Die Ewigkeitsklausel oder Ewigkeitsgarantie (auch Ewigkeitsentscheidung) ist in Deutschland eine Regelung in Art. 79 Abs. 3 des Grundgesetzes (GG), die eine Bestandsgarantie für verfassungspolitische Grundsatzentscheidungen enthält. Die Grundrechte der Staatsbürger, die demokratischen Grundgedanken und die republikanisch-parlamentarische Staatsform dürfen auch im Wege einer Verfassungsänderung nicht angetastet werden. Ebenso wenig dürfen die Gliederung des Bundes in Länder und die grundsätzliche Mitwirkung der Länder an der Gesetzgebung berührt werden. Auf dieselbe Weise sind auch die Würde des Menschen und die Gesamtstruktur der Bundesrepublik Deutschland als die eines demokratischen und sozialen Rechtsstaats geschützt.

Artikel 79 Absatz 3 GG lautet:

Eine Änderung dieses Grundgesetzes, durch welche die Gliederung des Bundes in Länder, die grundsätzliche Mitwirkung der Länder bei der Gesetzgebung oder die in den Artikeln 1 und 20 niedergelegten Grundsätze berührt werden, ist unzulässig.

Mit dieser Regelung wollte der Parlamentarische Rat den Erfahrungen aus der Zeit des Nationalsozialismus, namentlich dem Ermächtigungsgesetz vom 24. März 1933, begegnen und naturrechtliche Grundsätze in Form der Menschenwürde (vgl. Artikel 1 des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland) sowie der Strukturprinzipien in Artikel 20 (Republik, Demokratie, Bundesstaat, Rechtsstaat und Sozialstaat) mit einer zusätzlichen Sicherung versehen.

Für den Bestand und die Wirksamkeit der Ewigkeitsklausel ist zu unterscheiden zwischen dem Verfassungsgeber als dem pouvoir constituant und dem verfassungsändernden Gesetzgeber als verfasster Staatsgewalt, der zu den pouvoirs constitués gehört. Zwischen beiden besteht ein Rangverhältnis: Als verfasstes Staatsorgan ist der verfassungsändernde Gesetzgeber der Verfassung untergeordnet. Er hat seine Kompetenz aufgrund der Verfassung und nur im Rahmen der Verfassung. Gemäß Art. 20 Abs. 3 GG ist die Gesetzgebung daher an die verfassungsmäßige Ordnung gebunden. Daraus ergibt sich eine Normenhierarchie zwischen dem Verfassungsrecht und einem die Verfassung ändernden Parlamentsgesetz.

Bis zu einer Ersetzung des Grundgesetzes durch eine andere Verfassung (Art. 146 GG) kann die Ewigkeitsklausel nach heute herrschender Meinung nicht aufgehoben werden. Mit der Normierung einer Unabänderbarkeitsklausel wird implizit – ungeschrieben – vorausgesetzt, dass diese Klausel selbst ebenfalls unabänderbar ist.

Die Bezeichnung „Ewigkeitsklausel“ selbst steht nicht im Grundgesetz, sondern gehört eher der juristischen Umgangssprache an. Das Bundesverfassungsgericht spricht in dem Lissabon-Urteil aber selbst von „der sogenannten Ewigkeitsgarantie“.

Umfang

Gesetze dürfen Folgendes nicht antasten:

Diese Grundprinzipien sind dem Zugriff parlamentarischer Mehrheiten entzogen. Weil über Streitfälle das Bundesverfassungsgericht entscheidet, steht dieses insoweit über dem Gesetzgeber.

Nach dem Wortlaut von Artikel 79 Absatz 3 GG können nur die in den Artikeln 1 und 20 GG niedergelegten Grundsätze nicht geändert werden. Der Schutz der Ewigkeitsklausel erstreckt sich grundsätzlich auch über Art. 1 Grundgesetz in alle weiteren Grundrechte, sofern diese Konkretisierungen des Achtungsanspruchs der Menschenwürde sind. In quantitativer Hinsicht ist dies im Detail strittig. So können zwar die Grundrechte geändert werden, und sie müssen den Anforderungen von Art. 19 Abs. 1 und 2 GG genügen; jedoch ist strittig, ob der Kern eines Grundrechts mit dem ihm ebenfalls innewohnenden Menschenwürdegehalt deckungsgleich ist. Das Bundesverfassungsgericht hatte schon 1971 im Abhörurteil entschieden: „Art. 79 Abs. 3 GG verbietet eine prinzipielle Preisgabe der dort genannten Grundsätze, hindert jedoch nicht, durch verfassungsänderndes Gesetz auch elementare Verfassungsgrundsätze systemimmanent zu modifizieren.“ Im Urteil zum Großen Lauschangriff äußert sich das Bundesverfassungsgericht zu dem von der Ewigkeitsgarantie geschützten Kernbereich der Grundrechte: „In Verbindung mit der in Art. 1 Abs. 3 GG enthaltenen Verweisung auf die nachfolgenden Grundrechte sind deren Verbürgungen insoweit der Einschränkung durch den Gesetzgeber grundsätzlich entzogen, als sie zur Aufrechterhaltung einer dem Art. 1 Abs. 1 und 2 GG entsprechenden Ordnung unverzichtbar sind“.

