Die Landesfrauenklinik Hannover unter der Adresse Herrenhäuser Kirchweg 5 in Hannover, Stadtteil Nordstadt, ist ein Anfang des 20. Jahrhunderts errichteter, denkmalgeschützter, ursprünglich als Frauenklinik errichteter Gebäudekomplex, der sich ehemals in kommunalen Besitz befand. Zu den architekturgeschichtlich wertvollen Teilen zählen neben dem Hauptgebäude die Kapelle, das Kesselhaus, die Grundstücks-Einfriedungen sowie die Villa für die Direktoren.

In den 2010er Jahren verkaufte die Region Hannover das gesamte Areal an einen privaten Investor, der nach der Rücknahme eines durch die Kommunalpolitiker bereits ausgearbeiteten Bebauungsplanes die historische Gebäudesubstanz in Luxuswohnungen umwandelte.

Geschichte

Die ehemalige Frauenklinik Hannover stand in der Nachfolge des noch zur Zeit des Kurfürstentums Braunschweig-Lüneburg in der Altstadt von Hannover errichteten „Accouchir-Hospitals“, das auf Initiative des damaligen hannoverschen Bürgermeisters Wilhelm August Alemann im Jahr 1781 am Großen Wolfshorn, der heutigen Großen Packhofstraße eingerichtet worden war.

Nach mehreren Verlegungen an andere Standorte entstanden aufgrund des Bevölkerungswachstums ab 1890 Überlegungen für einen Neubau, der schließlich im Zeitraum von 1900 bis 1903 nach Plänen des Stadtbaurates Carl Wolff gegenüber dem wenige Jahre zuvor eröffneten Nordstadt-Krankenhaus errichtet wurde. Architekt Wolff selber veröffentlichte seinen Entwurf 1903 u. a. in dem renommierten „Handbuch der Architektur“.

Der Neubau der seinerzeit mustergültigen „Provinzial-Hebammenlehranstalt“ mit einer Kapazität von 1000 Geburten jährlich zeigte sich äußerlich als langgestreckte Dreiflügelanlage mit Fassaden aus roten und gelben Mauerziegeln in einer zurückhaltenden Gliederung aus Sandstein. Am 1. April 1903 wurde die Anstalt eingeweiht.

1911 richtete die Anstalt zudem eine Fürsorgestelle für Säuglinge ein, doch schon 1913 war die Grenze der räumlichen Leistungsfähigkeit erreicht.

1932 begannen umfangreiche Modernisierungen und Ausbauten, in deren Folge die Einrichtung 1933 in Landesfrauenklinik umbenannt wurde. Bis 1938 wurde die Anzahl der Betten auf 165 erhöht bei einer Höchstaufnahmezahl von 4390 Patientinnen und 2800 Entbindungen jährlich. Zudem wurden die Arbeitsgebiete der medizinischen Anstalt auf die Bekämpfung von Krebs und Tumoren ausgeweitet.

Während des Zweiten Weltkrieges wurde der Betrieb der Landesfrauenklinik mehr und mehr eingeschränkt, bis während der Luftangriffe auf Hannover in der Nacht vom 9. auf den 10. Oktober 1943 durch Fliegerbomben große Teile des Hauses zerstört wurden. Daraufhin wurde der Betrieb kurzzeitig in die Stadt Celle verlegt.

Noch unter den Britischen Militärbehörden wurde der Klinikbetrieb am Herrenhäuser Kirchweg ab 1946 nach und nach wieder aufgenommen: In der frühen Nachkriegszeit wurde im Gründungsjahr des Landes Niedersachsen 1949 die Anstalt in Niedersächsische Landesfrauenklinik und Hebammen-Lehranstalt Hannover umbenannt; der Wiederaufbau mit einigen auch äußerlichen Veränderungen dauerte jedoch bis 1965 an; im selben Jahr wurde der Neubau eines Schwestern-Wohnheimes angegliedert.

Ab 1983 fungierte der Klinikbetrieb zugleich als „Akademisches Lehrkrankenhaus der Medizinischen Hochschule Hannover“ (MHH).

Nachdem das Land am 1. Juli 1991 die Klinik zur Weiterführung an die Landeshauptstadt Hannover übergeben hatte, wurde die Einrichtung an das Nordstadtkrankenhaus angegliedert und in Krankenhaus Nordstadt – Frauenklinik und Hebammenschule umbenannt. Dem Betrieb standen 2009 vier Stationen mit 78 Planbetten zur Verfügung, zusätzlich vier Kreiß- und drei Operationssäle, ein „Kreißsaal-Sectio-OP“ und eine 10 Betten umfassende Wachstation.

