Die Bavaria Slavica im heutigen Nordostbayern ist ein Teil des in der historischen Forschung als Germania Slavica bezeichneten Siedlungsgebietes slawischer Bevölkerungsgruppen im heutigen Deutschland.

In Oberfranken und in der Oberpfalz lebten im Früh- und beginnenden Hochmittelalter neben der fränkisch geprägten Bevölkerung auch Slawen, die zwischen dem 6. und 9. Jahrhundert aus dem Donaugebiet und dem böhmischen Raum eingewandert waren. Diese Gruppen erscheinen in den schriftlichen Quellen des 8. bis 10. Jahrhunderts als Main-, Regnitz- und Naabwenden. Die Binnenkolonisation und der Landesausbau im 10./11. Jahrhundert erfolgten im Obermaingebiet wohl unter Heranziehung weiterer slawischer Siedler. Im Verlauf eines Ausgleichs- und Anpassungsprozesses haben sie ihre eigene Sprache und kulturelle Tradition jedoch schon im 10. und 11. Jahrhundert weitgehend aufgegeben.

Ihre Anwesenheit spiegelt sich noch heute in mehreren Quellenarten, die Gegenstand verschiedener Forschungsdisziplinen sind. Sie erfordern verschiedene Methoden der Auswertung bzw. Interpretation und ermöglichen unterschiedliche Aussagen.

Die schriftlichen Quellen

Die früheste sichere Erwähnung von Slawen im Maingebiet ist im Zusammenhang mit der Gründung des Bistums Würzburg im Jahr 741 überliefert. Um 790 beauftragte Karl der Große den Würzburger Bischof Berowelf, im Rahmen der Slawenmission 14 sogenannte Slawenkirchen für die christianisierten Slawen an Main und Regnitz zu errichten, deren Lage jedoch meist nur vermutet werden kann. Im Diedenhofener Kapitular (805) sind Hallstadt, Forchheim, Premberg bei Burglengenfeld und Regensburg als Zollorte für den Handel zwischen Franken und Slawen genannt. 863 werden erstmals Slawen in der Oberpfalz erwähnt. Im Zusammenhang mit Schenkungen an das Kloster Fulda und Kirchen in Würzburg und Ansbach werden im 8. bis 10. Jahrhundert auch mehrere „im Slawenland“ liegende Orte genannt. Bei der Gründung des Bistums Bamberg 1007 wurde ausdrücklich auf die Christianisierung der Slawen hingewiesen. Auch bei der Bamberger Diözesansynode 1059 waren die Weigerungen der Slawen, den Kirchenzehnten zu zahlen, und weiterhin ausgeführte heidnische Praktiken Thema. Auf der nächsten bischöflichen Synode 1087 wurden Slawen allerdings schon nicht mehr erwähnt. Insgesamt ist die Überlieferung stark durch Zufall bedingt. Es wird vor allem das Gebiet um Bamberg beleuchtet, während weiter entfernte Regionen nur selten in den Urkunden erscheinen.

Die namenkundlichen Quellen

Bei den Orts-, Flur- und Gewässernamen in Oberfranken und der Oberpfalz sind häufig slawische Namen oder Namensbestandteile erkennbar. Neben anderen Aspekten ermöglichen die namenkundlichen (onomastischen) Analysen auch Aussagen zum slawischen Bevölkerungsanteil. Dabei kann aber weniger die konkrete Besiedlung eines einzelnen Ortes durch eine slawische oder deutsche Bevölkerung bestimmt als Schlüsse zu einem größeren Gebiet, der Namenlandschaft, getroffen werden. Siedler können z. B. einen älteren Namen des Platzes oder den eines benachbarten Ortes übernommen haben. Im entgegengesetzten Fall können slawische Ortsnamen aber auch später übersetzt oder durch einen neuen deutschen Namen ersetzt worden sein. Eine eigene Gruppe stellen die Ortsnamen dar, die mit „Windisch-“ beginnen oder mit „-winden“ bzw. „-wind“ enden und häufig mit einem deutschen Personennamen oder Amtstiteln wie Abt oder Bischof verbunden sind. Hier wurde schon durch die Benennung auf die als Winden oder Wenden bezeichneten Slawen hingewiesen, die in diesem Ort lebten. Ein typischer Namensbestandteil slawischen Ursprungs ist zum Beispiel die Endung „-itz“.

