Als Entcarbonisierung (auch: Entkarbonisierung, gemeint ist Entcarbonatisierung) werden Verfahren der Wasseraufbereitung bezeichnet, bei denen zur Verminderung der Wasserhärte die Carbonathärte (temporäre Härte), jedoch nicht die permanente Härte des Wassers vermindert oder beseitigt wird.

Wässer mit zu hoher Carbonathärte sind für die Verwendung als Kühl- und Prozesswasser ohne vorherige Aufbereitung schlecht geeignet. Erwärmung des Wassers führt zur Fällung von Calciumcarbonat (Kesselstein), was zu vielfältigen Schädigungen in Rohrsystemen und auf Oberflächen von Wärmeaustauschern führt. Trinkwässer mit Carbonathärte deutlich über 5–8 °dH sind für viele praktische Verwendungen nachteilig.

Verfahren

Für die teilweise oder weitgehende Verminderung der Carbonathärte von Wässern wurden verschiedene Verfahren entwickelt. Mit einigen Verfahren kann nur die Carbonathärte entfernt und mit anderen auch die Gesamthärte. Die wichtigsten Verfahren für die Entcarbonisierung werden im Folgenden erklärt.

Entcarbonisierung durch Zusatz von Säuren

Durch die Dosierung von Salz- oder Schwefelsäure wird die Carbonathärte in permanente Härte entsprechend der folgenden Reaktionsgleichung umgewandelt:

Calciumanteil der Carbonathärte, also das gelöste Calciumhydrogencarbonat und Salzsäure reagieren zu gelöstem Calciumchlorid und gelöstem Kohlenstoffdioxid, der so genannten freien Kohlensäure.

Der Vorteil dieses Verfahrens ist der geringe apparative Aufwand. Durch die gebildete freie Kohlensäure sind diese Wässer für viele Werkstoffe aber korrosiv. Vor einer Verwendung als Brauchwasser muss die aggressive freie Kohlensäure deshalb möglichst weitgehend entfernt werden. Dies geschieht zum Beispiel, indem das Zusatzwasser vor dem Kühlturm in den Kühlkreislauf eingespeist wird.

Nachteilig bei diesem Verfahren ist, dass der Gesamtsalzgehalt praktisch unverändert bleibt, da die Carbonat- in Nichtcarbonathärte umgewandelt wird. Bei der Verwendung von Schwefelsäure ist die Bildung des relativ schwer löslichen Calciumsulfat-Dihydrates (Gips) zu beachten, das deshalb die Anwendung dieser Säure begrenzt.

Kalkentcarbonisierung

Bei der Kalkentcarbonisierung wird Kalkmilch (normalerweise eine Aufschlämmung von Calciumhydroxid (Kalkhydrat) in Wasser) dem Wasser zudosiert und dadurch Calciumcarbonat entsprechend der folgenden Gleichung ausgefällt:

Calciumanteil der Carbonathärte und Calciumhydroxid reagieren zu Calciumcarbonat und Wasser.

Man unterscheidet zwei unterschiedliche Verfahren und zwar die Langzeit-Entcarbonisierung und die Schnell-Entcarbonisierung.

Die vereinfachte Verfahrensskizze zeigt einen Reaktor für eine Langzeit-Entcarbonisierung. Von den verschiedenen gebräuchlichen Ausführungen wird ein Reaktor mit Wasserinjektor dargestellt. Bei diesem Typ erfolgt die Mischung von Rohwasser mit den Chemikalien für die Fällung und mit bereits gebildetem Carbonatschlamm durch einen Injektor. Statt eines Injektors für die Mischung werden bei anderen Bauweisen hierfür Rührwerke verwendet. Weiteres Zubehör, wie beispielsweise eine Räumerbrücke, an der die Inneneinbauten mit dem Schlammräumer befestigt werden, sind in der Skizze nicht dargestellt.

