Die Born-Koordinaten beschreiben in der relativistischen Physik eine Karte für einen Teil des flachen Minkowski-Raumes der speziellen Relativitätstheorie, den räumlichen Zylinder mit Das entsprechende Linienelement mit der Signatur , also den natürlichen Einheiten und der Winkelgeschwindigkeit ist

Die Born-Koordinaten werden für die mathematische Analyse der Physik von sogenannten Langevin-Beobachtern benutzt, die auf einem Ring mit konstantem Abstand zum Drehmittelpunkt rotierender starrer Scheiben ruhen (siehe Ehrenfestsches Paradoxon). Die erstmalige Beschreibung dieser Koordinaten erfolgte im Zusammenhang mit Max Borns (1909) relativistischer Physik der starren Körper, die für rotierende Körper unter anderem von Gustav Herglotz (1909) weiterentwickelt wurde. Für einen allgemeinen Überblick zu Beschleunigungen in der Minkowski-Raumzeit, siehe Beschleunigung (Spezielle Relativitätstheorie).

Uhrensynchronisation und Abstandsmessung

Ideale ruhende Uhren auf der rotierenden Scheibe lassen sich nicht widerspruchsfrei synchronisieren. Nicht auf einem Ring mit konstantem Durchmesser auf dem die Uhren zumindest gleich schnell laufen, schon gar nicht auf der ganzen Scheibe, auf der die Uhren, je weiter sie von der Drehachse entfernt sind, um den Faktor langsamer laufen (Zeitdilatation). Das heißt, dass die Uhren entlang eines Radius mit nicht gleich schnell laufen, sondern im Vergleich mit einer Referenzuhr im Drehmittelpunkt mit wachsendem langsamer werden.

Da die Born-Koordinaten einen Teil des flachen Minkowski-Raums beschreiben, lassen sich die Uhren wie dort synchronisieren, indem die Uhr im Drehmittelpunkt (Uhr im Rotationszentrum) als Referenz dient und z. B. im Sekundentakt ein Lichtsignal aussendet, mit dem alle Uhren auf der rotierenden Scheibe synchronisiert werden (siehe Abb. 2). Die Empfängeruhren , und kennen die jeweilige Laufzeit des Signals vom Drehmittelpunkt und justieren ihre Uhrzeit entsprechend. Das heißt, dass alle Beobachter, die sich auf der Drehachse befinden, Lichtsignale, die von den Uhren auf der Scheibe im Sekundentakt abgesendet werden, im Sekundentakt empfangen werden. Werden die Signale von Uhren auf einem Ring mit konstantem Radius gesendet, werden sie darüber hinaus gleichzeitig empfangen. Solcherart synchronisiert, sind die Uhren in , , und synchron mit der Koordinatenzeit des Inertialsystems, in dem die Drehachse der rotierenden Scheibe ruht.

Für den Langevin-Beobachter (Uhr ) ist die Situation jedoch nicht zufriedenstellend. Für ihn ergeben sich zwei Probleme. Erstens läuft seine so synchronisierte Uhr zu schnell im Vergleich zu einer Uhr, die er auf die Standard-SI-Sekunde geeicht hat. Zweitens macht er die irritierende Feststellung, dass zwei Lichtsignale, die von den beiden gleich weit entfernten Uhren und auf seinem Ring gleichzeitig ausgesendet werden, nicht gleichzeitig bei ihm eintreffen. Da er weiß, dass die Uhren und gleich weit von seiner Uhr entfernt sind, gibt es nur zwei Möglichkeiten. Entweder ist die Lichtausbreitung nicht isotrop – Licht von in Drehrichtung ist früher bei ihm (die Geschwindigkeit des Lichts wäre daher schneller als ), als Licht von entgegen der Drehrichtung (die Geschwindigkeit des Lichts wäre daher langsamer als ). Oder die Uhren und sind mit seiner Uhr nicht synchron.

