Hans Lungwitz (* 19. Oktober 1881 in Gößnitz; † 24. Juni 1967 in Berlin) war ein deutscher Nervenarzt und Schriftsteller.

Leben

Nach den Studien der Chemie und Medizin an der Universität Halle (Saale), die er jeweils mit einer Promotion abschloss, praktizierte er als Arzt in Berlin. Er schrieb als Neurologe für medizinische Fachzeitschriften und stritt für eine Gesundheitsreform.

1926 trat er in die NSDAP ein, wurde aber am 15. Mai 1932 ausgeschlossen. Lungwitz sympathisierte mit der Vorstellung einer Revision des Friedensvertrages von Versailles; er erkannte aber in Adolf Hitler den Neurotiker.

Er entwickelte eine Psychobiologie als eigenständige philosophische und medizinische Anthropologie und meinte „Alle sogenannten psychischen Eigenschaften und Funktionen sind als biologische, also physische, erweisbar“. 1923 hatte Lungwitz den Begriff „Psychobiologie“ erstmals gebildet und im März 1924 erstmals publiziert (wohl unabhängig von der durch Adolf Meyer etwa zur gleichen Zeit in den USA geschaffenen „Psychobiologie“). Er schrieb Romane und Theaterstücke.

Er war seit 1908 mit der drei Jahre älteren Anna Elisabeth geb. Winkler verheiratet. Die Ehe blieb kinderlos. Der Tod der Ehefrau riss 1962 eine große Lücke in seinem Leben, was zu seiner zunehmenden Vereinsamung in den letzten Lebensjahren beitrug.

Hans Lungwitz starb am 24. Juni 1967 im Alter von 85 Jahren im Berliner Westend-Krankenhaus, wohin er fünf Tage zuvor gebracht worden war, nachdem er eine Überdosis Schlaftabletten eingenommen hatte. Die Beisetzung fand am 8. Juli 1967 auf dem Friedhof Heerstraße in Berlin-Westend statt. Das Grab ist erhalten (Grablage: II-W-4-Ur 8-238).

Sein Andenken pflegt die Hans-Lungwitz-Stiftung und die Psychobiologische-Gesellschaft.

Am Hans-Lungwitz-Institut für Psychobiologische Analyse und Kognitive Therapie e.V. wird die von Lungwitz begründete psychobiologische Neurosenlehre gelehrt und therapeutisch angewendet.

Werke

  • Condensation von Zimtaldehyd mit organischen Basen der aromatischen Reihe. Halle a.S.: Nietschmann, 1905 (Halle, Univ., Diss., 1905).
  • Stoffwechselversuche über den Eiweissbedarf des Kindes. Halle a. S.: Marhold, 1908 (Halle, Univ., Diss., 12. März 1908).
  • Führer der Menschheit? Gedanken u. Erlebnisse e. Arztes. Ein sozialer Roman aus d. Gegenwart. Berlin: Adler-Verlag, 1912.
  • Der letzte Arzt. Berlin: Adler-Verlag, 1913.
  • Lamias Leidenschaft. Ein Roman. Berlin: Theodor Lißner-Verlag, 1920.
  • Die Entdeckung der Seele. Allgemeine Psychobiologie. Leipzig: Oldenburg, 1925; 2. Auflage Kirchhain: Schmersow, 1932; 3.–5., durchgearbeitete Auflage Berlin: de Gruyter, 1947.
  • Lehrbuch der Psychobiologie. Kirchhain: Schmersow, 1933–1956; 2. Auflage 1955–1970 (, Übersicht über die Ausgaben, in Abteilungen und Bänden).
  • Psychobiologische Analyse. Hrsg. von J. L. Clauss u. Ludwig Leonhardt im Auftr. d. Hans-Lungwitz-Stiftung, Berlin. 8., durchges. Aufl. d. „Erkenntnistherapie für Nervöse“. Freiburg im Breisgau: Rombach, 1977. ISBN 3-7930-9009-4.
  • Psychobiologie der Neurosen. Überarb. u. hrsg. von Reinhold Becker. Ausz. aus d. Originalwerk. Originalausg. u. d. T.: Lehrbuch der Psychobiologie. Berlin: Hans-Lungwitz-Stiftung; Freiburg im Breisgau: Rombach [in Komm.], 1980. ISBN 3-7930-9024-8.