Nach der Neueingliederung des Krankenhauses in die Kliniken der Region Hannover unter der Trägerschaft der Region Hannover wurde die Geburtshilfe 2015 geschlossen. Die Stadtverwaltung Hannover erarbeitete einen Bebauungsplan, der dann jedoch nicht aufgestellt wurde. Das stieß in Teilen der Politik, insbesondere bei einigen Stadträten, auf Kritik, da die Kommune damit ein wichtiges Steuerungsinstrument aus der Hand gab. So wollten beispielsweise Vertreter der Partei Bündnis 90/Die Grünen „Quoten für Sozialwohnungen“ und auf Teilen der Flächen zu Festpreisen zum Beispiel Baugemeinschaften oder Wohnungsgenossenschaften Chancen einräumen. Sie konnten sich jedoch nicht durchsetzen, da es der Region Hannover auch um kurzfristige Gewinnmaximierung ging oberhalb des anfänglichen Schätzpreises für den Gesamtkomplex im Wert von 5,5 Millionen Euro. So wurde die Immobilie 2017 schließlich nach einem Bieterwettbewerb für rund 15,5 Millionen Euro an die in Hamburg ansässige Firma BPD verkauft, die zur niederländischen Rabobank gehört. Diese gab den Umbau der historischen Gebäudesubstanz zu insgesamt 153 Wohnungen bekannt sowie Neubauten auf dem weitläufigen Gelände mit seinem Baumbestand. Auf dem Areal zwischen der Haltenhoffstraße und dem Herrenhäuser Kirchweg waren auch Pläne für Neubauten bekanntgegeben worden: Demnach wollten die Immobilienentwickler einen Teil der Flächen „an eine Gesellschaft verkaufen, die Mietwohnungen mit Preisbindung anbietet“.

Der Investor, vertreten durch den Leiter der BPD-Niederlassung in Hamburg, habe nach dem Kauf „einen sehr intensiven Austausch mit der Stadtverwaltung gehabt“; mit dem Baudezernenten Uwe Bodemann und seiner Fachabteilung sei ein Konzept erarbeitet worden, nach dem der „zwischen den Gebäuden liegende Park [...] eine private Fläche [bliebe, den], Passanten [...] aber durchqueren“ dürften.

Persönlichkeiten

Leitungspersonal

  • 1932–circa 1943: Hans Albert Dietrich als Direktor, anschließend bis 1951 in Celle
  • bis 2015:
    • Hans-Werner Vasterling, Direktor ab 1967
    • Helmut Kirchner, ärztlicher Leiter der Geburtshilfe
    • Alexander Moser, Leiter vom Brustkrebszentrum
    • Karl-Heinz Noeding, Chefarzt Gynäkologie

Siehe auch

Literatur

  • Karl Wolff: Entbindungsanstalten und Hebammenschulen, in: Handbuch der Architektur, Bd. IV, 5. Halbband, 2. Heft „Gebäude für Heil und sonstige Wohlfahrtsanstalten“, Arnold Bergsträsser Verlagsbuchhandlung A. Kröner, Stuttgart 1903, S. 93–96.
  • Wolff: Die neue Hebammen-Lehranstalt zu Hannover, in: Baugewerks-Zeitung, Jg. 38, 1906, Nr. 30 vom 14. April 1906.
  • Irmgard Tessel: Über die Erfahrungen und Erfolge der Beratungsstelle für werdende Mütter an der Landesfrauenklinik Hannover. Dissertation 1944 an der Medizinischen Fakultät der Universität Göttingen, 1945
  • Herbert Mundhenke: Hannover und seine Krankenhäuser 1734–1945. In: Hannoversche Geschichtsblätter, NF, Bd. 13, 1959, S. 1–84, hier S. 31–35.
  • W. Ruge, U. Hakomeyer: Zur Geschichte der Niedersächsischen Landesfrauenklinik Hannover, in: Niedersächsische Landesfrauenklinik Hannover, hrsg. vom Niedersächsischen Sozialminister, Referat Presse- und Öffentlichkeitsarbeit. Grant, Hameln 1981, S. 61.
  • Zum Aufbau der Hebammenschulen in Niedersachsen im 18. und 19. Jahrhundert. Ausstellung von Dokumenten, Darstellungen und Instrumenten in der Wandelhalle des Niedersächsischen Landtags vom 23. September – 16. Oktober 1981, zusammengestellt aus den Beständen niedersächsischer Archive, Bibliotheken und Frauenkliniken. Hrsg. der Niedersächsische Sozialminister, Hannover 1982

