Johann Geiler von Kaysersberg (auch Johannes oder französisch Jean; * 16. März 1445 in Schaffhausen; † 10. März 1510 in Straßburg) gilt als der bedeutendste deutsche Prediger des ausgehenden Mittelalters.

Leben

Johann Geiler wurde in Schaffhausen als Sohn des Notariatsgehilfen Hans Geiler geboren, der ab 1446 das Amt des Stadtschreibers von Ammerschweier (Ammerschwihr) wahrnahm. Nach dem Tod des Vaters 1449 wuchs Geiler bei seinem Großvater in Kaysersberg im Elsass auf. Er studierte von Juni/August 1460 bis 1471 an der Universität in Freiburg im Breisgau (u. a. bei Konrad Stürtzel, 1462 Bakkalaureus, 1463/64 Magister Artium). Am 28. Dezember 1465 wurde er in den Rat der Artistenfakultät aufgenommen. 1469 bis 1470 leitete er in Freiburg als Dekan die artistische Fakultät.

1470 erhielt er die Priesterweihe. Von 1471 bis 1475 studierte er Theologie an der Universität Basel, die ihn 1475 zum Dr. theol. promovierte. 1476 wurde er Professor für Theologie an der Universität Freiburg im Breisgau und im gleichen Jahr Rektor der Universität. 1477 gab er die Universitätslaufbahn auf. Mehrere Bistümer bemühten sich, den hochqualifizierten Prediger mittels einer entsprechenden Dotierung für sich zu gewinnen. Nach einer kurzen Tätigkeit als Domprediger in Würzburg war er von 1478 bis zu seinem Lebensende 1510 als Prediger in Straßburg tätig (ab 1478 als Prediger an der Straßburger St.-Lorenz-Kirche, ab 1486 als Dom- oder Münsterprediger am Straßburger Münster). 1488 war er auf Einladung des Bischofs Friedrich II. von Zollern für mehrere Monate Prediger in Augsburg, kehrte aber danach nach Straßburg zurück.

Wirkung

Geiler übte in seinen derben und humorvollen Predigten scharfe Kritik am Zustand der Kirche und der Verweltlichung des Klerus und forderte Reformen. Seine Werke gelten als bedeutendste Zeugnisse volkstümlicher deutscher Erbauungsliteratur vor Martin Luther. Seine Wirkung als Prediger war der von Berthold von Regensburg und Abraham a Sancta Clara vergleichbar.

Geiler entwarf seine Predigten lateinisch und hielt sie dann vorwiegend frei in deutscher Sprache. Hörer schrieben die volkstümlichen Predigten aus dem Gedächtnis nieder. Aus diesem Grund wird Geilers Autorschaft öfter angezweifelt. Insbesondere Johannes Pauli gab mehrere auf diese Weise entstandene Predigtbände heraus. 1498–1499 hielt Geiler eine Reihe von Predigten über Sebastian Brants Narrenschiff, die 1520 von Pauli ediert und veröffentlicht wurden. Mit der Veröffentlichung gehört Geiler zu den berühmtesten Vertretern der Narrenliteratur im ausgehenden Mittelalter. Über seine Tätigkeit als volkstümlicher Prediger hinaus wurde Geiler als Mitherausgeber und Übersetzer der Schriften von Jean Gerson bekannt.

„Sein umfangreiches Werk, das Papst Paul IV. 1559 auf den Index der verbotenen Bücher setzen ließ, beruht zu großen Teilen auf Mitschriften von Hörern, lat. Aufzeichnungen und nachgelassenen Materialien. Es ist dem spätscholastischen Denken verpflichtet, wobei Einflüsse des Nominalismus erkennbar sind, und behandelt nahezu alle Bereiche der kirchlichen Lehre. In kirchenpolitischer Hinsicht ist Geiler nicht als Vorläufer der Reformation, sondern als Vertreter der religiösen Erneuerungsbewegung des 15. Jahrhunderts aufzufassen. Mit der Reformation kam die Rezeption von Geilers Werk zu einem abrupten Ende.“

Michael Bärmann: Biographischer Artikel zu Johann Geiler von Kaysersberg im Historischen Lexikon der Schweiz.

Hexenwahn

Geiler hielt Kanzelreden über Aberglauben, Magievorstellungen und Hexenfurcht. Dabei bezog er sich auf Schriften des Johannes Nider, den Formicarius, auf den Hexenhammer und die Hexenpredigten des Tübinger Theologen und Kritikers der Hexenverfolgung Martin Plantsch (um 1460–1533). Bekenntnisse der Hexen hielt Geiler wie Johannes Weyer (1515/16–1588) für eine Störung der Phantasie durch das Blendwerk des Teufels.

Seine Feststellung „brennt man einen Mann, so brennt man wohl zehn Frauen“, kennzeichnet die frühe Phase der Hexenprozesse.

Geiler hielt 1508 in Straßburg 26 vom Hexenwahn erfüllte Fastenpredigten. Die Sage der Milchhexe soll auf eine dieser Predigten zurückgehen, in der er Hexen für das Ausbleiben der Milch bei kranken Kühen verantwortlich machte. Der Teufel trägt demzufolge die Milch aus der Kuh, damit eine Hexe sie andernorts aus einem Gegenstand melken kann. Das Bild zeigt, wie in Geilers 1517 gedruckter Predigt beschrieben, wie eine Hexe Milch aus einer Axt melkt. Die ursprüngliche Beschriftung des Bildes ist nur fragmentarisch erhalten.

