Franz Ludwig Baumann, ab 1908 Ritter von Baumann, (* 8. Juni 1846 in Leutkirch im Allgäu; † 2. Oktober 1915 in Bad Adelholzen) war ein deutscher Historiker, Archivar und prominentes Mitglied des Heimatvereins Kempten.

Biografie

Franz Ludwig Baumann, als Spross einer „alten weitverzweigten Bauernfamilie des Allgäus“ in Wangen aufgewachsen, studierte nach dem Besuch des Humanistischen Gymnasiums Kempten an der Ludwig-Maximilians-Universität München Geschichte, Rechtsgeschichte und Theologie. Dort wurde er Mitglied des katholischen Studentenvereins Ottonia. Ab 1872 wirkte er als Archivar am Fürstlich Fürstenbergischen Archiv in Donaueschingen, zunächst als Kanzlist und Archivregistrator an der Seite Sigmund Riezlers, ab 1882 als Vorstand des Archivs. In dieser Zeit besorgte er die Geschäftsführung („Pflegschaft“) des Vereins für Geschichte des Bodensees und seiner Umgebung in Donaueschingen. Nachdem er 1895 in den bayerischen Archivdienst eingetreten war, wurde er 1903 zum Direktor des Reichsarchivs München ernannt. Baumann gehörte seit 1895 der Bayerischen Akademie der Wissenschaften als außerordentliches, seit 1906 als ordentliches Mitglied an. 1908 erhielt er das Ritterkreuz des Verdienstordens der Bayerischen Krone, womit der persönliche Adelsstand (Titel Ritter von Baumann) verbunden war. Seit 1873 war er mit Silvanie, Tochter des Bildhauers Joseph Otto Entres, verheiratet und damit Schwager des Parlamentariers Georg von Orterer.

In seinen Veröffentlichungen befasste sich Franz Ludwig Baumann vorwiegend mit der Geschichte Schwabens. Mit den Hypothesen, die er 1879 in einer Arbeit über die Gaugrafschaften im wirtembergischen Schwaben aufstellte, prägte er die Forschungen zur frühmittelalterlichen Verfassungsgeschichte nachhaltig. Sein Hauptwerk als Autor, die dreibändige Geschichte des Allgäus, erschien ab 1883. Daneben trat er als Bearbeiter und Herausgeber von Quellensammlungen zur Landesgeschichte hervor. Die ersten dieser Publikationen hatten den Bauernkrieg in Oberschwaben zum Thema. In Zusammenarbeit mit Riezler entstand das ab 1877 in sieben Bänden erschienene Fürstenbergische Urkundenbuch, das sämtliche Urkunden zur Geschichte des Hauses Fürstenberg und seiner Besitzungen in Schwaben bis zum Jahr 1509 – teils als Volltext, teils als Regest – enthält. An dieses Werk knüpft die den Zeitraum bis 1617 umfassende Quellensammlung an, die Baumann zusammen mit Georg Tumbült, seinem Nachfolger als Archivrat in Donaueschingen, herausgab.

Werke (Auswahl) und Bedeutung

als Verfasser
  • Die Gaugrafschaften im wirtembergischen Schwaben: ein Beitrag zur historischen Geographie Deutschlands. Kohlhammer, Stuttgart 1879 (Digitalisat).
  • Abgegangene und umbenannte Orte der badischen Baar und der Herrschaft Hewen. In: Schriften des Vereins für Geschichte und Naturgeschichte der Baar, Band 3 (1880).
  • Die Ortsnamen der badischen Baar und der Herrschaft Hewen. In: Schriften des Vereins für Geschichte und Naturgeschichte der Baar, Band 4 (1882).
  • Geschichte des Allgäus. Band 1 bis 3. Kösel, Kempten 1883–1894.
  • Die Territorien des Seekreises 1800. Braun, Karlsruhe 1896 (Badische Neujahrsblätter 4).
  • Forschungen zur schwäbischen Geschichte. Kösel, Kempten 1899.
als Herausgeber
  • Quellen zur Geschichte des Bauernkriegs in Oberschwaben. Literarischer Verein, Stuttgart 1876.
  • Akten zur Geschichte des deutschen Bauernkrieges aus Oberschwaben. Herder, Freiburg 1877.
  • (mit Sigmund Riezler) Fürstenbergisches Urkundenbuch. Band 1 bis 7. Laupp, Tübingen 1877–1891.
  • (mit Georg Tumbült) Quellen zur Geschichte des fürstlichen Hauses Fürstenberg und seines ehedem reichsunmittelbaren Gebietes 1510–1617. Band 1 und 2. Tübingen 1894–1902.