Archivalien

Archivalien von und über die Landesfrauenklinik und ihrer Vorgängerinnen finden sich beispielsweise

Commons: Herrenhäuser Kirchweg (Hannover) – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Zu den Immobilien:

  • Conrad von Meding: Aus der Stadt / 15,5 Millionen für alte Frauenklinik / Entstehen hier bald Luxuswohnungen?, Artikel auf der Seite der Hannoverschen Allgemeinen Zeitung (HAZ), haz.de vom 12. Januar 2017
  • Conrad von Meding: Aus der Stadt / Immobilienmarkt / In Landesfrauenklinik entstehen Luxusapartments, Artikel auf der Seite der HAZ vom 19. Mai 2018.
  • Behandlungsbücher und Ausbildungsunterlagen als Bestand von 1945 bis 1988 im Niedersächsischen Landesarchiv (Abteilung Hannover)

Zur Aktenvernichtung und Zerteilung der historischen Bibliothek:

Einzelnachweise

  1. 1 2 3 4 Gerd Weiß: Stichwort Landesfrauenklinik, in: Denkmaltopographie Bundesrepublik Deutschland, Baudenkmale in Niedersachsen, Stadt Hannover, Teil 1, Band 10.1, hrsg. von Hans-Herbert Möller, Niedersächsisches Landesverwaltungsamt – Institut für Denkmalpflege, Friedr. Vieweg & Sohn Verlagsgesellschaft mbH, Braunschweig 1983, ISBN 3-528-06203-7, S. 18, 114, 115; sowie Nordstadt im Addendum zu Teil 2, Band 10.2: Verzeichnis der Baudenkmale gem. § 4 (NDSchG) (ausgenommen Baudenkmale der archäologischen Denkmalpflege), Stand: 1. Juli 1985, Stadt Hannover, Niedersächsisches Landesverwaltungsamt – Veröffentlichungen des Instituts für Denkmalpflege, S. 6f.; Digitalisat über die Heidelberger Universitätsbibliothek
  2. 1 2 3 4 Conrad von Meding: 15,5 Millionen für alte Frauenklinik / Entstehen hier bald Luxuswohnungen? Artikel auf der Seite der Hannoverschen Allgemeinen Zeitung (HAZ) haz.de vom 12. Januar 2017, zuletzt abgerufen am 26. April 2022,
  3. 1 2 3 4 5 Conrad von Meding: 15,5 Millionen für alte Frauenklinik. Entstehen hier bald Luxuswohnungen? Artikel auf haz.de, 12. Januar 2017, zuletzt abgerufen am 26. April 2022.
  4. 1 2 3 4 5 6 7 Rainer Kasties M. A.: Entbindungs- und Hebammenlehranstalt, in: Stadtlexikon Hannover, S. 161
  5. Karl Wolff: Entbindungsanstalten und Hebammenschulen, in: Handbuch der Architektur, Bd. IV, 5. Halbband, 2. Heft „Gebäude für Heil und sonstige Wohlfahrtsanstalten“, Arnold Bergsträsser Verlagsbuchhandlung A. Kröner, Stuttgart 1903, S. 93–96. (Der Vorname im Titel fälschlich Karl mit K.)
  6. 1 2 3 4 5 6 7 Rainer Kasties: Landesfrauenklinik, in: Stadtlexikon Hannover, S. 382
  7. Hanns Dietel, Jürgen Heinrich: Hans Albert Dietrich, in dies.: Die Norddeutsche Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe. Eine Dokumentation anläßlich des 95jährigen Bestehens, Norddeutsche Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe, 2004, S. 40; PDF-Dokument auf der Seite nggg-gyn.de
  8. Walter Habel (Hrsg.): Wer ist wer? Das deutsche Who’s who. 24. Ausgabe. Schmidt-Römhild, Lübeck 1985, ISBN 3-7950-2005-0, S. 1276.
  9. o. V.: Team Geburtshilfe verabschiedet sich ... auf der Seite krh.de vom 4. Mai 2015, zuletzt abgerufen am 17. Juli 2021
  10. 1 2 Foto der Hinweistafel der Frauenklinik Nordstadt vom 24. November 2016 auf der Seite der HAZ
  11. Angaben und Beschreibung über das Archivinformationssystem Arcinsys Niedersachsen Bremen

Koordinaten: 52° 23′ 33,5″ N,  42′ 42,3″ O

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