Jan van Leiden (eigentlich Jan Beuckelszoon oder Beukelszoon; * 2. Februar 1509 bei Leiden; † 22. Januar 1536 in Münster, Westfalen) war eine führende Persönlichkeit der Täufer und späterer „König“ des Täuferreichs von Münster. Eingedeutscht wurde sein Name in Johann Bockelson (oder Bokelson) bzw. Johann von Leiden (oder Leyden).

Leben

Herkunft

Jan Beuckelszoon wurde in der Nähe von Leiden als Sohn des Dorfschulzen Beukel Gerritsz und einer Dienstmagd Aleke oder Alit geboren, die der Vater nach dem Tod seiner Frau heiratete. Jan lernte das Schneiderhandwerk und arbeitete in Flandern und England. Er zog nach Leiden und heiratete die Witwe eines Schiffers. Als Kaufmann reiste er bis nach Lübeck und Lissabon. Schließlich betrieb er in Leiden eine Gastwirtschaft, war Meistersinger, Reimdichter und Schauspieler bei den städtischen Festspielen.

Begegnung mit dem Täufertum

1533 lernte er den Täufer Jan Matthys kennen und ließ sich von ihm taufen. Sein Interesse für die neue christliche Bewegung war schon zuvor erwacht, als er bei einem Besuch in Münster einige Predigten von Bernd Rothmann gehört hatte.

Das Täuferreich von Münster

Jan Matthys sandte Jan van Leiden als Apostel nach Münster, um die dortigen Täufer zu unterstützen. Bald wurde er neben Matthys ihr Führer in der Stadt. Die Täufer errangen die Mehrheit im Rat und machten Münster zu einer ihrer Hochburgen. Der aus der Stadt vertriebene Bischof Franz von Waldeck belagerte die Stadt jedoch seit dem 28. Februar 1534 mit Hilfe seiner Ritterschaft, den Erbmännern und von Landsknechtstruppen, u. a. des Landgrafen Philipp von Hessen.

Als Matthys bei einem Ausfall aus der belagerten Stadt am 4. April 1534 ums Leben kam, stieg van Leiden zum alleinigen Führer der Täufer in Münster auf. Er nahm als Johann I. den Königstitel an, errichtete das „Königreich Zion“ und umgab sich mit einem glänzenden Hofstaat. Mit Hilfe von „12 Aposteln“ als seinem Rat und zusammen mit seinem Statthalter und Scharfrichter Bernd Knipperdolling und seinem „Reichskanzler“ Heinrich Krechting übte er ein Schreckensregiment aus und erstickte jeden Widerstand in Blut. In Vorbereitung auf die vermeintlich nahende Endzeit ließ er alle Bücher bis auf die Bibel verbrennen, schaffte das Geld ab und führte eine an die Gütergemeinschaft der Jerusalemer Urgemeinde angelehnte Gütergemeinschaft ein. Verstöße gegen die Zehn Gebote wurden mit Todesstrafe belegt.

Außerdem führte er – auch gegen den Widerstand seiner Gefährten – die Vielehe ein. Jan van Leiden hatte 17 Frauen. Eine von ihnen war Elisabeth Wandscherer, die sich ihrem Ehemann widersetzt haben und deshalb eigenhändig von ihm hingerichtet worden sein soll. Die Darstellung, sie habe den Täuferkönig kritisiert, weil er mit seinem Hofstaat in Prunk lebe, während das Volk im belagerten Münster Hunger litt, ihm sogar in symbolischer Geste ihren Schmuck zurückgegeben habe, ist nicht sicher überliefert. Jan van Leiden selbst bezeichnet ihr vermeintliches Vergehen im späteren Verhör schlicht als „Ungehorsam“.

Ende

Jan van Leidens Täuferreich endete, als die Truppen des Bischofs und des Landgrafen von Hessen in der Nacht vom 24. auf den 25. Juni 1535 Münster infolge Verrats einnahmen. Erst nach erbitterten Straßenkämpfen wurden die Anhänger der Täufer besiegt. Die Gegenreformation nahm ihren Lauf und erzwang von allen Täufern und auch Lutheranern unter Strafandrohung die Rückkehr zum „rechten Glauben“. Da Jan van Leiden, Bernd Knipperdolling und Bernd Krechting sich nicht bekehren lassen wollten, wurden sie entsprechend dem Wiedertäufermandat des Reichstages von 1529 und dem 1532 eingeführten Strafrecht, der Constitutio Criminalis Carolina, am 22. Januar 1536 mit glühenden Zangen auf qualvolle Weise gefoltert und anschließend erdolcht. Ihre von Brandwunden übersäten Leichen wurden in eisernen Körben am Turm von St. Lamberti zur Abschreckung aufgehängt. Noch 1585 sollen letzte Knochenreste zu sehen gewesen sein. Die Original-Körbe, welche 1927 und 1945 restauriert wurden, hängen noch heute am Turm.