Bei allen Langzeit-Reaktoren wird das gebildete Calciumcarbonat als Schlamm ausgefällt. Dies geschieht in drucklosen Behältern, die bei größeren Durchsatzmengen überwiegend aus dem Material Beton bestehen. Die Reaktoren werden Klärbehälter/Klärer oder Flocker genannt. Weiterhin werden Firmenbezeichnungen des Anlagenerbauers, wie zum Beispiel Pulsator, verwendet, die spezielle Eigenschaften oder Bauformen betreffen.

Häufig wird neben der Kalkmilch auch ein Flockungsmittel, zum Beispiel Eisen(III)-chlorid, und ein Flockungshilfsmittel zugesetzt. Hierdurch wird die Klärung, das heißt das Absetzverhalten der ungelösten Substanzen, erhöht und verbessert. Bei verschmutzten Oberflächenwässern werden neben dem gebildeten Calciumcarbonat auch die Feststoffe und kolloidale Verunreinigungen des Rohwassers im Schlamm mit abgeschieden.

Zu beachten bei der Kalkentcarbonisierung ist, dass überwiegend nur Calciumcarbonat ausgeschieden wird. Magnesium-Ionen werden wegen der deutlich größeren Löslichkeit des Magnesiumcarbonates nicht ausgefällt. Durch einen höheren Zusatz an Kalkmilch könnte zwar schwer lösliches Magnesiumhydroxid gebildet werden. Dieses Hydroxid ist jedoch sehr feinflockig und neigt zudem zur zeitverzögerten Ausflockung. Auf die Fällung von Magnesium wird deshalb bei normalen Temperaturen verzichtet.

Der minimal erreichbare Gehalt an Restcarbonathärte nach der Entcarbonisierung beträgt < 2 °dH. Dieser niedrige Restwert ist jedoch nur bei Rohwässern ohne nennenswerten Anteil an Magnesium-Carbonathärte erreichbar. Durch die Ausfällung des Calciumcarbonates wird der Salzgehalt vermindert und das Wasser damit „teilentsalzt“.

Bei der Langzeit-Entcarbonisierung nach Reaktor sind Feststoffgehalte von 3–6 mg/l erreichbar. Besonders bei Trinkwasser und einer weitergehenden Wasser-Aufbereitung erfolgt nach der Entcarbonisierung eine anschließende Filtration.

Bei der Schnell-Entcarbonisierung wird dem Rohwasser ebenfalls Kalkmilch zudosiert. Zusätzlich wird jedoch feiner Sand als Kristallisationskeime periodisch zugesetzt. Das Calciumcarbonat kristallisiert an der Oberfläche des Sandes aus und bildet feste kristallisationsaktive Carbonatkugeln, auch Hartkorn genannt. In dem von unten nach oben durchströmten Reaktoren bilden die Carbonatkugeln ein Schwebebett. Nach Erreichung von etwa 10–15 mm Durchmesser werden die Kugeln hydraulisch periodisch ausgeschleust. Nachfolgend eine Skizze für einen kegelförmigen Schnellreaktor mit den verfahrenstechnischen Einbauten und notwendigen Rohranschlüssen:

Die Entcarbonisierung wird in etwa 8–20 m hohen, kegelförmigen oder zylindrischen Druckbehältern durchgeführt. Vorteilhaft bei diesem Verfahren im Vergleich zum Langzeitverfahren sind die deutlich geringeren Abmessungen bei gleicher Anlagenleistung und die Durchführung unter Druck. Die Bildung eines festen Abfallproduktes statt voluminösem Schlamm bei gleichem Rest-Carbonatgehalt ist ebenfalls ein Vorteil. Allerdings können nur relativ feststoffarme Rohwässer aufbereitet werden. Rohwässer mit höheren Gehalten an gelöstem Eisen und Mangan behindern wie höhere Feststoffgehalte die Anlagerung des Calciumcarbonates an die Oberfläche der Carbonatkugeln.

Der Feststoffgehalt hinter dem Reaktor ist höher als bei der Langzeit-Entcarbonisierung. Eine anschließende Filtration ist deshalb fast immer vor einer Verwendung erforderlich. Bei dieser Filterung kommt es durch Nachreaktionen noch zu einer weiteren messbaren Reduzierung der Carbonathärte.

