Bei einer Flussbegradigung werden die natürlicherweise vorkommenden Mäander eines Flusses an ihren Hälsen durchstochen. Der Flussverlauf wird dadurch kürzer und gerader; das Wasser fließt schneller. Aus der abgeschnittenen Flussschleife (dem Mäanderbogen) kann ein Altwasser entstehen. Flussbegradigung ist eine Maßnahme des Flussbaus, die eine deutliche Verschlechterung der Gewässergüte bewirkt.

Geschichte

Die Römer bauten zahlreiche Wasserleitungen und Aquädukte, griffen aber nur selten direkt in Flusslandschaften ein, wie zum Beispiel bei der Umleitung des Flusses Velino in die Nera im Jahr 271 v. Chr., wodurch mit dem Cascata delle Marmore der bis heute höchste künstliche Wasserfall der Welt entstand. Erst im Spätmittelalter begannen die Menschen vermehrt mit der Korrektur von Gewässern, unter anderem durch Flussbegradigungen.

Um 1360 wurde begonnen, den Hauptarm der Donau an die Stadt Ingolstadt heranzuführen (vgl. Sandrach).

Der erste urkundlich belegte Versuch einer Schleifenbegradigung in Deutschland fand im Jahr 1391 bei Liedolsheim am Rhein statt.

Im 19. Jahrhundert wurden zahlreiche Varianten von dampfbetriebenen Baggern konstruiert und gebaut. Für den Bergbau und für den Bau von Kanälen für Schifffahrt, Bewässerung und Entwässerung wurden leistungsfähige Eimerkettenbagger und Schaufelradbagger entwickelt und gebaut. Etwa seit den 1920er Jahren gibt es Baumaschinen wie Bagger, Planierraupen, Laderaupen, die von Verbrennungsmotoren angetrieben werden. Diverse Fahrwerke ermöglichen ihren Einsatz auch in unwegsamem Gelände.

Zielsetzung

Häufig dienen Flussbegradigungen dazu, den Fluss für die Schifffahrt nutzbar zu machen. Manchmal steht auch die Landgewinnung oder die dauerhafte Festlegung von Landes-, Gemeinde- und Grundstücksgrenzen im Vordergrund. Wird der Flusslauf baulich festgelegt, kann – bei entsprechenden wasserbaulichen Maßnahmen, wie beispielsweise geplante Retentionsflächen – sogar ein Hochwasserschutz erreicht werden. In der Regel steigern Begradigungen allerdings die Hochwasserprobleme.

Durch die Verlandung von Altarmen infolge von Flussbegradigungen konnte die Malaria in den 1960er Jahren in Deutschland ausgerottet werden. Allerdings verminderte sich auch der sonstige Artenreichtum.

Üblicherweise wurde bei sedimentreichen Flüssen neben dem Durchstechen der Flussschleifen bzw. Umlaufberge erst eine verhältnismäßig niedrige Uferbefestigung mittels Faschinen vorgenommen, die unterhalb der Hochwasserlinie lagen. Bei Hochwasser konnte sich das Flussbett in das Überschwemmungsgebiet ausbreiten, was die Strömungsgeschwindigkeit wieder etwas minderte. Geröll konnte sedimentieren und das Land hinter dem Damm erhöhen.

Allerdings wurde nach mehrfacher Erhöhung des Hinterlandes oft ein Hochwasserdamm angelegt und das so gewonnene Hinterland bebaut, wodurch die Strömungsgeschwindigkeit und der Wasserstand im Hochwasserfall extrem stark zunahm.

Anwendungsbeispiele

In Deutschland gibt es nur noch sehr wenige naturnah mäandrierende Flüsse. Bekannte Beispiele für Flussbegradigungen sind die Juragewässerkorrektion im Schweizer Seeland und die Begradigung einiger Rhein-Abschnitte.

Weitere bekannte Beispiele in Deutschland sind die Rheinbegradigung (1817–1876) und die Weserkorrektion (1887–1895). Flussbegradigungen wurden aber auch bis in die 2. Hälfte des 20. Jahrhunderts an etlichen kleineren Gewässern durchgeführt.

Mittlerweile ist es das Ziel der Europäischen Union, im Rahmen der Wasserrahmenrichtlinie einen möglichst naturnahen Zustand mit höherer Gewässergüte wiederherzustellen. Dies kann im Einzelfall auch zu einem Rückbau vorangegangener Flussbegradigungen führen.

Nachteile

Hochwassergefahr

Die meisten Flüsse im Flachland haben eine natürliche Tendenz zur Bildung von Mäandern und daher zum langsamen Fließen, was bei seitlichen Brachflächen eine natürliche Dämpfung von Hochwasser mit sich bringt. Die Flussbegradigung verschlechtert die Hydromorphologie und führt dazu, dass stromabwärts die Überschwemmungsgefahr steigt. Durch die höhere Fließgeschwindigkeit kommt es vor, dass nun mehrere Nebenflüsse ihr (rascher kommendes) Hochwasser gleichzeitig in den Unterlauf abgeben. Aus ähnlichen Gründen werden auch Begradigungen in den quellnahen Gebirgsgebieten für Hochwasser mitverantwortlich gemacht. Mancherorts laufen daher Bemühungen zur Renaturierung der Oberläufe, was schon wegen der geringeren Größe leichter gelingt als bei den großflächigen Regulierungen im Mittel- oder Unterlauf.

Absenkung des Grundwasserspiegels

Flussbegradigungen senken in der Regel den Grundwasserspiegel, beispielsweise bei der Begradigung der Tauber in den 1890er Jahren. Die Landwirte konnten auf den angrenzenden Flächen in der Folge weniger Grünfutter für ihre Nutztiere erzeugen und waren gezwungen, einzelne Wiesenabschnitte durch Wassergräben und Wassersperren künstlich zu bewässern.

Beeinträchtigung des Ökosystems

Aus ökologischer Sicht werden Flussbegradigungen negativ bewertet, weil sie das Ökosystem eines Fließgewässers beeinträchtigen, verkleinern oder sogar vernichten. Das in der europäischen Wasserrahmenrichtlinie formulierte Ziel einer hohen Gewässergüte ist bei begradigten Flussläufen nicht zu erreichen, da viele in den Flüssen oder den angrenzenden Auen lebende oder sich dort fortpflanzende seltene Tierarten wie Fische, Otter, Muscheln oder Wasservögel und viele Pflanzenarten durch Flussbegradigungen und die Vernichtung der Altarme ihren Lebensraum verlieren.

Siehe auch

Commons: Flussbegradigung – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. 1 2 Die Zeit: Hochwasser: "Die Leute sollten aus Flutgebieten wegziehen". 14. Juni 2013. Online auf www.zeit.de. Abgerufen am 18. Dezember 2016.
  2. Über den Flußbau am Oberrhein von 1391 bis 1660 bei Liedolsheim, Speier, Stockstatt. Zeitschrift für die Geschichte des Oberrheins 1. 1850, S. 303ff. (S. 367 ff. des Digitalisats)
  3. Fränkische Nachrichten: Die Tauberwiesenwässerungsgenossenschaft: Ein Unikat im Taubertal aus dem 19. Jahrhundert. Kulturdenkmal entlang der Tauber. 15. August 2015. Online auf www.fnweb.de. Abgerufen am 18. Dezember 2016.
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