Hiera (altgriechisch ἱερά Rituale), Plural von hieron (τὸ ἱερόν Heiligtum), bezeichnet im Umfeld des griechischen Opferwesens Rituale. Von der Wissenschaft wird Hiera sowohl als allgemeiner Begriff für Rituale interpretiert als auch als spezifisches Ritual in einer Thysia, bei der Getreide und Kuchen verbrannt wurden.

Definition

Hiera war ein allgemeiner Begriff für Rituale im Umfeld des griechischen Opferwesens. Im Besonderen bezeichnete es Teile eines Opfers, die auf einem Altar verbrannt wurden, oder die Deutung von Zeichen eines Opfers.

Gunnel Ekroth definiert Hiera als regelmäßiges Ritual in einer Thysia. Das Ritual enthält das Verbrennen von Getreide und Kuchen.

Eine neuere Definition bezeichnet Hiera als „Dinge der Götter“ und interpretiert den Begriff als umfassend für alle Feste und Kulte für Götter und Tote zusammen. Im Umfeld dieser Interpretation bezieht sich Hiera im Speziellen auch auf einzelne konkrete Gegenstände, die Menschen den Göttern dargebracht und sie in einen heiligen Bereich gestellt hatten. Durch diese Handlung wurden die Gegenstände geweiht.

Ritual

Hiera als allgemeines Ritual verstanden mussten „(äußerlich) schön“ (καλά) ausgeführt sein, um die Zustimmung der Götter zu erhalten. Hiera kala beinhalteten das Opfertier, das kalon sein musste. Das Alter musste ebenso wie das Geschlecht und die Farbe stimmen. Für manche Fälle ist überliefert, dass ein eigentlicher „Schönheitswettbewerb“ stattfand, um die richtigen Tiere auszuwählen. Dafür bestimmte der Demos Beamte, die die besten Tiere auszuwählen hatten. Ebenso mussten die Teilnehmer und Zuschauer kalos – das heißt „sittlich schön“ – sein. In einem Fall, der aus Athen überliefert ist, wurde eine Ehebrecherin vom Schrein entfernt, damit die Götter von ihrer schädlichen Anwesenheit befreit waren.

Die Demoi regulierten die Durchführung des ganzen Opfers. Während der Prozession sorgten sie für Ordnung und verteilten die Preise für die besten Darbietungen von Sängern und Poeten. Priester unterschrieben Verträge und Theoroi (Beauftragte für die Durchführung der Festivals) mussten Bericht erstatten, wenn sie von einem Festival heimkehrten. Beamte, die Opfer darbrachten, wurden einer Prüfung unterzogen.

Bei den Hiera kala ging es nicht um Erfolg, sondern um das Urteil der Götter, ob ihnen das Opfer gefallen hatte oder nicht.

Quellennachweise

Im Opferkalender von Kos aus dem 4. Jh. v. Chr. werden Hiera erwähnt. Die Zuständigen sollten im Rahmen der Thysia ein Hiera zur Verfügung stellen. Es sollte Gerstengrütze, Weizen- und Gerstenmischungen, drei Kylikes und ein Tablett (πίναξ) enthalten. Dieses Hiera sollte, so nimmt man an, im heiligen Feuer verbrannt werden.

Einzelhinweise

  1. Michael H. Jameson: Cults and Rites in Ancient Greece: Essays on Religion and Society. Cambridge 2014, S. 102.
  2. Gunnel Ekroth: The Sacrificial Rituals of Greek Hero-Cults in the Archaic to the Early Hellenistic Period. Lüttich 2002, Kapitel II, Absatz 44, und Kapitel III, Absatz 135.
  3. Saskia Peels: Hosios: A Semantic Study of Greek Piety. Leiden 2015, S. 214.
  4. Wilhelm Pape: Handwörterbuch der griechischen Sprache. Griechisch-deutsches Handwörterbuch. Bearbeitet von Max Sengebusch. Band 1: Α–Κ. 3. Auflage, 6. Abdruck, Vieweg & Sohn, Braunschweig 1914, Sp. 1313 f. Stichwort ΚΑΛός.
  5. Zu Hiera kala siehe Folkert T. Van Straten: Hierà Kalá: Images of Animal Sacrifice in Archaic and Classical Greece. Brill, Leiden u. a. 1995; Fred Naiden: Sacrifice. In: Esther Eidinow, Julia Kindt (Hrsg.): The Oxford handbook of ancient Greek religion. Oxford 2015, S. 467.
  6. Gunnel Ekroth: The Sacrificial Rituals of Greek Hero-Cults in the Archaic to the Early Hellenistic Period. Lüttich 2002, Kapitel II, Absatz 44.
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