Orient-Schlangenhalsvogel

Männlicher Orient-Schlangenhalsvogel

Systematik
Klasse: Vögel (Aves)
Ordnung: Suliformes
Familie: Schlangenhalsvögel (Anhingidae)
Gattung: Schlangenhalsvögel (Anhinga)
Art: Orient-Schlangenhalsvogel
Wissenschaftlicher Name
Anhinga melanogaster
Pennant, 1769

Der Orient-Schlangenhalsvogel (Anhinga melanogaster), auch als Indien-Schlangenhalsvogel und Indische Schlangenhalsvogel bezeichnet, ist eine Art der Schlangenhalsvögel (Anhingidae). Sein Verbreitungsgebiet umfasst den Süden und Südosten Asiens. Die IUCN führt den Indischen Schlangenhalsvogel auf der Vorwarnstufe (near threatened).

Erscheinungsbild

Ausgewachsen erreicht der Orient-Schlangenhalsvogel eine Körperlänge von etwa 85 bis 97 cm und wiegt zwischen 1050 und 1800 g. Die Flügelspannweite beträgt 116 bis 128 cm.

Der Orient-Schlangenhalsvogel ist, wie die anderen, sehr ähnlichen, Schlangenhalsvögel, ein dunkelgefiederten Fischfresser mit einem sehr langen Hals. Der Kopf ist von bräunlicher bis schwarzbräunlicher Farbe, der Rücken ist glänzend schwarz mit auffällig weißen odersilbergrauen oder Streifen und Punkten, die meist etwas heller als bei den nah verwandten Australischen und Afrikanischen Schlangenhalsvögeln sind. Die Schulter- und Schwanzfedern zeigen ein feines Wellenmuster. Charakteristisch für den Indischen Schlangenhalsvogel ist eine dünne weiße Linie von der Stirn zum Auge, die bei den beiden anderen verwandten „Altwelt“-Arten kaum sichtbar ist. Ein auffälliger weißer oder blassbrauner Streifen verläuft vom Schnabelansatz entlang der Kopfseiten und dem oberen Hals. Im Gegensatz zu den beiden anderen „Altwelt“-Arten ist dieser Streifen im Allgemeinen länger und dünner. Die Geschlechter sind auch bei Feldbeobachtungen eindeutig identifizierbar. Männchen haben eine dunkle Körperunterseite, während die der Weibchen hell ist. Dieser Unterschied ist allerdings geringer als beim Australischen Schlangenhalsvogel. Weibchen haben außerdem eine graubraune Körperoberseite, weisen aber ähnliche Farbmarkierungen wie die Männchen auf. Die Iris ist während der Brutzeit hellgelb bis gelb, außerhalb der Brutzeit mattgelb bis blassbraun.

Der Schnabel ist mit 71 bis 87 mm recht lang (länger als der Kopf), schlank und spitz zulaufend. Häufig schwimmt der Orient-Schlangenhalsvogel so, dass sich nur Hals und Kopf über dem Wasser sichtbar ist. Auffallend an dieser Art ist, dass er besonders geformte Wirbel im Hals besitzt. Auf Grund dieser ist er in der Lage, seinen Hals z-förmig zu knicken und ruckartig zu strecken. Dies nutzt er während seines Nahrungserwerb, während dessen er Fische mit dem Schnabel aufspießt.

Verbreitung und Lebensraum

Der Orient-Schlangenhalsvogel kommt im Irak, Pakistan, Indien und im Südosten Asiens einschließlich des Malaiischen Archipels bis zu den Philippinen und Großen Sundainseln vor. Ab Neuguinea schließt sich das Verbreitungsgebiet des Australischen Schlangenhalsvogels an.

Sein Lebensraum sind Feuchtgebiete des Binnenlands aber auch Gezeitengewässer in Küstennähe. Er ist für seine Nahrungssuche auf offene, große Gewässer ohne größeren Wellengang angewiesen und benötigt über die Wasseroberfläche ragende Äste oder abgestorbene Baumstämme, um darauf zu ruhen und seine Flügel zu trocknen. Er kommt entsprechend an Seen, Wasserspeichern, Teichen, Sümpfen und Flussmäanderungen vor. Wasserregionen mit dichter Wasserpflanzenvegetation meidet er. Dagegen ist die Zusammensetzung der Ufervegetation nicht dafür entscheidend, ob ein Gewässer geeigneten Lebensraum für ihn bietet.

