Der Roman Der kleine Bruder von Sven Regener erschien 2008 und bildet dem Inhalt nach das Mittelstück der Trilogie über Frank Lehmann alias Herr Lehmann. In der Veröffentlichungsreihenfolge ist es gleichzeitig der letzte der drei Romane.

Im Vorgängerroman Neue Vahr Süd beschreibt der Autor die Zeit des Helden in Bremen und seines Wehrdiensts im Jahr 1980, im Nachfolgeroman Herr Lehmann das Leben von Frank Lehmann in Berlin-Kreuzberg kurz vor der Wende 1989.

Inhalt

Der zeitliche Rahmen des Romans erstreckt sich vom 12. bis 14. November 1980 über etwa 46 Stunden. Frank Lehmann, der gerade in Bremen die Entlassung aus seinem Wehrdienst durch einen drogeninduzierten Zusammenbruch herbeigeführt hat, fährt mit seinem Mitbewohner Wolli nach Berlin, um dort seinen großen Bruder Manfred (alias Manni, alias Freddie) zu besuchen, der sich dort seit Jahren als Künstler durchschlägt. Freddie, den Frank Lehmann wegen dessen unbezahlter Telefonrechnungen nicht erreichen und über seine Anreise informieren konnte, ist seit Tagen verschwunden und seine Mitbewohner geben an, nicht zu wissen, wo er sei. Auf der Suche nach seinem Bruder, dem spannungsbildenden Element der Gesamthandlung, lernt der junge Frank Lehmann eine Nische des Berliner Underground Anfang der 1980er Jahre kennen und bewegt sich in dem nur wenige Straßenzüge umfassenden Mikrokosmos der Hausbesetzer, Punks und Künstler.

Auf Franks nächtlichen Streifzügen durch die Szenelokale mit Karl, einem Mitbewohner von Freddie, mit dem er sich anfreundet, begegnen ihm immer wieder dieselben Menschen und gegen Ende des Romans hat sich Frank von seinem großen Bruder bereits emanzipiert, mit dem Job in der Kneipe „Einfall“ einen neuen Lebensentwurf und ein WG-Zimmer über dieser Kneipe. Tagsüber versucht er, die Anrufe der um Manfred besorgten Mutter abzuwimmeln, und lässt sich dadurch zugleich unter Druck setzen, seinen Bruder zu suchen. Um ihn zu finden, muss er sich schließlich aus Kreuzberg hinausbegeben und sich in einer feindlichen Umwelt behaupten, ein Zeichen, dass er nicht mehr „der kleine Bruder“ ist, sondern ein gereifterer Charakter. Hier lässt sich die Entwicklung vom unbedarften Heranwachsenden „Frankie“ des Vorgängerromans zur eigenständigen Type des Nachfolgerromans als „Herr Lehmann“ nachvollziehen.

Form

Wie auch die beiden anderen Romane Neue Vahr Süd und Herr Lehmann ist auch Der kleine Bruder im personalen Erzählstil gehalten. Die Beschreibung der Gedanken des Helden zieht sich häufig sehr lange hin, teilweise über mehr als eine Seite, ohne einen Abschluss zu finden. Als stilistisches Mittel zur Verdichtung der Atmosphäre dient ferner die ausführliche Gesprächswiedergabe, mit der eine Kommunikationsstruktur angedeutet werden soll, wie sie u. a. in der damaligen Hausbesetzungs- und Wohngemeinschaftsszene üblich war.

Literatur

Textausgabe

  • Der kleine Bruder. Roman. Eichborn, Frankfurt am Main 2008, ISBN 978-3-8218-0744-7
    • als Taschenbuch: Goldmann, München 2010, ISBN 978-3-442-47031-0

Hörbuch

Der kleine Bruder, gelesen von Sven Regener (Autorenlesung), 2008, Verlag: Roof Music. ISBN 978-3-938781-79-1

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