Rechtsstaatlichkeit

Nicht eine einzelne Norm, sondern mehrere Bestimmungen des Grundgesetzes sollen garantieren, dass die Ausübung aller staatlichen Gewalt in der Bundesrepublik Deutschland umfassend an das Recht gebunden ist (Art. 20 Abs. 3 GG). In ihrer Gesamtheit machen diese Grundsätze die Rechtsstaatlichkeit Deutschlands aus. Es finden sich – mittelbar auch für seine Geltung in Art. 28 Abs. 1 Satz 1 GG – zwar an verschiedenen Stellen weitere Merkmale des Rechtsstaatsprinzips, zum Beispiel Art. 19 Abs. 4 GG. Diese stehen jedoch nicht unter dem Schutz der Ewigkeitsklausel. Das ist allerdings strittig.

Widerstandsrecht

Das in Art. 20 Abs. 4 Grundgesetz garantierte Widerstandsrecht fällt nicht unter diesen Schutz, da es erst später in Art. 20 GG eingefügt wurde. Diese Ansicht ist unter Verfassungsrechtlern heute kaum umstritten. Argumentiert wird im Wesentlichen, dass die Ewigkeitsklausel auch umgekehrt gelte und es nicht zulasse, eine Entscheidung des verfassungsändernden Gesetzgebers künftigen Änderungen zu entziehen, mag dies durch systematisches Hinzufügen zu Art. 20 GG oder durch ausdrückliche Unabänderlichkeitserklärung geschehen. Denn der verfassungsändernde Gesetzgeber dürfe nicht entscheiden, wo die Grenzen seiner Änderungsmacht liegen. Diese Festlegung des Verfassungsgebers sei einmalig und nachhaltig durch Art. 79 GG getroffen worden.

Rechtsfolgen

Kommt es doch zu einer solchen unzulässigen Verfassungsänderung, so entsteht verfassungswidriges Verfassungsrecht, das damit unwirksam ist.

Selbstschutz der Ewigkeitsklausel

Dass Art. 79 Abs. 3 Grundgesetz ebenfalls den Schutz der Unabänderlichkeit genießt, wird allgemein angenommen, obwohl es nicht dem Wortlaut zu entnehmen ist. Die funktionale Interpretation spricht jedoch dafür, denn andernfalls würde die Schutzwirkung sinnlos werden, was nicht dem Zweck der Norm und der Zielsetzung des Verfassungsgebers entspräche. Neben einer immanenten Begründung werden für die Unabänderlichkeit der Ewigkeitsklausel auch überpositive Gründe vertreten.

Schon in einem Aufsatz aus dem Jahre 1952 hat der Verfassungsrechtler Theodor Maunz erkannt, was er als Gebot der „Normlogik“ bezeichnet hat: dass Art. 79 Abs. 3 GG seine Schutzwirkung nur erreichen kann, wenn die Unantastbarkeit, die er für bestimmte Verfassungsgrundsätze ausspricht, auch für ihn selbst gilt. Das bedeutet, dass auch die Begründung der Unantastbarkeit in Art. 79 Abs. 3 GG selbst der Ewigkeitsklausel unterliegt.

Die Ewigkeitsklausel verhindert jedoch nicht, dass sich das deutsche Volk eine das Grundgesetz ablösende Verfassung schaffen könnte, auch wenn diese Veränderungen mit sich bringt, die eigentlich durch die Ewigkeitsklausel verhindert werden sollen. Diese Möglichkeit, eine neue Verfassung zu schaffen, sieht Art. 146 Grundgesetz in der alten wie in der neuen Fassung – hiernach äußerstenfalls als Totalrevision des Grundgesetzes – vor. Einige Verfassungsrechtler haben allerdings angenommen, dass Art. 146 GG a.F. mit der deutschen Wiedervereinigung außer Kraft getreten sei und dass die neue Fassung unwirksam sei, soweit sie Änderungen betreffe, die nach Art. 79 Abs. 3 GG unzulässig sind. Das Bundesverfassungsgericht sieht Art. 146 GG als wirksam an, hat aber ausdrücklich offengelassen, ob sogar die verfassungsgebende Gewalt an die in der Ewigkeitsklausel geschützten Grundsätze „schon wegen der Universalität von Würde, Freiheit und Gleichheit“ gebunden ist.

Konsequenzen

Die Ewigkeitsklausel soll zum Beispiel eine Auflösung des Bundes während der Gültigkeit des Grundgesetzes verunmöglichen und würde den Weg zu einem nicht föderal organisierten Staatswesen – etwa nach französischem Muster eines zentralistischen Staatsaufbaus – oder der Einführung einer parlamentarischen Monarchie nach dem Vorbild der westeuropäischen Nachbarmonarchien verbauen. Derartige Änderungen erfordern demnach eine neue Verfassung für Deutschland, die das geltende Grundgesetz rechtswirksam außer Kraft setze.