Nahrung und Nahrungssuche

Das Nahrungsspektrum des Orient-Schlangenhalsvogels besteht überwiegend aus Fisch. Daneben fressen sie Insekten und andere Tiere der Gewässerzone. Er jagt überwiegend einzelgängerisch, allerdings können sich an reichen Nahrungsgründen mehrere Vögel versammeln. Sie bilden allerdings keine gemeinschaftlich fressenden Trupps.

Die Nahrung finden sie überwiegend einzeln tauchend, wobei sich oft der gesamte Körper unter Wasser befindet. Hals und Kopf werden dabei oft schlangenartig hin und her bewegt, wobei der Vogel langsam vorwärts rudert, um schließlich schnell mit dem Kopf auf die Beute zu stoßen. Zeitweise schwimmt der Vogel bei der Jagd auch mit Oberhals und Kopf über Wasser, wobei der gesamte restliche Körper aber unter der Wasseroberfläche verbleibt.

Kleine Beute wird noch unter Wasser verschluckt. Fische werden mit dem Schnabel aufgespießt und an die Wasseroberfläche gebracht. Mit einer schnellen Kopfbewegung wird der Fisch auf die Wasseroberfläche geworfen, wieder aufgenommen und mit dem Kopf zuerst verschluckt. Gelegentlich werfen den Fisch auch in die Luft und fangen ihn erneut, bevor er auf die Wasseroberfläche auftrifft. Große Fische werden gelegentlich zu einem Ruheplatz gebracht und dort gefressen.

Fortpflanzung

Orient-Schlangenhalsvögel gehen eine monogame Paarbeziehung ein, die wenigstens eine Fortpflanzungsperiode Bestand hat. Sie nisten entweder einzeln oder in losen Kolonien von bis zu zehn Nestern. Häufig finden sich in diesen Kolonien auch andere baumbrütenden Wasservögeln, in Indien besonders häufig Kleinscharben. Gegen Artgenossen wird ein Umkreis von mehreren Metern um das Nest verteidigt. Sie verteidigen dagegen kein Nahrungsterritorium.

Das Männchen wählt den Nistplatz, dabei wählt es gelegentlich auch einen bereits vorher genutzten Niststandort. Das Territorium rund um das Nest kann sich auf den Ast begrenzen, auf dem sich das Nest befindet oder auch den gesamten Baum, in dem gebrütet wird. Zum antagonistischen Verhalten von Indischen Schlangenhalsvögel gehört es, dass sie mit geschlossenen Schnabel auf einen Eindringling weisen. Kommt er näher, wird der Schnabel leicht geöffnet und der Vogel gibt Zischlaute von sich. Nicht brütende Vögel nähern sich gelegentlich auch mit geöffnetem Schnabel und gespreizten Flügeln, dabei rufen sie sehr laut. Kommt der Eindringling noch näher schnappen sie nach ihm, allerdings zielen sie dabei nicht auf einen direkten physischen Kontakt ab, der Schnabel wird lediglich in Kopf- oder Halsnähe schnell geschlossen. Erst wenn der Eindringling auch davon nicht abgeschreckt wird, hackt der Indische Schlangenhalsvogel, der sein Revier verteidigt, auch nach dem Hals oder Kopf des Eindringlings. Die Nestbasis sind in der Regel frische Äste, beim darauf errichteten Nest werden gewöhnlich bis zu 150 dürre Äste verbaut, die zwischen 10 und 40 Zentimeter lang sind. Einige Nester sind in ihrer Struktur so locker, dass die Eier für einen Beobachter, der direkt unterhalb des Nestes steht, sichtbar sind. Das Nistmaterial wird überwiegend vom Männchen herbeigeschafft.

Der Orient-Schlangenhalsvogel hat eine sehr variable Fortpflanzungszeit, die sich nach der lokalen Regenzeit richtet. In Südindien und auf Sri Lanka brüten die Vögel beispielsweise in den Monaten Januar bis März, während nordindische Vögel von bis Juli bis September brüten.

