Gerhard van Wou [vaʊ̯], auch Geert Wou van Kampen, Gerhard Wou van Kampen, Gerhard de Wou (* um 1440 in Hintham; † Dezember 1527 in Kampen) war ein niederländischer Glockengießer. Er schuf 1497 die Gloriosa für den Erfurter Dom, die im Allgemeinen als sein Meisterwerk betrachtet wird.
Leben und Wirken
Als Sohn des Glockengießers Willem van Wou kam er schon sehr früh mit dem Handwerk des Glockengießens in Berührung.
Von 1474 befindet sich ein Eintrag im Bürgerbuch von Herzogenbusch, in dem er als „Magister Gerardus de Woude“ genannt wird. Ab 1482 ist er in Kampen ansässig.
Er wird heute als einer der bedeutendsten Glockengießer des ausgehenden Mittelalters angesehen. Van Wou wurde jedoch nicht nur durch das Gießen von Glocken reich, so wurde er zum Beispiel in Rechnungen der Stadt Nijmegen als „meyster Geryt bussengieter“ (Kanonengießer) bezeichnet, was den Schluss nahelegt, dass er auch andere Gussarbeiten durchführte.
Van Wou wandte als erster seines Faches konsequent diejenige Gesetzmäßigkeit an, die besagt, dass bei gleichbleibender Legierung und bei gleich proportionierten Rippen (Längsprofil einer Glocke) die Frequenzen der Schlagtöne im umgekehrten Verhältnis zu den unteren Durchmessern der Glocken stehen. So gelang es ihm, die geforderten Schlagtöne sehr genau zu berechnen und damit auch zu treffen, während das Treffen von Schlagtönen bis zu diesem Zeitpunkt eher als Glücksfall zu bezeichnen ist. Im Jahre 1505 goss er 13 Glocken für den Utrechter Dom in einer lückenlosen Tonleiter (Diatonik) von fis0 bis cis2. In einigen Inschriften wird das jeweilige Intervall genannt, welches jeweils zum Schlagton der großen Glocke (fis0) Bezug nimmt. Beispielsweise steht auf der fünften Glocke Baptista:
DULCIS CUM DIAPENTE VENIO DEO
CHARUS SANCTA PATRUM LUX QZ FIDE FUI
ET SPE VASTI HEREMI DECUS
GERHARDUS DE WOU ME FECIT
ANNO DOMINI MCCCCCV.
Das Wort diapente bedeutet Quinte; der Schlagton der Glocke ist cis1. Gerhard van Wou war außerdem in der Lage, mit dem oben genannten Verfahren auch tonlich passende Glocken zu bereits vorhandenen zu ergänzen. Im Jahre 1491 erfüllte er den Auftrag, für St. Michaelis zu Lüneburg vier Glocken in b0, es1, f1 und g1 zu zwei vorhandenen Glocken in den Schlagtönen c1 und d1 zu ergänzen. Zwei Glocken sind erhalten geblieben.
Einer seiner Schüler war Wolter Westerhues; in St. Andreas zu Ahaus-Wüllen hängen Glocken von Meister und Schüler in einem Geläut vereint.
Werke
129 Van-Wou-Glocken sind noch namentlich bekannt. Drei Geläute sind noch vollständig erhalten: im Dom zu Braunschweig sowie in St. Peter zu Recklinghausen und St. Pancratius in ’s-Heerenberg.