Um sie aus seiner Sicht zu synchronisieren geht er wie im Inertialsystem vor. Er eicht die Uhren in , und auf die SI-Sekunde und synchronisiert die Uhren und mit seiner Uhr mittels Einstein-Synchronisation (eine interne Synchronisation). Er stellt fest, dass er die Uhr , die in Drehrichtung liegt, zurückstellen muss und die Uhr , die entgegen der Drehrichtung liegt, vorstellen muss. Zwei Lichtsignale, die jetzt gleichzeitig von und ausgesendet werden, treffen gleichzeitig bei ein (sie treffen aber nicht gleichzeitig bei der Uhr ein). Synchronisiert man alle Uhren entlang des Ringes auf diese Art und Weise, ergibt sich neuerlich ein Problem. Zumindest zwei benachbarte Uhren zeigen nicht die gleiche Zeit. In Summe weisen die Uhren entlang des Rings mit dem Radius r eine Zeitdifferenz auf.

Außerdem stellt der Langevin-Beobachter fest, dass, egal wie er die Distanzen seiner lokalen Umgebung vermisst, die Geometrie nicht-euklidisch ist und am besten durch eine Riemannsche Metrik, die sogenannte Langevin-Landau-Lifschitz Metrik beschrieben wird. Diese Metrik wiederum wird sehr gut durch die Metrik der hyperbolischen Ebene angenähert. Bei der Vermessung großer Distanzen über die lokale Umgebung hinaus hängen die Ergebnisse von der Messmethode ab, die sich nicht mit den Eigenschaften einer Riemann Metrik beschreiben lassen. Die mit der Radarmethode gemessenen großen Distanzen sind nicht einmal symmetrisch. Die gemessene Entfernung von nach ist nicht gleich der gemessenen Entfernung von nach . Das heißt, dass die Geometrie der rotierenden Scheibe weder eine euklidische noch eine riemannsche Geometrie ist.

Die rotierende Scheibe ist kein Paradoxon. Egal welche Methode der Langevin-Beobachter verwendet um seine lokale Umgebung zu analysieren: er stellt fest, dass er sich in einem rotierenden Bezugssystem befindet und nicht in einem Inertialsystem.

Langevin-Beobachter in Zylinderkoordinaten

Für die Herleitung der Born-Koordinaten ist es sinnvoll, die Langevin-Beobachter zuerst in Zylinderkoordinaten darzustellen. Ihre Weltlinien bilden eine zeitartige Kongruenz, die als starr angesehen werden kann, da der entsprechende Expansionstensor verschwindet (siehe unten). Die Langevin-Beobachter rotieren um die Symmetrieachse des Zylinders.

Aus dem Linienelement des Minkowskiraumes in Zylinderkoordinaten

können unmittelbar die Tetraden (Vektorfelder der Basisvektoren) des lokalen Bezugssystems für stationäre Beobachter abgelesen werden:

ist ein zeitartiges Vektorfeld. , und sind raumartige Vektorfelder.

Mit einem Lorentz-Boost der Vektorfelder der Basisvektoren mit in Richtung (Anwendung der Lorentz-Transformation auf und ) ergeben sich die Vektorfelder der Basisvektoren für die Langevin-Beobachter mit

Diese Vektorfelder wurden erstmals (implizit) von Paul Langevin 1935 verwendet. Eine ausführliche Beschreibung erfolgte durch Thomas A. Weber erst 1997. Definiert sind diese Vektorfelder im Gegensatz zu den Zylinderkoordinaten mit im Bereich . Diese Einschränkung ist fundamental, da sich die Geschwindigkeit der Langevin-Beobachter nahe der Grenze der Lichtgeschwindigkeit nähert.

Jede integrale Kurve des zeitartigen Vektorfeldes wird in Zylinderkoordinaten als wendelförmige Kurve mit konstantem Radius abgebildet (siehe die rote Kurven in Abb. 1 und Abb. 3) und repräsentiert einen in Bezug auf die rotierende Scheibe ruhenden Langevin-Beobachter. Weitere Langevin-Beobachter, die sich mit dem ersten auf einem Ring mit dem Radius und der Winkelgeschwindigkeit befinden, sollten auf der integralen Kurve des Vektorfeldes (siehe die blaue Kurve in Abb. 3) gleichzeitig (synchron) sein. Jedoch zeigt sich, dass sich ideale Uhren entlang der blauen Kurve mittels Einstein-Synchronisation nicht synchronisieren lassen, da sich die blaue Kurve an unterschiedlichen Stellen mit der roten Kurve schneidet. Zumindest zwei benachbarte Uhren zeigen unterschiedliche Zeiten, da die blaue Kurve gleichzeitig ist, zwei unterschiedliche Stellen auf der roten Kurve aber einen zeitlichen Abstand haben – die blaue Kurve ist keine geschlossene Kurve in der Raumzeit und die benachbarten Uhren sie sind nicht synchron. Das ist der erste Hinweis darauf, dass sich für die rotierende Scheibe keine zufriedenstellende Beschreibung einer räumlichen Geometrie finden lässt, auf der alle Ereignisse gleichzeitig sind. Weder für die ganze rotierende Scheibe, noch für einen rotierenden Ring mit Radius .