Sonstige Fällungs-Verfahren

Außer den vorstehenden aktuellen gibt es weitere ältere Verfahren, die durch neue Entwicklungen und aus wirtschaftlichen Gründen kaum oder nur noch selten angewendet werden. Zu diesen Verfahren gehören:

Heißentkieselung

Bei der Heißentkieselung, die normalerweise bei etwa 65 °C erfolgt, wird sowohl die Carbonathärte wie auch der Gehalt an Kieselsäuren in einem Wasser vermindert. Die Fällung wird mit einer Suspension von gelöschtem und gebrannten Magnohydrat durchgeführt. Die Gleichung für diese Reaktion lautet:

Magnohydrat reagiert mit Carbonathärte + Kieselsäure zu ungelöstem Calciumcarbonat + Magnesiumsilikat + Wasser

Nach einer vorgeschalteten gründlichen Mischung des erwärmten Rohwassers mit der Magnohydrat-Suspension und rückgeführtem Schlamm erfolgt die Fällung in zylindrischen Reaktoren. Nach dem Reaktor wird eine Filterung vorgenommen, die über eine kieselsäurefreie Masse, wie beispielsweise ungebranntes Dolomit, durchgeführt wird. An Restgehalte für die Carbonathärte und die Kieselsäure werden Werte von ‹ 2,0 °dH und ‹ 1 mg/l SiO2 erreicht.

Da Calciumcarbonat und Magnesiumsilikat ausfällt, wird auch bei der Heißentkieselung das Wasser teilentsalzt.

Kalk-Soda-Verfahren

Eines der ältesten Verfahren zur weitgehenden Entfernung der Carbonat- und Nichtcarbonathärte ist das Kalk-Soda-Verfahren. Weitere Angaben hierzu unter Wasserenthärtung.

Lauge-Fällung

Bei Verwendung von Natriumhydroxid-Lösung (Natronlauge) statt Kalkmilch sind vergleichbare Fällungen möglich. Sowohl die Langzeit- wie auch die Schnell-Entcarbonisierung können durchgeführt werden. Da Kalk aber preisgünstiger als Natronlauge ist, überwiegen bei Verwendung von Kalk die wirtschaftlichen Vorteile. Ein weiterer Nachteil ist die teilweise Umsalzung statt der reinen Teilentsalzung, da ein Teil des CO2 aus der Carbonathärte in gelöstes Natriumcarbonat umgewandelt wird.

Wasserstoff-Entcarbonisierung

Wird auch H-Entcarbonisierung (H von Hydrogenium/Wasserstoff) genannt. Bei diesem Verfahren werden Kationenaustauschharze für die Reduzierung der Carbonathärte verwendet. Hierbei werden die Erdalkali-Ionen der Hydrogencarbonate (= Carbonathärte) von den Säuregruppen der Ionenaustauschharze gegen Abgabe des Wasserstoffes entsprechend der nachfolgenden Reaktionsformel ausgetauscht:

Carbonsäuregruppe des schwach sauren Acrylatharzes reagiert mit Calciumanteil der Carbonathärte zum Calciumsalz des Harzes, Kohlendioxid und Wasser

Der Vorgang dieser Entcarbonisierung ist vergleichbar mit der Säuredosierung. Das entcarbonisierte Wasser enthält den stöchiometrischen Gehalt an freier aggressiver Kohlensäure. Da jedoch keine gelöste Erdalkaliverbindung gebildet wird, erfolgt keine Umsalzung. Entsprechend der Reduzierung der Carbonathärte wird das Wasser teilentsalzt. Im Gegensatz zur Kalk-Entcarbonisierung werden bei diesem Verfahren auch eventuelle Magnesiumanteile der Carbonathärte problemlos entfernt.

Technische Anwendungen

Die aufgeführten Verfahren werden sowohl für die Umsalzung und Teilentsalzung von Rohwässern vor der Verwendung, wie auch als Vorstufe für eine weitergehende Entsalzung eingesetzt. Besonders die Kalk-Entcarbonisierung wird, da Kalkhydrat relativ preisgünstig ist, aus wirtschaftlichen Gründen häufig als Vorstufe größeren Entsalzungsanlagen vorgeschaltet. Weiterhin wird eine stärkere Aufsalzung der anfallenden Abwässer vermieden, da festes Calciumcarbonat abgetrennt wird.

