Der Physiotop ist die abiotische Basis-Raumeinheit der Landschaftsökologie. Ein Physiotop bildet einen einheitlichen ökologischen Standort und besitzt demzufolge ein einheitliches Aussehen. Aufgrund menschlicher Einwirkungen (oder Wirkungen anderer externer Faktoren) kann ein Physiotop aber real mehrere unterschiedliche Vegetationsbestände beherbergen. Der Ausdruck wird gelegentlich, anstelle des verbreiteteren Begriffs Ökotop, verwendet, um die Abgrenzung eines Ökosystems (als räumlich verstandene Einheit) zu bezeichnen.
Der Ausdruck Physiotop wurde durch den Geografen Josef Schmithüsen zuerst 1948 eingeführt. Oft verwendet wird die Definition von Ernst Neef: Ihm zufolge ist der Physiotop „die Abbildung der landschaftsökologischen Grundeinheit mit Hilfe der auf Grund der bisherigen Entwicklung gleiche Ausbildung zeigenden, relativ stabilen und in naturgesetzlicher Wechselwirkung verbundenen abiotischen Elemente und Komponenten. Er weist daher bestimmte Formen des Stoffhaushaltes auf, die seine ökologische Bedeutung (ökologisches Potential) bestimmen. Als homogene Grundeinheit kann er als Typus wie als Arealeinheit dargestellt werden“
Der Landschaftsökologe Hartmut Leser bevorzugt für dasselbe den Ausdruck Geotop. Der Begriff Geotop wird aber in jüngerer Zeit meist vermieden, weil der synonyme Begriff Geotop in den Geowissenschaften, mit abweichender Bedeutung, inzwischen weiter verbreitet ist.
Als Ausdruck für den kleinsten landschaftsökologischen Raum sind national und international zahlreiche weitere Begriffe vorgeschlagen worden, die teilweise synonym, teilweise mit leicht abgewandelter Bedeutung verwendet und von bestimmten Autoren oder Schulen bevorzugt werden. Dieses Begriffswirrwarr ist von vielen Autoren beklagt worden, konnte aber bisher nicht zufriedenstellend aufgelöst werden. In gleicher Bedeutung sind etwa die Ausdrücke „Fliese“, „Ökotop“ bzw. „ecotope“, „Geoökotop“ und zahlreiche andere, heute nicht mehr gebräuchliche eingeführt worden. Im englischen Sprachraum wird dafür aktuell oft der Ausdruck „patch“ verwendet.
Der Geograf Carl Troll lehnte den Begriff Physiotop ab, weil er seiner Ansicht nach die gravierenden Rückwirkungen der Vegetation auf den Standort nicht berücksichtige, die im Extremfall (Hochmoor) wichtiger sein können als der abiotische Standort selbst. Einige Autoren, wie etwa der österreichische Geograf Franz Dollinger lehnen sogar alle diese Begriffe ab, die sie als theoretische Konstrukte auffassen, die in der realen Kartierpraxis nicht anwendbar seien.
Literatur
- H. Leser: Landschaftsökologie. Stuttgart 1997, ISBN 3-8252-0521-5, S. 148–149.
- A. Kratochwil, A. Schwabe: Ökologie der Lebensgemeinschaften. Stuttgart 2001, ISBN 3-8252-8199-X, S. 94.
Weblinks
Einzelnachweise
- ↑ Angelika Schwabe: Spatial Arrangements of Habitats and Biodiversity: An Approach to a Sigmasociological View. In: Anselm Kratochwil: Biodiversity in Ecosystems: Principles and Case Studies of Different Complexity Levels. Springer, 2001, ISBN 1-4020-0280-7, S. 79 und 80.
- ↑ Ernst Neef: Der Physiotop als Zentralbegriff der komplexen physischen Geographie. In: Petermanns Geographische Mitteilungen. Band 112, 1968, S. 15–23.
- ↑ Eckhard Jedicke: Biodiversität, Geodiversität, Ökodiversität. Kriterien zur Analyse der Landschaftsstruktur. In: Naturschutz und Landschaftsplanung. Band 33, Nr. 2/3, 2001, S. 59–68.
- ↑ vgl. R. Schneider-Sliwa, D. Schaub, G. Gerold: Angewandte Landschaftsökologie: Grundlagen und Methoden. Springer-Verlag, 2013, ISBN 978-3-642-58488-6, S. 54.
- ↑ Carl Troll: Landschaftsökologie. In: Reinhold Tüxen (Hrsg.): Pflanzensoziologie und Landschaftsökologie. (= Berichte des Internationalen Symposiums der Internationalen Vereinigung für Vegetationskunde Stolzenau (Weser) 1963. Band 7). Junk Publishers, Den Haag 1968, S. 15.
- ↑ Franz Dollinger: Zur Anwendung der Theorie der geographischen Dimensionen in der Raumplanung mittels Geographischer Informationstechnologie. In: Angewandte Geographische Informationsverarbeitung IX. (= Salzburger Geographische Materialien. Heft 26). Selbstverlag des Instituts für Geographie der Universität Salzburg, 1997.