Karl Immanuel Nitzsch (* 21. September 1787 in Borna; † 21. August 1868 in Berlin) war ein evangelischer Theologe.

Leben

Karl (häufig: Carl) Immanuel Nitzsch wurde als Sohn des einstigen Pastors der Wittenberger Stadtkirche, des Generalsuperintendenten des sächsischen Kurkreises und des ersten Direktors des königlich-preußischen evangelischen Predigerseminars in Wittenberg Karl Ludwig und Luise Nitzsch (geb. Wernsdorf) geboren. Nach dem Schulbesuch an der Schule in Pforta, nahm 1806 an der Universität Wittenberg das Studium der Philosophie, klassischen Philologie und evangelischen Theologie auf.

Geprägt durch seinen Vater, erfolgte in Wittenberg 1809 Promotion und 1810 Habilitation, sowie vor dem Dresdener Oberkonsistorium, die Prüfung für das geistliche Amt. Nitzsch wurde 1811 Vikar an der Schlosskirche Wittenberg und erhielt 1813 die dritte Diakonstelle an der dortigen Stadtkirche. Durch die französische Besatzung Wittenbergs wurde der Lehrbetrieb an der Universität eingestellt, so dass sich Nitzsch als Seelsorger betätigte und 1815 nach Berlin wechselte, wo er die theologische Doktorwürde erhielt.

1817 wurde infolge der Beschlüsse des Wiener Kongresses die Universität Wittenberg mit der Universität Halle vereinigt und nach Halle verlegt. Als Ausgleich dafür wurde das königlich preußische Predigerseminar in Wittenberg durch Friedrich Wilhelm III. eröffnet. Nitzsch gehörte neben seinem Vater zu den ersten Lehrpersonal und unterrichtete Geschichte des kirchlichen Lebens und Beredsamkeit. 1820 trat er das Amt des Propstes und des Superintendenten in Kemberg an und folgte im Mai 1822 einem Ruf der Universität Bonn als Professor für systematische und praktische Theologie.

Dort profilierte er sich als Befürworter der Vermittlungstheologie im Angesicht eines Wiedererstarkens des orthodoxen Glaubens, den er mit dem Wissen zu versöhnen suchte. Als Universitätsprediger und zweiter Stadtgeistlicher in Bonn, als Delegierter der Mülheimer Kreissynode (seit 1824), als Mitglied (seit 1835) und später Vizepräsident (1838) der rheinischen Provinzialsynode, als preußischer Oberkonsistorialrat und Abgeordneter der Berliner Generalsynode von 1846 widmete sich Nitzsch vor allem der Überwindung der zwischen Konfessionalismus und Liberalismus sich zunehmend verhärtenden kirchenpolitischen Fronten, sowie den kirchlichen Unionsbestrebungen. 1827/28 amtierte er als Rektor der Universität.

Sein Engagement galt insbesondere dem eigenen liturgischen Recht der Kirche, das er im Agendenstreit gegen massive Eingriffsversuche des Königs verteidigte, dem kirchlichen Selbstverwaltungsrecht, das er durch Presbyterial- und Synodalverfassung verwirklicht sah, sowie einer möglichst freien Lehr- und Bekenntnisbindung für protestantische Geistliche. Nitzsch versuchte diese ohne Erfolg auf der Berliner Generalsynode 1846, in einem minimalistischen Ordinationsformular festzuschreiben, dessen Entwurf von den konservativen Gegnern als „Nitzschenum“ verspottet wurde. Dies brachte ihm 1847 eine theologische Berufung an die Universität Berlin ein, wo er 1848/49 Rektor der Universität war.

Seine liberal-konservative Haltung führte ihn als Abgeordneten in den Preußischen Landtag. Seit 1852 gehörte er zum Evangelischen Oberkirchenrat der Evangelischen Landeskirche in Preußen, wurde 1854 Propst an St. Nikolai und 1864 Superintendent an St. Marien. Im Frühjahr 1868 wurde er aus Alters- und Krankheitsgründen von seinen Ämtern entpflichtet.

Nitzsch war Ehrenmitglied des Berliner Wingolf. Er ist auf dem St.-Marien- und St.-Nikolai-Friedhof I in Berlin-Pankow bestattet.

Wirkung

Seine Wirkungen als theologischer Lehrer sind weitreichend. Die Disziplin der praktischen Theologie verdankt ihm eine umsichtige und anspruchsvolle Konsolidierung, die Nitzsch den Titel „Altmeister“ der praktisch-theologischen Wissenschaft eingetragen haben. Als profilierter Vermittlungstheologe reichte Nitzschs Einfluss weit über die Grenzen der theologischen Wissenschaft hinaus. Die protestantisch-preußische Kirchenpolitik, deren Themen und Probleme sich in den Verhandlungen und Beschlüssen der Berliner Generalsynode von 1846 widerspiegelten, fanden in Nitzsch eine ebenso engagierte wie repräsentative Zentralfigur.

Werkauswahl

  • De evangeliorum apokryphorum in explicandis canonicis usu et abusu. Dissertation Wittenberg 1809.
  • De testamentis duodecim patriarchorum, fibro Veteris Testamenti. Habilitationsschrift Wittenberg 1810.
  • Theologische Studien. Erster Teil. 1816.
  • Theologisches Votum über die neue Hofkirchen-Agende und deren weitere Einführung. Bonn 1824.
  • System der christlichen Lehre. 1831.
  • Ad theologiam practicam felicius excolendam observationes/Betrachtungen zu einer erfolgreichen Ausarbeitung der praktischen Theologie. Hrsg. v. Renate u. Reiner Preul. (1831) Waltrop 2006.
  • Praktische Theologie. 3 Bde. Bonn 1847ff.
  • Philipp Melanchthon. Vortrag 1855.
  • Die Religion als bewegende und ordnende Macht der Weltgeschichte. Vortrag 1855.
  • Über Lavater und über Gellert. 1857.
  • Über die christliche Glaubenslehre für Studierende aller Fakultäten. Akademische Vorträge herausgegeben von E. Walther 1858.
  • Predigten aus der Amtsführung in Bonn u. Berlin. Neue Gesamt-Ausgabe 1867.
  • Geschichtliche Abhandlungen. 2 Bände 1870.

Literatur

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