Das Gelege umfasst drei bis sechs, meistens drei oder vier oval-längliche Eier. Beide Elternvögel brüten, die Brut wird mit dem ersten Ei aufgenommen. Die Brutzeit beträgt durchschnittlich 28 Tage, der Schlupf der Jungvögel verläuft asynchron. Frisch geschlüpfte Küken sind zunächst nackt. Nestlinge haben in der Regel im Alter von vier Wochen die Größe ihrer Elternvögel erreicht. In diesem Alter beginnen sie auch, aus dem Nest zu klettern und schwimmen gelegentlich sogar. Einige der Jungvögel klettern wieder ins Nest zurück, andere bleiben auf Ästen unterhalb des Nestes hocken. Im Alter von etwa fünfzig Tagen können sie bereits kurze Distanzen fliegen. Das Alter, in dem Nestlinge normalerweise flügge werden, ist nicht ganz gesichert. Vermutet wird, dass sie mit etwa sechzig Tagen flügge werden.

Systematik

Der Orient-Schlangenhalsvogel ist Teil der Familie der Schlangenhalsvögel (Anhingidae) und ist eng verwandt mit dem Afrikanischen Schlangenhalsvogel (Anhinga rufa) und dem Australischen Schlangenhalsvogel (Anhinga novaehollandiae). Mit diesen wurde er früher als eine einzige Art, dem Altwelt-Schlangenhalsvogel (Anhinga melanogaster), angesehen. Genetische Distanz und morphologische Unterschiede zwischen den drei Arten sind von ähnlicher Größenordnung wie bei typischen Kormoranarten oder Tölpelarten, die ebenfalls zur Ordnung Suliformes gehören. Eine Aufteilung der Arten scheint daher nach heutigem Stand (2018) gerechtfertigt.

Der Amerikanische Schlangenhalsvogel unterscheidet sich deutlicher von diesen drei Arten, im Gefieder besonders durch das Fehlen des hellen Wangenstreifs.

Der Orient-Schlangenhalsvogels ist monotypisch.

Sonstiges

Die Federn des Indischen Schlangenhalsvogels werden als Roagaspitz in manchen Trachten auf dem Hut getragen, z. B. in der Berchtesgadener Tracht.

Literatur

  • J. Orta, E. F. J. Garcia, P. Boesman: Oriental Darter (Anhinga melanogaster). In: J. del Hoyo, A. Elliott, J. Sargatal, D. A. Christie, E. de Juana (Hrsg.): Handbook of the Birds of the World Alive. Lynx Edicions, Barcelona 2018. (abgerufen auf www.hbw.com/am 7. Juli 2018).
  • H. Whistler: Popular Handbook of Indian Birds. Gurney and Jackson, London 1949. (abgerufen auf archive.org/ am 9. Juli 2018).
  • E. Baker: AnhOrient-Schlangenhalsvogelinga melanogaster. The Indian Darter or Snake-bird. In: E. Baker (Hrsg.): The Fauna of British India Including Ceylon and Burma. 2. Auflage. Vol. 6, London 1929, S. 282–283. (abgerufen auf archive.org am 15. Juli 2018)
  • P. J. Higgins (Hrsg.): Handbook of Australian, New Zealand & Antarctic Birds. Band 1: Ratites to Ducks. Oxford University Press, Oxford 1990, ISBN 0-19-553068-3.
Commons: Orient-Schlangenhalsvogel – Album mit Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelbelege

  1. 1 2 3 4 Handbook of the Birds of the World Alive. 2018.
  2. W. F. Sinclair: Plumage of the Snake-bird 'Plotus melanogaster'. In: J. Bombay Nat. Hist. Soc. Band 12, Nr. 4, 1899, S. 784 (archive.org).
  3. 1 2 3 R. Schodde, G. Kirway, R. Porter: Morphological differentiation and speciation among darters (Anhinga). In: Bulletin of the British Ornithologists’ Club. vol. 132, Nr. 4, 2012, S. 283–294.
  4. 1 2 3 4 5 Whistler, 1949, S. 493–495.
  5. 1 2 3 4 5 Higgins, 1990, S. 801–804.
  6. Baker, 1929, S. 282–283.
  7. Liste der Vogelnamen der IOU IOC World Bird List
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