Europäische Einigung

Die europäische Integration, die mit einer zunehmenden Verlagerung von Kompetenzen auf die Unionsebene einhergeht, tangiert die Bundes-, Rechts- und Sozialstaatlichkeit sowie die nationale Demokratie als Verfassungsprinzipien des Grundgesetzes. Den Inhalt der unantastbaren Verfassungsprinzipien hat das Bundesverfassungsgericht im Maastricht- und im Lissabon-Urteil näher definiert. Für die Begründung der Europäischen Union sowie für Änderungen ihrer vertraglichen Grundlagen und vergleichbare Regelungen, durch die das Grundgesetz seinem Inhalt nach geändert oder ergänzt wird oder solche Änderungen oder Ergänzungen ermöglicht werden, verweist Art. 23 Abs. 1 Satz 3 GG auch auf die Ewigkeitsklausel des Art. 79 Abs. 3 GG.

Die Grundsätze des Demokratiegebots nach Art. 20 Abs. 1 und 2 und Art. 79 Abs. 3 GG, die das Budgetrecht des Parlaments als zentrales Element der demokratischen Willensbildung garantieren, wurden mit den deutschen Zustimmungsgesetzen zum Vertrag über Stabilität, Koordinierung und Steuerung in der Wirtschafts- und Währungsunion (SKSV) und dem Vertrag zur Einrichtung des Europäischen Stabilitätsmechanismus (ESMV) in Frage gestellt; das Bundesverfassungsgericht hat sie jedoch als verfassungsgemäß gebilligt.

Siehe auch

Literatur

  • Hauke Möller: Die verfassungsgebende Gewalt des Volkes und die Schranken der Verfassungsrevision: Eine Untersuchung zu Art. 79 Abs. 3 GG und zur verfassungsgebenden Gewalt nach dem Grundgesetz. Diss., Universität Hamburg, 2004 (PDF; 831 kB).
  • Otto Ernst Kempen: Historische und aktuelle Bedeutung der „Ewigkeitsklausel“ des Art. 79 Abs. 3 GG. In: Zeitschrift für Parlamentsfragen 21.1990, S. 354–366.
  • Carl Schmitt: Verfassungslehre. 1928, 4. Auflage 1968. (Insbesondere S. 11 ff., 25 f., 102 ff.)

Einzelnachweise

  1. Bundeszentrale für politische Bildung: Vor 85 Jahren: Reichstag verabschiedet Ermächtigungsgesetz, 23. März 2018. Abgerufen am 23. Juni 2018.
  2. Dietrich Murswiek: Ungeschriebene Ewigkeitsgarantien in Verfassungen, Universität Freiburg 2008, S. 4.
  3. Dazu Josef Isensee, in: Christian Hillgruber/Christian Waldhoff (Hg.): 60 Jahre Bonner Grundgesetz – eine geglückte Verfassung?, V&R unipress, Göttingen 2010, S. 135, 137.
  4. Theodor Maunz: Starke und schwache Normen in der Verfassung, in: Festschrift für Wilhelm Laforet, 1952, S. 141 (145); Klaus Stern: Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland, Bd. I, 2. Aufl. 1984, S. 115 f.
  5. BVerfG, Urteil des Zweiten Senats vom 30. Juni 2009 – 2 BvE 2/08 –, Rn. 216 und 218.
  6. 1 2 BVerfG, Urteil vom 3. März 2004, Az. 1 BvR 2378/98 und 1 BvR 1084/99 – Großer Lauschangriff.
  7. BVerfG, Urteil vom 15. Dezember 1970, Az. 2 BvF 1/69, 2 BvR 629/68, 308/69, BVerfGE 30, 1 = NJW 1971, 275 – Abhörurteil.
  8. BVerfG, Urteil vom 3. März 2004, Az. 1 BvR 2378/98, Rn. 109.
  9. Vgl. Mangoldt/Klein, GG-Kommentar; v. Münch, GG-Kommentar.
  10. Nachweise bei Hauke Möller, Die verfassungsgebende Gewalt des Volkes und die Schranken der Verfassungsrevision, S. 163 ff.
  11. Konrad Hesse: Grundzüge des Verfassungsrechts der Bundesrepublik Deutschland, Rz. 761.
  12. So Christian Starck, Verfassungen: Entstehung, Auslegung, Wirkungen und Sicherung, Mohr Siebeck, Tübingen 2009, ISBN 978-3-16-149916-6, S. 49.
  13. BVerfG, 2 BvE 2/08 vom 30. Juni 2009, Absatz-Nr. 217.
  14. Dazu Horst Dreier, Idee und Gestalt des freiheitlichen Verfassungsstaates, Mohr Siebeck, Tübingen 2014, S. 273–275.
  15. Carmen Thiele: Stabilität und Dynamik der Verfassungsprinzipien des Grundgesetzes der Bundesrepublik Deutschland, 2013.
  16. BVerfG, Urteil vom 18. März 2014 – 2 BvR 1390/12
  17. Hannes Rathke: Aktueller Begriff Europa: Das ESM-Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 18. März 2014, Deutscher Bundestag/Fachbereich Europa, 7. April 2014.

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