Jeanne Kosnick-Kloss (auch: Hannah Kosnick-Kloss oder Kosnik-Kloss, Jeanne Freundlich, Hannah Freundlich; * 3. März 1892 oder 13. März 1892 in Glogau; † 23. April 1966 in Paris) war eine deutsch-französische Malerin, Bildhauerin, Teppichwirkerin und Sängerin. Sie war Mitglied in der Künstlergruppe Abstraction-Création und stellte ihre Arbeiten in verschiedenen Galerien und Gruppenausstellungen aus. Seit 1930 war sie die Lebensgefährtin des Malers Otto Freundlich, mit dem sie auch im gemeinsamen Atelier arbeitete.

Leben

Johanna (Hannah) Kloss wurde 1892 im schlesischen Glogau geboren. Ihr Vater war Jurist und stammte aus Schlesien, die Mutter aus dem Rheinland. Die Schule besuchte sie u. a. in Köln. In den Jahren 1908/09 folgte ein mehrmonatiger Aufenthalt in Genf; von 1909 bis 1912 leistete sie Dienst als Hilfskrankenschwester in Danzig und nahm ab 1912 ein Gesangsstudium in Berlin auf, unterbrochen von einem Dienst als Militärschwester in 1914/15.

In Berlin heiratete sie 1920 den Pianisten und Schriftsteller Heinrich Kosnick, ihren ehemaligen Klavierlehrer. Auf Einladung von Walter Gropius und Wassily Kandinsky gab das Ehepaar 1923 ein „avantgardistisches Konzert“ am Weimarer Bauhaus, wo sie auch Bekanntschaft mit Paul Klee und Lyonel Feininger machten. Das Paar zog nach Saint-Jean-Cap-Ferrat in Südfrankreich, wo Kosnick-Kloss zu malen begann. Ab 1926 entstanden zahlreiche Arbeiten in Öl, Pastell, Aquarell und Gouache, die 1927 erstmals in der Galerie Billiet, danach auch in Berlin und Danzig ausgestellt wurden.

Von Heinrich Kosnick trennte sie sich 1929 und zog nach Paris; das Paar blieb jedoch verheiratet (eine biographische Darstellung geht davon aus, dass Heinrich Kosnick die Scheidung verweigerte, um eine Eheschließung mit dem Juden Otto Freundlich zu verhindern). Ihr Vorname Hannah wurde in Frankreich zu Jeanne. 1930 lernte sie ihren späteren Lebensgefährten Otto Freundlich kennen; gemeinsam arbeiten die beiden an Mosaiken, Skulpturen und Tapisserien und betrieben ab 1934 unter der Firmierung „Le Mur“ in ihrem gemeinsamen Atelier in der Rue Henry Barbusse in Paris eine kleine Kunstschule. Hier wurde die Künstlerin auch zur Mentorin des jungen Gaston Chaissac, mit dem sie bis zu seinem Tod korrespondierte. 1933 bis 1934 war Kosnick-Kloss Mitglied der Künstlergruppe Abstraction-Création, außerdem zusammen mit Freundlich Mitglied in der Association des Écrivains et Artistes Révolutionnaires. Ihre Arbeiten wurden 1939 in der Vorläuferausstellung des Salon des Réalités Nouvelles in der Galerie Charpentier ausgestellt.

Seit Beginn des Zweiten Weltkriegs 1939 galt Otto Freundlich in Frankreich als „feindlicher Ausländer“ und wurde in verschiedenen Lagern interniert. Im März 1940 kam er kurz frei, und das Paar traf in Paris wieder zusammen, bevor Freundlich nach einem weiteren Lageraufenthalt schließlich in Saint-Paul-de-Fenouillet in den Pyrenäen Zuflucht fand, wo Kosnick-Kloss im September 1940 zu ihm stieß. Versuche, in die Vereinigten Staaten zu gelangen, schlugen fehl. Seit Anfang 1943 kam das Paar in Saint-Martin-de-Fenouille bei Bauern unter. Unter extrem eingeschränkten Lebensbedingungen waren beide weiterhin künstlerisch tätig. Als Freundlich im Februar 1943 denunziert wurde und daraufhin in Gurs interniert war, übereignete er für den Fall seines Todes alle seine Arbeiten im Pariser Atelier an seine Lebensgefährtin. Anfang März wurde er im Konzentrationslager Lublin-Maidanek ermordet.