Im Gegensatz dazu, ist die Projektion der wendelförmigen Weltlinie eines Langevin-Beobachters auf die räumliche Hyperebene ein Kreis – also eine geschlossene Kurve in der Raumzeit. Darüber hinaus ist das Vektorfeld der Basisvektoren ein raumartiges Killingvektorfeld, dessen integrale Kurven geschlossene Kurven im Raum sind (de-facto Kreise). Sie degenerieren für zu Kurven mit der Länge Null. Das entspricht der Vorstellung der zylindrischen Symmetrie und der Vorstellung eines rotierenden Langevin-Beobachters. Diese Vorstellung basierend auf lässt sich jedoch nicht realisieren, da die idealen Uhren auf dem Ring nicht widerspruchsfrei synchronisiert werden können und damit (Gleichzeitigkeit) keinen Sinn ergibt, wenn keine eindeutige Synchronisation der Uhren möglich ist.

Die Viererbeschleunigung des zeitartigen Vektorfeldes ist

Sie zeigt radial zur Drehachse und hängt nur vom konstanten Radius und der konstanten Winkelgeschwindigkeit der wendelförmigen Weltlinie des Langevin-Beobachters ab (Zentripetalbeschleunigung). Mit der kinematischen Dekomposition (siehe Viererbeschleunigung oben) ergeben sich der Expansionstensor und der Wirbelvektor. Der Expansionstensor ist Null. Das heißt, dass die Abstände der Langevin-Beobachter zueinander und zur Drehachse konstant bleiben (starren Scheibe). Der Wirbelvektor ergibt sich mit

und ist parallel zur Drehachse. Das heißt, dass die Langevin-Beobachter um die Drehachse rotieren. Das heißt aber auch, dass die Langevin-Beobachter um ihre eigene Achse rotieren. Das entspricht der Vorstellung einer lokalen Verwirbelung. In Abb. 4 zeigt die cyanfarbene Kurve, wie sich die raumartigen Vektorfelder um das Vektorfeld winden ( – die -Koordinate – ist in der Abb. 4 durch – die Zeit – ersetzt, da die -Koordinate hier keine Rolle spielt). Die lokalen Bezugssysteme der Langevin-Beobachter rotieren also auch und sind keine Inertialsysteme und ihre sind mit dem radial Basisvektor ausgerichtet. Diese lokale Rotation von und um die Achse kann durch eine konstante lokale Gegenrotation aufgehoben werden.

Transformation in Born-Koordinaten

Um die Born-Koordinaten zu erhalten, werden die wendelförmigen Weltlinien der Langevin-Beobachter mittels der Transformation

„gestreckt“ und es ergibt sich das neue Linienelement

Wegen des Mischterms sind die Born-Koordinaten kein orthogonales Koordinatensystem.

Die Weltlinien der Langevin-Beobachter sind jetzt gerade vertikale Linien. In Born-Koordinaten sind die Vektorfelder der Basisvektoren der Langevin-Beobachter

Die wendelförmigen Weltlinien der Langevin-Beobachter in Zylinderkoordinaten sind in Born-Koordinaten gerade Linien. Jedoch sind die geraden Weltlinien der statischen Beobachter in Zylinderkoordinaten, die neben der rotierenden Scheibe ruhen, in Born-Koordinaten wendelförmige Weltlinien. Im Gegensatz zu den Zylinderkoordinaten, sind nicht nur die Vektorfelder der Basisvektoren der Langevin-Beobachter auf den Bereich beschränkt, sondern die Born-Koordinaten insgesamt.

