80er. Porträt einer unterschätzten Generation. Riemann Verlag, München 2013, ISBN 978-3-570-50154-2
  • Thomas Weiß: Ökonomische Bestimmungsgrößen der Fertilität in westlichen Industrieländern. Materialien zur Bevölkerungswissenschaft, Sonderheft 5. Herausgeber: Bundesinstitut für Bevölkerungsforschung, Wiesbaden 1986, ISSN 0178-918X.
Wiktionary: Babyboomer – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen
Audio

Einzelnachweise

  1. Thomas Weiß (1986), Ökonomische Bestimmungsgrößen der Fertilität in westlichen Industrieländern. Materialien zur Bevölkerungswissenschaft, Sonderheft 5. Herausgeber: Bundesinstitut für Bevölkerungsforschung, Wiesbaden, ISSN 0178-918X. Abbildungen S. 177–179, für die USA S. 93
  2. Thomas Weiß (1986), Ökonomische Bestimmungsgrößen der Fertilität in westlichen Industrieländern. Materialien zur Bevölkerungswissenschaft, Sonderheft 5. Herausgeber: Bundesinstitut für Bevölkerungsforschung, Wiesbaden, ISSN 0178-918X. Abbildungen S. 182–187. Zu hohen Geburtenraten während des Zweiten Weltkrieges S. 113–115.
  3. Hans-Peter Bucher: Babyboomer kommen ins Rentenalter. In: Statistisches Amt des Kantons Zürich (Hrsg.): statistik.info. Nr. 6, 2008, S. 4 (Volltext [PDF; 275 kB; abgerufen am 22. August 2022]): „Nach der gängigsten Definition gehören jene zu den Babyboomern, die zwischen dem Ende des Zweiten Weltkrieges und dem Pillenknick Mitte der 1960er-Jahre geboren sind. In der Schweiz sind das ungefähr die Jahrgänge 1946 bis 1964.“
  4. Thomas Weiß (1986), Ökonomische Bestimmungsgrößen der Fertilität in westlichen Industrieländern. Materialien zur Bevölkerungswissenschaft, Sonderheft 5. Herausgeber: Bundesinstitut für Bevölkerungsforschung, Wiesbaden, ISSN 0178-918X. Abbildung S. 182.
  5. Kirk, Dudley (1958), Economic and demographic developments in Western Germany. Population Index 24, S. 3–21.
  6. News View | The World On Arirang. 4. März 2016, archiviert vom Original am 4. März 2016; abgerufen am 24. Februar 2023.
  7. Thomas Weiß (1986), Ökonomische Bestimmungsgrößen der Fertilität in westlichen Industrieländern. Materialien zur Bevölkerungswissenschaft, Sonderheft 5. Herausgeber: Bundesinstitut für Bevölkerungsforschung, Wiesbaden, ISSN 0178-918X. Abbildung S. 190.
  8. Aktuelle Vorausberechnungen erwarten zwar, dass die Kohortenfertilität aktuell wieder steigt und die 1970 bis 1979 geborenen Frauen mehr Kinder bekommen, die Fertilitätsrate kann aber für den Jahrgang 1970 abschließend erst 2020 bestimmt werden. Vgl. Ihr Kinderlein kommt
  9. Statistisches Bundesamt: Bevölkerung – Geborene und Gestorbene Deutschland, abgerufen am 22. Juli 2013
  10. Christoph Quarch: Wir Kinder der 80er. Porträt einer unterschätzten Generation. Reimann, München 2013, S. 8 f.
  11. Bernhard von Becker: Babyboomer. Die Generation der vielen. Suhrkamp, Frankfurt 2014, S. 17.
  12. Konstantin Sakkas: Wie die Babyboomer ihren Wohlstand sichern. In: deutschlandfunkkultur.de. 20. August 2014, abgerufen am 8. November 2022.
  13. Simon Schnetzer: Generation XYZ - Übersicht. In: simon-schnetzer.de. Abgerufen am 29. Juli 2021.
  14. Björn Schwentker: Pillenknick? Kannst du knicken! In: spiegel.de. 19. März 2014, abgerufen am 19. März 2023.
  15. Bernhard von Becker: Babyboomer. Die Generation der Vielen. Suhrkamp, Frankfurt 2014, S. 25.
  16. Bernhard von Becker: Babyboomer. S. 24.
  17. Christian Quarch: Wir Kinder der 80er. Riemann, München 2013, S. 7679, 87, 94102.
  18. Christoph Quarch, Evelin König: Wir Kinder der 80er. Riemann, München 2013, S. 7, 88.
  19. Bernhard von Becker: Babyboomer. Suhrkamp, Frankfurt 2014, S. 25.
  20. Bernhard von Becker: Babyboomer. Die Generation der Vielen. Suhrkamp, Frankfurt 2014, S. 13 f.
  21. Doris Weber, 2006: Generation Optimismus, in Publik-Forum Nr. 6 v. 23. März 2007, 60ff
  22. Altersgliederung. In: bundestag.de. Abgerufen am 18. Juli 2020.
This article is issued from Wikipedia. The text is licensed under Creative Commons - Attribution - Sharealike. Additional terms may apply for the media files.