Die Zusatzwässer für größere Brauch- und Kühlwassersysteme in der Industrie und Großkraftwerken werden – falls erforderlich – überwiegend kalkentcarbonisiert.

Die Heißentkieselung war bis zur Entwicklung der stark basischen Anionenaustauscher das wichtigste großtechnische Verfahren, mit dem der Gehalt an Kieselsäure in einem Wasser vermindert werden konnte. Dies war besonders für Kondensation-Kraftwerke erforderlich. Höhere Kieselsäuregehalte im Kesselwasser verursachen wegen der Dampfflüchtigkeit von SiO2 bei höheren Drücken eine Verkieselung der Turbinenschaufeln. Mit der Einführung der stark basischen Anionenaustauscher in den 1950er Jahren verlor dieses Verfahren aber stark an Bedeutung. Inzwischen wird es nur noch in Sonderfällen angewandt.

Es wurde auch ein H-Entcarbonisierungs-Verfahren (CARIX-Verfahren) entwickelt und in die Praxis eingeführt, bei dem die Ionenaustauschharze mit Kohlensäure (Einleiten von CO2) regeneriert werden.

Auch Trinkwasser wird in großtechnischen Anlagen zentral teilentcarbonisiert. Dies ist bei Wässern des Härtebereiches IV – (GH › 3,8mmol/l) – sinnvoll. Hierfür werden auch Membranentsalzungsanlagen wie die Umkehrosmose (UO) bzw. Nanofiltration (NF) eingesetzt. Neben den Härtebildnern Calcium und Magnesium können mit dieser Technik auch die Neutralsalze Chlorid, Nitrat und Sulfat sowie Huminstoffe und organische Mikroverunreinigungen entfernt werden.

Literatur

  • Paul Pracht: Wasser. Babcock Handbuch. Babcock &Wilcox, Oberhausen 1962 (Kapitel: Enthärtung nach dem Fällungsverfahren)
  • VGB-Kraftwerkstechnik. Technische Vereinigung der Großkraftwerksbetreiber, Essen 1985 Heft Nr. 6, ISSN 1435-3199, ab Seite 600
  • GWF / Wasser, Abwasser. Wasser + Abwasser. 1989 Nr. 11, ISSN 0016-3651, ab Seite 569
  • Bbr: Leitungsbau, Brunnenbau, Geothermie. Wirtschafts- u. Verlagsgesellschaft Gas und Wasser, Köln 1994 Heft Nr. 8, ISSN 1611-1478, ab Seite 28

Einzelnachweise

  1. R. Kretzer, K. Schluck: Erfahrungen bei der Kombination von Verfahrensschritten zur Aufbereitung von Kühlturmzusatzwasser. In: VGB-Kraftwerkstechnik, 57 (1977), Jan. Heft 1, S. 35–36.
  2. Heinz Bedford: Zentrale Trinkwasserenthärtung mittels Schnellentkarbonisierung mit Kalk. In: cbr Fachtechnik Wasseraufbereitung, 45 (1994), 8/94, S. 31.
  3. K. Spindler, H. Blöchl, A. Bursik: Flockung und Entcarbonisierung von Wasser in einem Hochleistungsklärer. In: VGB-Kraftwerkstechnik, 65 (1985), Heft 6, S. 604.
  4. Paul Pracht: Wasser. Babcock Handbuch. Babcock &Wilcox, Oberhausen 1962, S. 59.
  5. Paul Pracht: Wasser. Babcock Handbuch. Babcock &Wilcox, Oberhausen 1962, S. 61
  6. Paul Pracht: Wasser. Babcock Handbuch. Babcock &Wilcox, Oberhausen 1962, S. 62.
  7. Klaus Hagen, Wolfgang Hoell: Das CARIX-Verfahren – eine langjährig erprobte Technologie. 2009, Sondernummer GWF Wasser Abwasser, S. W44 bis W48, gwf spezial 1 2009.
  8. DNB 453830986
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