Im Folgenden eine Auflistung bekannter Beispiele mit Namen, Schlagton und Gussjahr:
Ort | Kirche | Gussjahr | Name | Schlagton |
---|---|---|---|---|
Arnhem (NL) | St. Eusebius | 1477 | Martinus und Eusebius | b0 |
Kampen (NL) | Nieuwe Toren | 1481–83 | Salvator Maria | b0 as0 |
Kampen (NL) | Nicolaas- of Bovenkerk: | 1482 | Martinus Peter und Paul | cis1 eis1 |
Osnabrück | Hl. Kreuz (aus dem Osnabrücker Dom) | 1485 | Beginenglocke | |
Hamburg-Altengamme | St. Nicolai | 1487 | Celsa | d1 |
Amersfoort (NL) | St. Joris | 1489 | Georgius | c1 |
Stendal | St. Marien | 1490 | Maria Faule Anna | gis0 h0 |
Hohenberg-Krusemark | 1490 | g1 | ||
Stapel | Dorfkirche Stapel | 1492 | fis1 | |
Groß Rossau | Dorfkirche Groß Rossau | 1490 | fis1 | |
Lüneburg | St. Nicolai | 1491 | Maria | a0 |
Lüneburg | St. Michaelis | 1492 | es1 g1 | |
Rhede | St. Gudula | 1492 | ehem. Uhrglocke | e2 |
Münster | St. Lamberti | 1493 | Lambertus Maria | c1 es1 |
Oldenzaal (NL) | St.-Plechelmus-Basilika | 1493 | Maria | c1 |
Demker | 1495 | g2 | ||
Ahaus-Wessum | St. Martinus | 1499 1496 | Anna Martinus | cis1 dis1 |
Ahaus-Wüllen | St. Andreas | 1496 | es1 | |
Erfurt | Dom St. Marien | 1497 | Gloriosa | e0 |
Erfurt | St. Severi | 1497 | Vincentia | h0 |
Emmerich | St. Aldegundis | 1498 | Maria | h0 |
Recklinghausen | St. Peter | 1500 | Petrus Johannes Maria | b0 c1 es1 |
Zeerijp (NL) | Jacobuskerk | 1500 | Anna und Jacobus | cis1 |
Eernewoude (NL) | Hervormde Kerk | 1500 | g1 | |
Emlichheim Graftschaft Bentheim | Reformierte Kirche | 1501 | Glocke4 | c″1 |
Braunschweig | Dom St. Blasii | 1502 | Blasius major Maria Johannes | a0 h0 cis1 |
Naumburg | Dom St. Peter und Paul | 1502 | e1 | |
Haarlem (NL) | St. Bavo | 1503 | Roelant | a0 |
Utrecht (NL) | Domkerk St. Martinus | 1505/06 | Salvator Maria Martinus Michael Baptista Magdalena Jezus | fis0 gis0 ais0 h0 cis1 dis1 ais1 |
Utrecht (NL) | Geertekerk | 1506 | Jezus | as1 |
Lübeck | St. Jacobi | 1507 | Salichmaker (Salvator) auch "Pulsglocke" genannt | a0 |
Literatur
- Gerhard van Wou. In: Hans Vollmer (Hrsg.): Allgemeines Lexikon der Bildenden Künstler von der Antike bis zur Gegenwart. Begründet von Ulrich Thieme und Felix Becker. Band 36: Wilhelmy–Zyzywi. E. A. Seemann, Leipzig 1947, S. 259–260.
- HARRI (Pseudonym für Harald Richert): Die älteren Kirchenglocken des ehemaligen Amtes Bergedorf. In: Lichtwark-Heft Nr. 69. Verlag HB-Werbung, Hamburg-Bergedorf, 2004, ISSN 1862-3549.
- Claus Peter: Die Glocken des Meisters Gherhardus de Wou, musikalisches Vorbild des Frankfurter Domgeläutes. In: Konrad Bund (Hrsg.): Frankfurter Glockenbuch. Verlag Dr. Waldemar Kramer, Frankfurt a. M. 1986, S. 355–405.
- Robert Körner: Geert van Wou. In: Mitteilungen des Vereins für hamburgische Geschichte. 1907, S. 233–236 (uni-hamburg.de).
- Ekkart Sauser: Geert van Wou. In: Biographisch-Bibliographisches Kirchenlexikon (BBKL). Band 14, Bautz, Herzberg 1998, ISBN 3-88309-073-5, Sp. 80–81.
Weblinks
Einzelnachweise
- ↑ Utrechts Klokkenluiders Gilde: Ioannes Baptista (niederländisch, Beschreibung der Glocke klokkenluiders.nl)
- ↑ Claus Peter: Die Glocken des Meisters Gherhardus de Wou, musikalisches Vorbild des Frankfurter Domgeläutes. In: Konrad Bund (Hrsg.): Frankfurter Glockenbuch. Verlag Dr. Waldemar Kramer, Frankfurt a. M. 1986, S. 380–383.
- ↑ Claus Peter: Die Glocken des Meisters Gherhardus de Wou, musikalisches Vorbild des Frankfurter Domgeläutes. S. 384–385.
- ↑ Claus Peter: Die Glocken des Meisters Gherhardus de Wou, musikalisches Vorbild des Frankfurter Domgeläutes. S. 356.
- ↑ Claus Peter: Die Glocken des Meisters Gherhardus de Wou, musikalisches Vorbild des Frankfurter Domgeläutes. S. 356, 374–377.