Werke

  • Peregrinus / Der bilger mit seinen eygenschaften (Der Pilger), 1494
  • Baum des Seelenheils, 1502, Frankfurt (Oder)
  • Predigten teutsch, 1509
  • Das irrig Schaf, 1510
  • Das Buch Granatapfel, 1510
  • Der Seelen Paradies, 1510
  • Navicula sive speculum fatuorum, 1510

Spätestens ab hier posthume Veröffentlichungen (Geiler starb am 10. März 1510):

  • Navicula poenitentiae, 1511
  • Christliche Pilgerschaft, 1512
  • Die Passion, 1514
  • Evangelibuch, 1515 (hrsg. von J. Pauli)
  • Emeis. Dies ist das Buch von der Omeißen, 1517 (hrsg. von J. Pauli)
  • Die Brösamli Doct. Kaiserbergs, 1517 (hrsg. von J. Pauli)
  • Das Buch von den Sünden das Munds, 1518
  • Sermones & varij [varii] Tractat[us] Keiserspergii iam recens excusi ..., 1518 Digitalisat
  • Das buoch Arbore humana … Von dem menschlichē baum …, (hrsg. von Hans Grüninger), 1521
  • Postill, 1522

Ausgaben

Quellen

  • Otto Herding (Hrsg.): Jakob Wimpfeling, Beatus Rhenanus: Das Leben des Johannes Geiler von Kaysersberg. Fink, München 1970 (kritische Edition der beiden Geiler-Viten mit Einführung)

Werke

  • Gerhard Bauer (Hrsg.): Sämtliche Werke. De Gruyter, Berlin 1989–1995 (3 Bände von 11 geplanten)
  • Kristina Freienhagen-Baumgardt, Werner Williams-Krapp (Hrsg.): Johannes Geiler von Kaysersberg: Die Augsburger Predigten (= Deutsche Texte des Mittelalters 92). Berlin/Boston 2015

Literatur

  • Michael Bärmann: Geiler von Kaysersberg, Johannes. In: Historisches Lexikon der Schweiz.
  • E. Barnikol: Die Religion in Geschichte und Gegenwart. Band 2, 1266–1267.
  • J. M. B. Clausz: Kritische Übersicht der Schriften über Geiler von Kaysersberg. In: Historisches Jahrbuch der Görres-Gesellschaft 31, 1910, S. 485–519.
  • Uwe Israel: Johannes Geiler von Kaysersberg (1445–1510). Der Straßburger Münsterprediger als Rechtsreformer, Berlin 1997.
  • Herbert Kraume: Geiler, Johannes, von Kaysersberg. In: Burghart Wachinger u. a. (Hrsg.): Die deutsche Literatur des Mittelalters. Verfasserlexikon. 2., völlig neu bearbeitete Auflage, ISBN 3-11-022248-5, Band 2: Comitis, Gerhard - Gerstenberg, Wigand. Berlin/ New York 1980, Sp. 1141–1152.
  • E. F. Röder von Diersburg: Komik und Humor bei Geiler von Kaisersberg. Berlin 1921.
  • N. Scheid: The Catholic Encyclopedia. Vol. 6, 403–405.
  • Rita Voltmer: Wie der Wächter auf dem Turm. Ein Prediger und seine Stadt. Johannes Geiler von Kaysersberg (1445–1510) und Straßburg (= Beiträge zur Landes- und Kulturgeschichte, Band 4). Porta Alba, Trier 2005, ISBN 3-933701-18-X
  • Dieter Wuttke: Geiler, gen. von Kaysersberg, Johannes. In: Neue Deutsche Biographie (NDB). Band 6, Duncker & Humblot, Berlin 1964, ISBN 3-428-00187-7, S. 150 f. (Digitalisat).
Commons: Johann Geiler von Kaysersberg – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Anmerkungen

  1. daher resultiert seine Namensergänzung
  2. Anton Schmid: Die Anfänge der Domprädikaturen in den deutschsprachigen Diözesen. In: Römische Quartalschrift für Christliche Altertumskunde und Kirchengeschichte 89 (1994), Heft 1–2, S. 78–110, hier S. 92 Anm. 86.102.
  3. 1 2 3 Michael Bärmann: Geiler von Kaysersberg, Johannes. In: Historisches Lexikon der Schweiz.
  4. Vgl. Carl Binz: Doktor Johann Weyer, ein rheinischer Arzt, der erste Bekämpfer des Hexenwahns. Ein Beitrag zur deutschen Kulturgeschichte des 16. Jahrhunderts. In: Zeitschrift des Bergischen Geschichtsvereins 21 (1885), S. 1–171, bes. S. 49 Anm. 1.
  5. Joseph Hansen, Johannes Franck: Quellen und Untersuchungen zur Geschichte des Hexenwahns und der Hexenverfolgung im Mittelalter, Hildesheim 1901, S. 284 (online (Memento des Originals vom 29. Dezember 2014 im Internet Archive)  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.).
  6. Stadtbibliothek Mainz: Sign. XIV g:2°/2b
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