Hemimastix kukwesjijk | ||||||||||||
---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|
Systematik | ||||||||||||
| ||||||||||||
Wissenschaftlicher Name | ||||||||||||
Hemimastix kukwesjijk | ||||||||||||
Eglit & Simpson, 2018 |
Hemimastix kukwesjijk ist eine Art aus der Familie der Spironemidae. Sie ist eine der wenigen Arten der Hemimastigophora, einer basalen Entwicklungslinie mit unklarer Stellung innerhalb der Eukaryoten und die erste beschriebene Art der Gruppe, von der Sequenzdaten der DNA vorliegen.
Merkmale
Hemimastix kukwesjijk ist ein einzelliger Organismus von 16,5 bis 20,5 Mikrometer Länge. Er ist im Aufsicht etwas abgeflacht oval mit einem etwas abgesetztem Capitulum genannten Abschnitt am Vorderende. Ein morphologisch abgrenzbarer Zellmund (Cytostom) ist nicht ausgebildet. Nahe dem Vorderende sind Extrusomen vorhanden. Der Zellleib ist eingeschlossen in zwei abgeflachte, dabei aber etwas spiralig in sich gedrehte steife Hüllelemente, solche Hüllen werden bei den Protisten Pellicula oder Theca genannt. Zwischen diesen Platten verbleibt eine furchenartige Einsenkung, in der jeweils eine Reihe von untereinander gleich langen Geißeln (oder Flagellen) sitzt. Bei der Art sind es pro Reihe 17 bis 19 Geißeln, von denen die vorderen 9 bis 10 dicht benachbart, die folgenden weiter voneinander entfernt, jeweils einzeln in einer kleinen Aussparung, sitzen. Die Geißeln sind in der Verwandtschaftsgruppe relativ steif und werden als Ganzes von der Basis her bewegt, sie ermöglichen dem Tier kaum, in freiem Wasser zu schwimmen, sondern dienen der Fortbewegung auf Bodenpartikeln und anderen Oberflächen. Die Geißeln sind im Zellleib mit einzelnen, auffallend kurzen Kinetiden verankert. Im Inneren der Zelle ist etwa in der Mitte (subzentral) ein großer Zellkern mit einem deutlichen Nucleolus erkennbar. Dahinter sitzt eine kontraktile Vakuole.
Hemimastix kukwesjijk unterscheidet sich von der 1988 erstbeschriebenen Hemimastix amphikineta, der einzigen anderen bekannten Art der Gattung, anhand der deutlich größeren Zellen mit mehr Flagellen pro Reihe.
Wie die verwandten Arten ist die Art in Kultur zu halten und vermehrt sich darin eine Weile durch einfache Zellteilung, sie ist aber nicht auf Dauer kultivierbar. Daten zum vollständigen Lebenszyklus liegen deshalb nicht vor.
Phylogenie und Verwandtschaft
Die Gattung Hemimastix gehört zur von Franz Theodor Doflein im Jahr 1916 erstbeschriebenen Familie der Spironemidae (Typusart Spironema multiciliatum Klebs, 1893). Die Familie umfasst drei Gattungen, neben Spironema und Hemimastix noch Stereonema mit nur einer Art. Es sind weniger als zehn Arten bekannt, fast alle nur einmal oder sehr selten gefunden, dies liegt aber vermutlich daran, dass bodenlebende Flagellaten weltweit nur von einer Handvoll Spezialisten untersucht werden.
Die Spiromenidae sind die einzige Familie der Hemimastigophora. Diese Gruppe wurde von Foissner und Blatterer, anhand morphologischer Merkmale im Range eines Stammes (Phylum) für die sehr ähnliche Art Hemimastix amphikineta im Jahr 1988 neu aufgestellt. Da die Art zwar mehrmals gefunden wurde, sich aber nicht dauerhaft kultivieren ließ, waren mit den damaligen Techniken keine DNA-Sequenzen zu gewinnen. Eine bessere Einordnung in das System anhand phylogenomischer Vergleiche, also anhand des Vergleichs homologer DNA-Sequenzen, war daher nicht möglich. Von Hemimastix kukwesjijk (und der parallel gefundenen, noch unbeschriebenen Art der Gattung Spironema, bisher als Spironema cf. multiciliatum bezeichnet) konnten nun anhand einer neu entwickelten Technik Sequenzproben gewonnen werden. Bei dieser, Einzelzell-Transkriptomik genannten Technik kann gezielt eine einzelne Zelle untersucht werden, so dass keine vorherige Vermehrung in Kultur erforderlich ist.
