Die Collectio Britannica ist eine kanonische Sammlung, die nach dem Aufbewahrungsort der einzigen erhaltenen Handschrift in der British Library benannt ist (London, BL, Add MS 8873). Sie ist Ende des 11. Jahrhunderts vermutlich in Nordfrankreich aus teils römischen, teils nordfranzösischen Materialien kompiliert worden. Sie ist eine der wichtigsten Überlieferungen für die Briefe verschiedener Päpste und eine zentrale Quelle für die Rezeption des römischen Rechts im Mittelalter.

Inhalt, Aufbau, Vorlagen

Die Sammlung enthält vor allem Dekretalen, Auszüge aus den Kirchenvätern und dem römischen Recht, aber auch viele anderen Rechtsquellen. Ein Teil des Materials stammt aus der Sammlung des Kardinals Deusdedit. Viele der Materialien (z. B. einige Briefe von Pelagius I. und Auszüge aus den Digesten) sind aber in keiner früheren kanonischen Sammlung zu finden.

Die Sammlung ist in mehrere große Abschnitte geordnet, von denen die meisten Auszüge aus den Dekretalen nur eines Papstes enthalten. Innerhalb dieser Abschnitte ist das Material chronologisch geordnet. Die Anordnung der Abschnitte innerhalb der Britannica folgt keinem erkennbaren Prinzip.

Anders als die allermeisten kanonischen Sammlungen des Hochmittelalters enthält die Britannica in diesen Abschnitten auch fast keine gefälschten oder verfälschten Dekretalen. Aus diesem Grund (sowie der chronologischen Anordnung) hat die Forschung seit Paul Ewald immer wieder vermutet, dass diese Teile der Britannica auf Auszüge aus heute verlorenen päpstlichen Registern beruhten.

Rezeption

Die Britannica hatte in der erhaltenen Form keine große Verbreitung. Die einzige erhaltene Abschrift stammt aus dem frühen 12. Jahrhundert. Indirekt war die Sammlung allerdings sehr einflussreich, da sie von Ivo von Chartres in mehreren seiner Werke (Briefe, Ivos Decretum und Prolog zum Decretum) zitiert wurde und auf diesem Weg weit verbreitet wurden. Auch die Collectio Tripartita griff auf die Britannica zurück; diese Sammlung wurde ihrerseits unter anderem von Gratian verwendet.

Editionen und Übersetzungen

Die Sammlung wurde bislang nicht als Ganze ediert, allerdings wurde sie für eine relativ große Zahl von Editionen von Papstbriefen herangezogen, insbesondere für die MGH-Editionen der Briefe von Leo IV. und Johannes VIII. Unter anderem Paul Ewald und Samuel Löwenfeld haben viele Texte der Britannica gedruckt und kommentiert. Robert Somerville hat alle in der Britannica zu findenden Briefe und Brieffragmente Urbans II. kritisch ediert und übersetzt.

  • Robert Somerville: Pope Urban II, the Collectio Britannica, and the Council of Melfi (1089). Clarendon Press, Oxford 1996, ISBN 0-19-820569-4.

Literatur

  • Linda Fowler-Magerl: Clavis Canonum: Selected Canon Law Collections Before 1140: Access with Data Processing (= MGH. Hilfsmittel). Hahn, Hannover 2005, S. 184186.
  • Lotte Kéry: Canonical Collections of the Early Middle Ages (ca. 400–1140): A Bibliographical Guide to the Manuscripts and Literature (= History of Medieval Canon Law). Catholic University of America Press, Washington, D.C. 1999, ISBN 0-8132-0918-8, S. 237238 (google.de [abgerufen am 17. Juli 2022]).
  • Christof Rolker: The Collectio Britannica and its Sources: Reviewing the Trustworthiness of a Key Witness of Medieval Papal Letters. In: Zeitschrift der Savigny-Stiftung für Rechtsgeschichte: Kanonistische Abteilung. Band 108, Nr. 1, 2022, ISSN 2304-4896, S. 111–169, doi:10.1515/zrgk-2022-0003 (degruyter.com [abgerufen am 6. September 2022]).
  • Robert Somerville: Pope Urban II, the Collectio Britannica, and the Council of Melfi (1089). Clarendon Press, Oxford 1996, ISBN 0-19-820569-4.
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