Die kinematische Dekomposition der zeitartigen Kongruenz liefert die gleichen Ergebnisse wie zuvor, jedoch mit den neuen Born-Koordinaten. Der Beschleunigungsvektor ist

der Expansionstensor ist Null und der Wirbelvektor ist

Das zu einem zeitartigen Einheitsvektorfeld duale Kovektorfeld definiert in jedem lokalen Bezugssystem eine infinitesimale räumliche Hyperebene. Ob diese infinitesimalen räumlichen Hyperebenen zu einer globalen räumlichen Hyperebene verbunden werden können, die überall zur Kongruenz der Weltlinien orthogonal ist, wird durch die Bedingung für die vollständige Integrierbarkeit bestimmt. Es zeigt sich, dass diese Bedingung genau dann und nur dann erfüllt ist, wenn der Wirbeltensor Null ist. Für den statischen Beobachter in Zylinderkoordinaten existieren solche räumliche Hyperflächen für die gilt, für den Langevin-Beobachter jedoch nicht. Insbesondere sind die räumlichen Hyperflächen in Born-Koordinaten orthogonal zu den Weltlinien der statischen Beobachter, nicht zu den Weltlinien der Langevin-Beobachter.

Dies wird deutlich, wenn die Integralkurven des Langevin-Vektorfeldes

die durch den Radius verlaufen, dargestellt werden. Diese Kurven liegen in der Fläche

(siehe Abb. 5). Die für die Darstellung unwesentliche Koordinate wurde durch die Koordinate ersetzt. Es liegt nahe, diese Fläche als räumliche „Gleichzeitigkeitsfläche“ für Langevin-Beobachter zu interpretieren. Dies ist aus zwei Gründen nicht möglich. Erstens ist die Bedingung für die vollständige Integrierbarkeit nicht erfüllt, sodass es keine räumliche Hyperfläche gibt zu der die Vektorfelder tangential sind. Das Vektorfeld ist nur für tangential. Das ist ein infinitesimales (lokales) Problem. Zweitens wird in Abb. 5 ersichtlich, dass die so konstruierte räumliche Hyperebene eine Unstetigkeit aufweist, einen Sprung (siehe die blauen Gitterlinien Abb. 5). Das ist ein globales Problem und eine Konsequenz daraus, dass sich die Uhren der Langevin-Beobachter nicht widerspruchsfrei synchronisieren lassen. Weder auf der ganzen rotierenden Scheibe, noch auf einem Ring mit konstantem .

Nullgeodäten

Die Nullgeodäten in Zylinderkoordinaten ergeben sich aus den Geodätengleichungen

Die ersten Integrale für lassen sich unmittelbar angeben mit

Wird das in den Ausdruck für das Linienelement der Zylinderkoordinaten eingesetzt und wird außerdem (für die Nullgeodäte) gesetzt, so ergibt sich

Daraus ergibt sich für den minimalen Radius Rmin einer Nullgeodäte

also

und weiter

Damit ist für das erste Integral ebenfalls gefunden.

Die Lösung der Nullgeodäten als Kurven mit dem affinen Parameter λ ist (siehe Abb. 6)

Die Trajektorien der Nullgeodäten, also die Spuren ihrer „Projektion“ in die räumliche Hyperebene sind im Minkowski-Raum mit Zylinderkoordinaten natürlich Geraden und gegeben durch

Für radiale Nullgeodäten ist . Außerdem gilt mit in die Gleichungen oben eingesetzt für auslaufende radiale Nullgeodäten

ist der Abstand des Langevin-Beobachters vom Rotationszentrum (siehe Abb. 7). Werden diese Gleichungen in Born-Koordinaten transformiert, ergibt sich für den auslaufenden Lichtstrahl

In Born-Koordinaten ist diese Trajektorie keine Gerade (siehe die grüne Kurve in der Abb. 7). Wie im Abschnitt Transformation in Born-Koordinaten gezeigt, handelt es sich in Born-Koordinaten bei diesen Trajektorien streng genommen nicht um eine Projektion in eine räumliche Hyperebene, da eine solche für nicht definiert ist (siehe Abb. 5).