Der renommierte Geschichtswissenschaftler Peter Blickle bezeichnet Franz Ludwig Baumann als den bedeutendsten Historiker Oberschwabens. Mit seinen Veröffentlichungen beginne außerdem ein neuer Abschnitt in der Erforschung des Bauernkriegs. Die Gesellschaft Oberschwaben für Geschichte und Kultur verleiht seit 1997 einen Preis für hervorragende wissenschaftliche Leistungen, der nach Franz Ludwig Baumann benannt ist.

Literatur

  • (Redaktion): Baumann, Franz Ludwig v.. In: Neue Deutsche Biographie (NDB). Band 1, Duncker & Humblot, Berlin 1953, ISBN 3-428-00182-6, S. 652 (Digitalisat).
  • Karl Siegfried Bader: Archiv und geschichtliche Landesforschung. Ein Jahrhundert wissenschaftliche Arbeit im Fürstenberg-Archiv zu Donaueschingen. In: Archivalische Zeitschrift. Band 50/51, 1955, S. 57–69.
  • Karl Bader: Lexikon deutscher Bibliothekare im Haupt und Nebenamt bei Fürsten, Staaten und Städten. Harrassowitz, Leipzig 1925 (Zentralblatt für Bibliothekswesen, Beiheft; 55), S. 10.
  • Peter Blickle: Der Franz Ludwig Baumann-Preis der Gesellschaft Oberschwaben. In: Im Oberland (1998), Heft 2, S. 39–43.
  • Bernhard Löffler: Franz Ludwig von Baumann, Georg von Jochner und Georg von Hertling. Anmerkungen zur Politik- und Wissenschaftsgeschichte Bayerns im Kaiserreich. In: Historisches Jahrbuch 116 (1996), S. 72–101.
  • Bernhard Zittel: Franz Ludwig von Baumann. In: Götz von Pölnitz (Hrsg.): Lebensbilder aus dem Bayerischen Schwaben (= Veröffentlichungen der Schwäbischen Forschungsgemeinschaft bei der Kommission für Bayerische Landesgeschichte. Reihe 3, ISSN 0515-8974). Band 6. Hueber, München 1958, S. 468–494.
Wikisource: Franz Ludwig Baumann – Quellen und Volltexte

Einzelnachweise

  1. Lebensbilder aus dem Bayerischen Schwaben, Band 6, S. 470.
  2. Ralf Lienert: Eine der ältesten Schulen Bayerns. In: all-in.de. 30. August 2004, abgerufen am 5. März 2023.
  3. Hermann Cardauns: Fünfzig Jahre Kartell-Verband. Kempten & München 1913, S. 56.
  4. Harald Derschka: Der Verein für Geschichte des Bodensees und seiner Umgebung. Ein Rückblick auf einhundertfünfzig Jahre Vereinsgeschichte 1868–2018. In: Schriften des Vereins für Geschichte des Bodensees und seiner Umgebung, 136, 2018, S. 1–303, hier: S. 226.
  5. Mitgliedseintrag von Franz Ludwig Ritter von Baumann (mit Link zu einem Nachruf) bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, abgerufen am 7. Januar 2017.
  6. Dieter Albrecht (Hrsg.): Die Protokolle der Landtagsfraktion der bayerischen Zentrumspartei 1893–1914. Band 1:1893–1899. München 1989, S. 386.
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