Nach Freundlichs Tod kehrte Jeanne Kosnick-Kloss „mit dem ersten amerikanischen Zug“ 1944 nach Paris zurück, wo das gemeinsame Atelier und alle Arbeiten „wie durch ein Wunder“ – allerdings auch durch finanzielle Unterstützung von Pablo Picasso – Krieg und Besatzung unbeschadet überstanden hatte. Sie betreute nun den künstlerischen Nachlass von Freundlich, auch fertigte sie Teppiche oder Mosaiken nach Vorbildern und Motiven ihres verstorbenen Lebensgefährten. Schon 1945 stellte sie wieder aus und nahm 1956 erneut am Salon des Réalités Nouvelles teil, lebte jedoch in materiell schwierigen Verhältnissen, zumal sie aufgrund ihrer Beziehung zu Otto Freundlich auch nicht vom Erbe ihrer Eltern profitieren konnte.

Zusammen mit Hans Arp und Sonia Delaunay gründete sie 1957 die Association des amis d'Otto Freundlich (dt.: Gesellschaft der Freunde Otto Freundlichs), die sich mit der Verwaltung des Nachlasses von Otto Freundlich befasste und darüber hinaus junge, talentierte Künstler ohne Ansehen von „Rasse, Klasse, Religion oder Nationalität“ fördern sollte.

1948 erhielt Jeanne Kosnick-Kloss die französische Staatsbürgerschaft. Nachdem sie schließlich doch noch von Heinrich Kosnick geschieden worden war, wurde 1958 ihre langjährige Beziehung mit Otto Freundlich anerkannt und sie durfte offiziell seinen Nachnamen tragen. Kosnick-Kloss starb 1966 in Paris und ist auf dem Friedhof in Auvers-sur-Oise beigesetzt, wo auch der Name Otto Freundlichs mit auf der Grabplatte steht.

Nach ihrem Tod wurde die Gesellschaft umbenannt in Association des amis de Jeanne et Otto Freundlich, also „Freunde Jeanne und Otto Freundlichs“; Vorsitzender war lange Zeit der Galerist René Drouin. Die im Atelier verbliebenen Werke Otto Freundlichs gingen als Schenkung an das Musée Tavet-Delacour in Pontoise, der schriftliche Nachlass der Association wird seit 2004 vom Institut mémoires de l’édition contemporaine (IMEC) aufbewahrt. Der die Künstlerin betreffende Unterbestand des Nachlasses umfasst 18 Kartons und ist (Stand 2008) noch weitestgehend unerschlossen.

Arbeiten

Hannah Kosnick-Kloss' erste Arbeiten aus Mitte der zwanziger Jahre waren sowohl gegenständlich als auch abstrakt. Motive waren phantastische Landschaften oder Gestalten, die die Kuratorin Edda Maillet in Verbindung mit Art brut bringt. Ihr Lebensgefährte Otto Freundlich wurde auch zu ihrem primären künstlerischen Mentor, so dass sein Einfluss auf ihre Arbeiten der stärkste war. Einflüssen anderer Gruppen und Künstler, etwa Abstraction-Création oder Sonia und Robert Delaunay habe sie sich laut Kunsthistoriker und Kurator Bernhard Holeczek eher entzogen. Als verbindendes Merkmal der Arbeiten des Künstlerpaars könne die Musik „als reinste Form künstlerischer Abstraktheit“ angesehen werden, denn auch Otto Freundlich hatte sich mit Musiktheorie auseinandergesetzt.

Seit 1933 beschäftigte sich Kosnick-Kloss auch mit der Bildhauerei; zwei Reliefs wurden in der Gruppenausstellung von Abstraction-Création gezeigt. Sie arbeitete jedoch auch mit anderen Techniken und Materialien, etwa Textilien (Tapisserien) und Mosaiken. Holeczek sieht in ihren Nachkriegsarbeiten, vor allem bei den Skulpturen und Reliefs, ihre künstlerische Eigenständigkeit.