Literatur

  • Guy Bechtel, Jean-Claude Carrière: Le Livre des Bizarres. Editions Robert Laffont, Paris 1981, ISBN 2-221-00617-8, S. 204–205.
  • Carl Adolph Cornelius: Bokelson: Johann. In: Allgemeine Deutsche Biographie (ADB). Band 3, Duncker & Humblot, Leipzig 1876, S. 91–93.
  • Norman Cohn: The Pursuit of the Millennium – dt.: Das Ringen um das tausendjährige Reich. Bern 1961.
  • Heinrich Detmer: Bilder aus den religiösen und sozialen Unruhen in Münster während des 16. Jahrhunderts. Teil 1. Johann von Leiden. Seine Persönlichkeit und seine Stellung im Münsterschen Reiche. Coppenrath, Münster 1903. (Digitalisat, PDF)
  • Joachim Fest: In Münster und anderswo. Zu Friedrich Reck-Malleczewens „Bockelson“. In: Aufgehobene Vergangenheit. Portraits und Betrachtungen. München 1983, S. 96–114.
  • Friedrich Reck-Malleczewen: Bockelson. Geschichte eines Massenwahns. Die Geschichte der Wiedertäufer von Münster. Schützen-Verlag, Berlin 1937
  • Robert Stupperich: Bockelson, Johann. In: Neue Deutsche Biographie (NDB). Band 2, Duncker & Humblot, Berlin 1955, ISBN 3-428-00183-4, S. 344 f. (Digitalisat).
  • Hermann von Kerssenbrock: Die Raserei der Wiedertäufer, welche Münster, die berühmte Hauptstadt in Westphalen, zerstöret hat. 1568.

Belletristische Darstellungen:

  • Pierre Barret und Jean Noel Gurgand: Le roi des derniers jours, l'exemplaire et très cruelle histoire des rebaptisés de Münster (1534–1535). Hachette, Paris 1981, ISBN 2-01-006194-2.
    • Deutsche Ausgabe: Der König der letzten Tage. Ein historischer Roman. Ernst Kabel Verlag, 1993, ISBN 3-8225-0255-3.
  • Luther Blissett (Pseudonym): Q. Roman. Piper, München 2002, ISBN 3-492-04218-X.
  • Rosemarie Schuder Die Erleuchteten oder Das Bild des armen Lazarus zu Münster in Westfalen, von wenig Furchtsamen auch der Terror der Liebe genannt. Berlin (DDR) 1968.
  • Robert Schneider: Kristus. Das unerhörte Leben des Jan Beukels. Roman. Aufbau-Verlag, Berlin 2004, ISBN 3-351-03013-4.
  • Friedrich Reck-Malleczewen: Bockelson. Geschichte eines Massenwahns. Verlag Schützen, Berlin 1937.
  • Helmut Paulus: Die tönernen Füsse. Roman. Verlag P. Vink Bonn, Bonn 1953.
  • Robert Hamerling: Der König von Sion. Epische Dichtung in zehn Gesängen. Richter, Hamburg 1869.
  • Iny Lorentz: Flammen des Himmels. Roman. Verlagsgruppe Droemer Knaur, München 2013.

Oper

Verfilmung

  • König der letzten Tage. Die Geschichte der Wiedertäufer zu Münster. Zweiteiliger Fernsehfilm, ZDF 1993 (Regisseur: Tom Toelle, Jan Bockelson: Christoph Waltz).

Hörspiel

  • Norbert Johannimloh: Hörspiel Künink un Duahlen un Weind (WDR 1964; RB, NDR, NECV Hilversum unter dem Titel Koning in een kooi) schildert, wie Jan van Leiden und seine Genossen in ihren Käfigen am Turm hängen; mit gebrochenen Gliedern aber noch am Leben und Pläne schmiedend, während die Dohlen auf ihre Mahlzeit lauern.

Theater

  • Friedrich Dürrenmatt: Die Wiedertäufer. Eine Komödie in zwei Teilen. Drama. Diogenes, Zürich 1967, ISBN 3-257-23050-8.
  • Zeha Schröders Dokumentarstück Leyden (2008) bringt den originalen Wortlaut der peinlichen Befragung van Leidens nach seiner Inhaftierung auf die Bühne. Der Text wurde vom Theater Freuynde + Gaesdte in einer Tiefgarage am Domplatz von Münster uraufgeführt.
Commons: Jan van Leiden – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. L. Panhuysen: Jantje van Leiden. (= Verloren Verleden. Band 20). Verloren, Hilversum 2003, ISBN 90-6550-461-3, S. 8.
  2. Rita Kauder-Steiniger: Täuferinnen – Opfer oder Heldinnen? Spurensuche nach den Frauen in Münster während der Reformation und der Täuferherrschaft. In: Barbara Rommé (Hrsg.): Das Königreich der Täufer in Münster - Neue Perspektiven. Berlin u. a. 2003. Zitiert in: Täuferkönig Jan van Leiden mit Gefolge in Münster. Evangelischer Kirchenkreis Steinfurt–Coesfeld–Borken. Abgerufen am 20. September 2018.
  3. Leicht verständlich und kritisch. In: Westfälische Nachrichten 22. November 2017.
  4. Hörspiel Küenink un Duohlen un Wind in der Datenbank Die niederdeutsche Literatur
  5. Schallplatte Künink un Duahlen un Weind siehe Norbert Johannimloh im Lexikon Westfälischer Autorinnen und Autoren
  6. Freuynde + Gaesdte > Leyden. Abgerufen am 20. Januar 2023.
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