Bei der Untersuchung wurde die Verwandtschaft der Gattungen Spironema und Hemimastix, und ihre Einordnung in einer eigenständigen Entwicklungslinie Hemimastigophora, bestätigt. Die Untersuchung ergab für die Gruppe eine sehr basale Position, als Schwestergruppe der gesamten Klade der Diaphoretickes als wahrscheinlichste Position. Dieses Ergebnis ist allerdings noch recht unsicher, alternativ konnte eine Position innerhalb der Diaphoretickes, als Schwestergruppe zu einer Klade aus Sar und einigen kleineren Gruppen nicht ausgeschlossen werden. Eine Sequenz eines (unbekannten) Organismus, der nur durch Umwelt-DNA-Proben bekannt ist, zeigt an, dass es offensichtlich noch weitere, bisher unbekannte Vertreter geben muss. Die isolierte Stellung der Hemimastigophora, die durch diese Untersuchung nahegelegt wird, rückt diese in den Umkreis der Wurzel aller bekannten Eukaryoten, so dass sie für die Klärung der Frage, wie der Ur-Eukaryot organisiert war und ausgesehen hat, Bedeutung besitzt. Die Autoren vertreten daher die Ansicht, dass eine Einordnung als Phylum dieser besonderen Stellung nicht gerecht wird und fordern eine noch höherrangige Einstufung.
Funde
Individuen der Art wurde von der Biologin Yana Eglit, Dalhousie University, 2016 aus einer Erdprobe am Bluff Wilderness Trail in der Provinz Nova Scotia, Kanada, entdeckt und ist bisher nur von dort bekannt. Von der Schwesterart Hemimastix amphikineta liegen hingegen bereits zahlreiche Funde von mehreren Kontinenten (Australien, Süd- und Mittelamerika, daneben Gough Island, Antartica und Hawaii) vor, die aber alle auf der Südhalbkugel liegen. Hemimastix kukwesjijk konnte in Kultur mit dem bodenlebenden Protisten Spumella (einem Verwandten von Ochromonas aus der Gruppe der Goldbraunen Algen ohne Plastiden, der sich hetereotroph von Bakterien ernährt) als Nahrungsbasis gehältert werden. Gemeinsam mit Hemimastix kukwesjijk wurde am Fundort eine, noch unbeschriebene, Spironema-Art entdeckt.
Der eigentümliche Artname wurde von einem Ausdruck in der Sprache der Mi’kmaq, auf deren Siedlungsgebiet die Art entdeckt wurde, abgeleitet. Ein Kukwes bezeichnet in ihrer mündlichen Tradition ein haariges, Oger-ähnliches Wesen. Der Name wurde aufgrund des durch die Flagellen haarig wirkenden Aussehens der Art gewählt.
Literatur und Quellen
- Gordon Lax, Yana Eglit, Laura Eme, Erin M. Bertrand, Andrew J. Roger, Alastair G. B. Simpson (2018): Hemimastigophora is a novel supra-kingdom-level lineage of eukaryotes. Nature (online before print) doi:10.1038/s41586-018-0708-8 –ie Arbeit enthält die Erstbeschreibung von Hemimastix kukwesjijk. Siehe auch:
- Jef Akst; Jana Eglit, Patricia Scallion (Bild): Image of the Day: Single-Cell Surprises – Researchers identify a new species of Hemimastigophora protist, and suggest the group should be promoted from a phylum to a supra-kingdom, auf: The Scientist vom 15. November 2018
- Wilhelm Foissner & Hubert Blatterer (1988): The Hemimastigophora (Hemimastix amphikineta nov. gen., nov. spec.), a New Protistan Phylum from Gondwanian Soils. European Journal of Protistology 23: 361–383.
- Ilse und Wilhelm Foissner (1993): Revision of the Family Spironemidae Doflein (Protista, Hemimastigophora), with Description of Two New Species, Spironema terricola N.Sp. and Stereonema geiseri N.G., N. Sp. Journal of Eukaryotic Microbiology 40(4): 422–438.
- Martin Kolisko, Vittorio Boscaro, Fabien Burki, Denis H. Lynn, Patrick J. Keeling (2014): Single-cell transcriptomics for microbial eukaryotes. Current Biology 24 (22): R1081-R1082 doi:10.1016/j.cub.2014.10.026