Literatur

  • Hans-Georg Rahn: Einführung in die Psychobiologie. Berlin: Hans-Lungwitz-Stiftung, 1973.
  • Johann Ludwig Clauss: Der Neurosenspiegel: Eine moderne Neurosenkunde mit heilsamem Effekt in humorigen Versen. Hrsg.: Hans Lungwitz-Stiftung, Berlin. Grafik: Klaus Endrikat. Aachen: Schmetz in Komm., 1969
  • Johann Ludwig Clauss und Wilhelm Joseph Huppertz: Philosophische Terminologie der Psychobiologie. Hans Lugwitz-Stiftung 1980
  • Rolf-Dieter Dominicus: Hans Lungwitz und seine Psychobiologie, eine Lebens- und Werkgeschichte. Essen: Verl. Die Blaue Eule, 1993. ISBN 3-89206-522-5
  • Herbert Stelzenmüller: Bibliographie der Lungwitz'schen Psychobiologie, Gesamte Werke von Hans Lungwitz (1881 - 1967). Mit Unterstützung der Hans-Lungwitz-Stiftung hrsg. von Herbert Stelzenmüller. Düsseldorf, 1997. ISBN 3-00-001096-3.
  • Anika Fellermeyer, Dominik Groß: Der Beitrag von Hans Lungwitz (1881-1967) zur Reform des Gesundheitswesens im Spiegel seines Romans „Führer der Menschheit?“ (1911), Würzburger medizinhistorische Mitteilungen 20 (2001), S. 406–424.
  • Christine Fischbach, Dominik Groß, Benedikt Eisermann: Die Psychobiologie des Hans Lungwitz (1881-1967) im Spiegel der Rezensionen, in: Dominik Groß, Sabine Müller (Hrsg.): Sind die Gedanken frei? Die Neurowissenschaften in Geschichte und Gegenwart (= Humandiskurs, 1), Berlin 2007, S. 265–270. ISBN 978-3-939069-24-9
  • Mattias Miener, Dominik Groß: Literatur und Medizin: Das literarische Werk des Arztes Hans Lungwitz (1881-1967), in: Dominik Groß, Gertrude Cepl-Kaufmann, Gereon Schäfer (Hrsg.): Die Konstruktion von Wissenschaft? Beiträge zur Medizin-, Literatur- und Wissenschaftsgeschichte, Kassel 2008 (= Studien des AKWG, 3), S. 133–154. ISBN 978-3-89958-418-9.
  • Reinhold Becker: Die Psychobiologie von Hans Lungwitz (1881–1967). In: Würzburger medizinhistorische Mitteilungen. Band 22, 2003, S. 40–66.
  • Rainer Hesse: Kleines Wörterbuch der Psychobiologie. Kleines Wörterbuch psychobiologischer Begriffe und Definitionen, Mikrokosmos und Makrokosmos als Symbol und Symbolanalyse. 1. Auflage. CreateSpace Independent Publishing Platform, Leipzig 2017, ISBN 978-1-5463-2735-6.
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Einzelnachweise

  1. Hans Lungwitz: Lehrbuch der Psychobiologie. I: Das Wesen der Anschauung. Der Mensch als Reflexwesen. Von den Eigenschaften und Funktionen. Kirchhain N.-L. 1933, S. 57.
  2. Reinhold Becker: Die Psychobiologie von Hans Lungwitz (1881–1967). In: Würzburger medizinhistorische Mitteilungen. Band 22, 2003, S. 40–66; hier: S. 40 mit Anm. 13.
  3. Christine Fischbach: Die Psychobiologie des Hans Lungwitz (1881–1967) im Spiegel der Rezensionen (PDF, 7,2 MB). Inaugural-Dissertation. Julius-Maximilians-Universität, Würzburg 2005. S. 7–9 und 19–20.
  4. Fischbach: Die Psychobiologie des Hans Lungwitz. S. 19–20. Hans-Jürgen Mende: Lexikon Berliner Begräbnisstätten. Pharus-Plan, Berlin 2018, ISBN 978-3-86514-206-1. S. 491.
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