Die archäologischen Quellen

Archäologische Funde, besonders Keramikgefäße mit typischen Wellenverzierungen und Metallschmuck, weisen enge Parallelen zu dem slawisch besiedelten Ostmitteleuropa auf. Sie zeigen, dass sie in der gleichen Tradition hergestellt wurden und enge Beziehungen vor allem zum sorbischen Gebiet zwischen Elbe und Saale und nach Böhmen bestanden. Ihre chronologische Einordnung lässt jedoch oft einen breiten Datierungsspielraum von bis zu einem Jahrhundert zu. Gleichzeitig weisen die Ausgrabungs- oder Lesefunde nur ein bestimmtes Gebiet aus, in dem eine slawische Bevölkerung lebte, ohne dass derzeit genauere Aussagen zur Herkunft oder Zeit der Einwanderung einzelner Gruppen gemacht werden können. Wichtige Aufschlüsse lassen sich aus den Gräbern gewinnen, deren genaue zeitliche Einordnung zwischen dem 8. und 11. Jahrhundert jedoch noch immer Schwierigkeiten bereitet. Anders als in den weiter westlich gelegenen Gebieten des Reiches wurden in Nordostbayern den Toten noch Gegenstände wie Kleidung, Schmuck und Speisen mit ins Grab gegeben. Diese Grabsitten weichen deutlich von dem sonst üblichen christlichen Grabbrauch ab und zeigen noch heidnische Relikte. Die von Franken und Slawen gemeinsam benutzten Friedhöfe und Gräberfelder aus karolingisch-ottonischer Zeit unterstützen die Vermutung, dass die Integration der slawischen Zuwanderer weitestgehend friedlich verlief.

Siehe auch

Literatur

  • Joachim Andraschke: Slawische Orts-, Wüstungs- und Flurnamen im Main- und Regnitzgebiet. Schriftenreihe des Historischen Vereins Landkreis Haßberge e.V. Band 22, herausgegeben von Wolfgang Jäger und Thomas Schindler, zugleich Beiträge zur ostfränkischen Kultur- und Landeskunde (Band V), herausgegeben von Joachim Andraschke. Haßfurt 2020.
  • Ernst Eichler u. a.: Siedlungsnamen im oberfränkischen Stadt- und Landkreis Bamberg. Beiträge zur slawisch-deutschen Sprachkontaktforschung 1, Heidelberg 2001
  • Ingolf Ericsson: Slawen in Nordostbayern. Zu den Main-, Regnitz- und Naabwenden und ihrer Bedeutung für den Landesausbau. In: Rolf Bergmann (Hrsg.): Mittelalterforschung in Bamberg (Beiträge aus dem Zentrum für Mittelalterstudien. Forschungsforum. Berichte aus der Otto-Friedrich-Universität Bamberg. Heft 10) Bamberg 2001, S. 30–39.
  • Roman Grabolle: Karte zur slawischen Besiedlung in Nordostbayern. In: Josef Kirmeier, Bernd Schneidmüller, Stefan Weinfurter, Evamaria Brockhoff (Hrsg.): Kaiser Heinrich II. 1002–1024. Katalog zur Bayerischen Landesausstellung 2002, Bamberg, 9. Juli bis 20. Oktober 2002. Veröffentlichungen zur bayerischen Geschichte und Kultur 44 (Bamberg 2002) S. 137 f., Kat.-Nr. 17, ISBN 392723382X
  • Jochen Haberstroh: Slawische Siedlung in Nordostbayern. In: Alfried Wieczorek und Hans-Martin Hinz (Hrsg.): Europas Mitte um 1000. Beiträge zur Geschichte, Kunst und Archäologie 2. Stuttgart 2000, S. 713–717.
  • Jochen Haberstroh: Slawische Funde aus Oberfranken. In: Wolfgang Jahn (Hrsg.): Edel und frei – Franken im Mittelalter. Katalog zur Bayerischen Landesausstellung 2004, Pfalzmuseum Forchheim, 11. Mai bis 24. Oktober 2004. Veröffentlichungen zur Bayerischen Geschichte und Kultur 47, Augsburg 2003, S. 132 f., Kat.-Nr. 24, ISBN 3927233919
  • Matthias Hardt: Slawen und Deutsche im früh- und hochmittelalterlichen Oberfranken. In: Erich Schneider und Bernd Schneidmüller (Hrsg.): Vor 1000 Jahren. Die Schweinfurter Fehde und die Landschaft am Obermain 1003. Schweinfurter Museumsschriften 118, Schweinfurt 2004, S. 43–63.
  • Hans Losert: Die slawische Besiedlung Nordostbayerns aus archäologischer Sicht. In: Karl Schmotz (Hrsg.): Vorträge des 11. Niederbayerischen Archäologentags. Deggendorf 1993, S. 207–270.
  • Joseph Schütz: Frankens mainwendische Namen: Geschichte und Gegenwart. München 1994
  • Ernst Schwarz: Sprache und Siedlung in Nordostbayern. (Erlanger Beiträge zur Sprach- und Kunstwissenschaft 4). Nürnberg 1960
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