Für einlaufende radiale Nullgeodäten ergibt sich

dargestellt als rote Kurve in Abb. 7.

Um einen Laserimpuls zum stationären Beobachter S bei r = 0 zu senden, muss der Langevine-Beobachter bei r = R0 voraus zielen (für ihn bewegt sich S gegen den Uhrzeigersinn von rechts nach links). Das Gleiche gilt für den Beobachter S, der einen Laserimpuls zum Beobachter L schicken will. Für ω > 0 sind die ein- und auslaufenden Nullgeodäten unterschiedliche Kurven in der Raumzeit mit unterschiedlichen Trajektorien.

Nullgeodäten zwischen Langevin-Beobachtern auf dem Ring mit r = R0 sind für ω > 0 ebenfalls nach innen oder nach außen gebogen. Um dies zu sehen, werden die Gleichungen für die in Rotationsrichtung laufenden Nullgeodäten in Zylinderkoordinaten in der Form

geschrieben. Die Transformation in Born-Koordinaten ergibt

oder nach r und ϕ aufgelöst

Diese Trajektorie ist für ω > 0 tatsächlich nach innen gebogen (siehe die grüne Kurve in Abb. 7). Für Nullgeodäten gegen die Rotationsrichtung (siehe die rote Kurve in Abb. 7) ergeben sich die Kurven

deren Trajektorien nach außen gebogen sind. Für die Langevin-Beobachter gilt, dass sie um sich Laserimpulse zu senden vorhalten müssen.

Damit sind die Betrachtungen zu Nullgeodäten abgeschlossen, denn eine Nullgeodäte ist entweder radial oder hat einen minimalen Radius rmin.

Radardistanz im Großen

Für beschleunigte Beobachter gibt es selbst im einfachsten Fall des flachen Minkowski-Raumes verschiedene Möglichkeiten zur Entfernungsmessung, die sich als operational sinnvoll erweisen. Von diesen ist die Radardistanz die einfachste. Misst ein stationärer Beobachter C im Drehzentrum der Scheibe R = r = 0 die Laufzeit zu einem Langevin-Beobachter A auf einem Ring mit dem Radius , so erhält er als Ergebnis . Für den Langevin-Beobachter A ist die Situation anders. Er misst eine etwas kürzere Laufzeit, da seine Uhr im Vergleich zur Uhr des stationären Beobachters C um den Faktor zeitdilatiert ist. Er erhält als Ergebnis seiner Messung . Bereits dieser einfache Fall zeigt sich widersprüchlich. Die Beobachter A und C sind sich über ihren Abstand nicht einig. Die Radarmessung liefert kein symmetrisches Ergebnis.

Im Vergleich dazu liefert die Radarmessung zwischen zwei Langevin-Beobachtern A und B auf dem Ring mit dem Radius ein symmetrisches Ergebnis. Der Beobachter A misst den Abstand zu B gleich wie der Beobachter B den Abstand zu A (siehe Abb. 9). Die Laufzeiten zwischen A und B können mit den Gleichungen für die allgemeinen Nullgeodäten ermittelt werden. Mit dem Winkel ΔΦ zwischen A und B ergibt sich für die Laufzeit ΔtAB (in Koordinatenzeit) von A nach B

und für die Laufzeit ΔtBA (in Koordinatenzeit) von B nach A

Die beiden Laufzeiten können mit diesen nichtlinearen Gleichungen numerisch berechnet werden. Die Radardistanz unter Berücksichtigung der Zeitdilatation ist damit

Trotz der dargestellten Schwierigkeiten bei der Bestimmung von Radardistanzen im Großen lässt sich beispielsweise mit Märzke-Wheeler-Koordinaten für einen bestimmten Langevin-Beobachter eine Gleichzeitigkeitsfläche konstruieren, mit deren Hilfe sich große Radardistanzen messen lassen.

Radardistanz im Kleinen

Wie im Abschnitt Transformation in Born-Koordinaten gezeigt, lassen sich mit Born-Koordinaten keine „Gleichzeitigkeitsflächen“ festlegen. Jedoch ist die zeitartige Kongruenz der Langevin-Beobachter stationär und ihre Weltlinien können durch Punkte ersetzt werden. Dadurch wird ein Quotientenraum des Bereichs des Minkowskiraums gebildet. Dieser Raum ist eine dreidimensionale topologische Mannigfaltigkeit, die sich durch eine Riemannsche Metrik in eine dreidimensionale Riemannsche Mannigfaltigkeit wandeln lässt, mit der sich einfach operational Abstände finden lassen.

Ausgangspunkt ist das Linienelement in Born-Koordinaten

Wird gesetzt und nach aufgelöst, ergeben sich die Lichtlaufzeiten hin und zurück

Und damit die lokale (infinitesimale) Radardistanz als arithmetischer Mittelwert der Lichtlaufeigenzeit

Somit hat der Quotientenraum das Riemannsche Linienelement

das dem Abstand zweier benachbarter Langevin-Beobachter mit infinitesimalem Abstand entspricht. Diese Metrik wird Langevin-Landau-Lifschitz-Metrik genannt und stellt die „Radardistanz im Kleinen“ dar. Diese Metrik wurde von Langevin eingeführt und von Lifschitz und Landau als „Radardistanz im Kleinen“ für durch beliebige stationäre zeitartige Kongruenzen gebildete Quotientenräumen von Lorentzmannigfaltigkeiten verallgemeinert.

Für den Quotientenraum der Langevin-Landau-Lifschitz-Metrik berechnet sich der Krümmungsskalar mit

Dieser ist bis Größen vierter Ordnung in identisch mit der konstanten negativen Krümmung des Hyperbolischen Raums mit dem Linienelement

und dem Krümmungsskalar

In diesem Sinne ist die „Geometrie der rotierenden Scheibe“ tatsächlich gekrümmt und entspricht in der Näherung dem Hyperbolischen Raum, wie Theodor Kaluza bereits 1910 (ohne Beweis) vermutet hat. Wie jedoch oben gezeigt wurde, gibt es unterschiedliche Möglichkeiten Abstände auf der rotierenden Scheibe zu messen, die sehr unterschiedliche Ergebnisse liefern. Mit der Langevin-Landau-Lifschitz-Metrik lässt sich ebenso wie mit der Radardistanz im Großen, der radiale Abstand eines Langevin-Beobachters am Ring mit Radius vom Rotationszentrum ermitteln. Dazu wird das entsprechende Linienelement für die oben angegebene Nullgeodäte integriert.

in das Linienelement eingesetzt ergibt

und weiter

Dieser Abstand ist größer als , während die „Radardistanz im Großen“ gleich oder kleiner als ist.

Da die zugrunde liegende Langevin-Landau-Lifschitz-Metrik eine Riemann-Metrik ist, ist dieser Abstand im Gegensatz zur „radialen Radardistanz im Großen“ symmetrisch. Der Riemannsche Krümmungstensor der (gekrümmten) Langevin-Landau-Lifschitz-Metrik ist operational signifikant. Wie Nathan Rosen festgestellt hat, stimmen für benachbarte Langevin-Beobachter die gemessenen lokalen (infinitesimalen) Abständen mit jenen überein, die von einem inertialen Beobachter gemessen werden, der sich in einem bestimmten Augenblick parallel und synchron zu ihnen bewegt.

Siehe auch

Quellen

Historische Abhandlungen

  1. Ehrenfest, P.: Gleichförmige Rotation starrer Körper und Relativitätstheorie. In: Phys. Zeitschrift. 10. Jahrgang, 1909, S. 918.
  2. Born, M.: Die Theorie des starren Elektrons in der Kinematik des Relativitäts-Prinzipes. In: Ann. Phys. 30. Jahrgang, 1909, S. 1, doi:10.1002/andp.19093351102, bibcode:1909AnP...335....1B.
  3. Born, M.: Zur Kinematik des starren Körpers im System des Relativitätsprinzips. In: Nachrichten von der Gesellschaft der Wissenschaften zu Göttingen, Mathematisch-Physikalische Klasse. 2. Jahrgang, 1910, PPN252457811, S. 161–179.
  4. Langevin, P.: Remarques au sujet de la Note de Prunier. In: C. R. Acad. Sci. Paris. 200. Jahrgang, 1935, S. 48.

Standardwerke

  1. Grøn, Ø.: Relativistic description of a rotating disk. In: Amer. J. Phys. 43. Jahrgang, Nr. 10, 1975, S. 869–876, doi:10.1119/1.9969, bibcode:1975AmJPh..43..869G.
  2. Landau, L. D., Lifschitz, E. M.: The Classical Theory of Fields (4th ed.). Butterworth-Heinemann, London 1980, ISBN 0-7506-2768-9.
    • Für die Beschreibung der Langevin-Landau-Litschitz-Metrik als Quotient einer Lorentzschen Mannigfaltigkeit durch eine stationäre Kongruenz siehe Abschnitt 84 und das Beispiel für die Anwendung eines Langevin-Beobachters am Ende des Abschnitts 89.

Referenzen neueren Datums

  1. Siehe den englischen Artikel Born rigidity
  2. Weber, T., A.: A note on rotating coordinates in relativity. In: American Journal of Physics. 65. Jahrgang, Nr. 6, Juni 1997, ISSN 0002-9505, S. 486–487, doi:10.1119/1.18575.
    • Thomas A. Weber (*1934) ist emeritierter Professor für theoretische Physik an der Iowa State University. Er erwarb seinen Doktor an der University of Notre Dame 1961. Er befasste sich unter anderem mit mathematischer Physik, Relativitätstheorie und formaler Streutheorie. 1997 beschrieb er als erster ausführlich das Vektorfeld der Basisvektoren für Langevin-Beobachter. Paul Langevin verwendete dieses Vektorfeld als erster 1935 ohne es ausdrücklich zu beschreiben, daher sind die durch dieses Vektorfeld charakterisierten Langevin-Beobachter nach ihm benannt.
  3. Weber, T., A.: Measurements on a rotating frame in relativity, and the Wilson and Wilson experiment. In: American Journal of Physics. 65. Jahrgang, Nr. 10, Oktober 1997, ISSN 0002-9505, S. 946–988, doi:10.1119/1.18696.
  4. Rizzi, G., Ruggiero, M. L.: Relativity in Rotating Frames: Relativistic Physics in Rotating Reference Frames. Springer-Science+Business Media Dordrecht, Dordrecht 2004, ISBN 978-90-481-6514-8, doi:10.1007/978-94-017-0528-8.
    • Bietet einen historischen Überblick zum Ehrenfest-Paradoxon von Øyvind Grøn, Beiträge von Neil Ashby, Thomas A. Weber und anderen Autoren, eine Diskussion der Langevin-Kongruenz von Lluís Bel und zahlreiche weitere Referenzen zum Thema.
  5. Pauri, M., Vallisneri, M.: Märzke-Wheeler coordinates for accelerated observers in special relativity. In: Found. Phys. Lett. 13. Jahrgang, Nr. 5, 2000, S. 401–425, doi:10.1023/A:1007861914639.
    • Konstruktion eines Koordinatensystems für einen Langenvin-Beobachter mittels Radarmessung für große Distanzen (siehe auch die Eprint-Version).

Anmerkungen

  1. Dabei handelt es sich um eine externe Synchronisation. Eine Konsequenz dieser Methode ist, dass für die Uhr im Drehmittelpunkt die Sekunde der Uhren auf der Scheibe identisch ist mit ihrer eigenen Sekunde.
  2. Der Wirbeltensor ist ein schiefsymmetrischer Tensor mit drei Dimensionen, der als dreidimensionaler Vektor (Wirbelvektor) dargestellt werden kann.
  3. Ein Punkt bedeutet die erste Ableitung nach dem affinen Parameter , zwei Punkte die zweite Ableitung nach dem affinen Parameter .
  • The Rigid Rotating Disk in Relativity, by Michael Weiss (1995), from the sci.physics FAQ.
  • arxiv:gr-qc/9904078: Hrvoje Nikolic: Relativistic contraction and related effects in noninertial frames.
  • arxiv:gr-qc/0207104: Guido Rizzi, Matteo Luca Ruggiero: Space geometry of rotating platforms: an operational approach.
  • arxiv:gr-qc/0403111: Olaf Wucknitz: Sagnac effect, twin paradox and space-time topology – Time and length in rotating systems and closed Minkowski space-times.
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