Ausstellungsbeteiligungen (Auswahl)

Werke in Sammlungen öffentlicher Museen

Literatur

  • Kosnick-Kloss, Jeanne. In: Hans Vollmer (Hrsg.): Allgemeines Lexikon der bildenden Künstler des XX. Jahrhunderts. Band 3: K–P. E. A. Seemann, Leipzig 1956, S. 102.
  • Renate Treydel: Kosnick-Kloss, Jeanne. In: Allgemeines Künstlerlexikon. Die Bildenden Künstler aller Zeiten und Völker (AKL). Band 81, de Gruyter, Berlin 2014, ISBN 978-3-11-023186-1, S. 360.
  • René Reichard, Bernhard Holeczek, Edda Maillet: Jeanne Kosnick-Kloss. Arbeiten 1930–1950. Galerie Reichard, Frankfurt am Main 1993 (enthält ausführliche Angaben zu Leben und Werk)

Einzelnachweise

  1. René Reichard, Bernhard Holeczek, Edda Maillet: Biographie. In: Galerie Reichard (Hrsg.): Jeanne Kosnick-Kloss. Arbeiten 1930 – 1950. Frankfurt am Main 1993, S. 18.
  2. Das in der vorigen Belegstelle genannte Datum – 3. März – ist zwar das derzeit einzige seriös und sekundär belegte, es gibt jedoch Gründe zu der Annahme, dass 13. März korrekt ist. Ein gültiger Beleg wird nachgereicht.
  3. Archives en ligne de Paris, 14e arrondissement, année 1966, acte de décès. Siehe Doppelseite 4, links Nr. 1917 (archives.paris.fr).
  4. 1 2 3 4 René Reichard, Bernhard Holeczek, Edda Maillet: Biographie. In: Galerie Reichard (Hrsg.): Jeanne Kosnick-Kloss. Arbeiten 1930 – 1950. Frankfurt am Main 1993, S. 18.
  5. Einige Publikationen nennen fälschlich 1955 als Sterbejahr, so etwa Hedwig Brenner: Jüdische Frauen in der bildenden Kunst (III), Hartung-Gorre-Verlag, Konstanz 2006 und Jörg Krichbaum, Rein A. Zondergeld: Künstlerinnen. Von der Antike bis zur Gegenwart. S. 45.
  6. 1 2 Kosnick-Kloss, Jeanne. In: Hans Vollmer (Hrsg.): Allgemeines Lexikon der bildenden Künstler des XX. Jahrhunderts. Band 3: K–P. E. A. Seemann, Leipzig 1956, S. 102.
  7. 1 2 3 4 5 6 7 Edda Maillet: Jeanne Kosnick-Kloss. Biographie nach Schriften, Notizen und anderen Dokumenten. In: Galerie Reichard (Hrsg.): Jeanne Kosnick-Kloss. Arbeiten 1930–1950. Frankfurt am Main 1993, S. 1215.
  8. 1 2 3 4 5 6 7 8 9 Bernhard Holeczek: Allegro ma non tanto. In: Galerie Reichard (Hrsg.): Jeanne Kosnick-Kloss. Arbeiten 1930 – 1950. Frankfurt am Main 1993, S. 79.
  9. 1 2 3 4 Jeanne Kosnick-Kloss. Épouse Freundlich, découvreuse de Chaissac. In: Cornette de Saint Cyr (Hrsg.): Art Moderne & Art Contemporain. Paris 2012, S. 103135 (französisch, cornettedesaintcyr.fr [PDF]).
  10. Joël Mettay: Die verlorene Spur: auf der Suche nach Otto Freundlich. Wallstein Verlag, 2005, ISBN 978-3-89244-970-6, S. 84.
  11. Josette Rasle: Gaston Chaissac, homme de lettres:. exposition du 11 avril au 22 juillet 2006, Musée de la poste. Hrsg.: Musée de la poste. Ecole nationale supérieure des beaux-arts, Paris 2006, S. 39.
  12. M. Lluïsa Faxedas-Brujats: Mujeres artistas de la vanguardia internacional: el caso de Abstraction-Création (1931–1936). Women artists of the international avant-garde: the case of Abstraction-Création (1931–1936). 3. September 2014, S. 487 (spanisch).
  13. Angela Thomas: Aus der bewegten Geschichte der internationalen Künstlervereinigung Abstraction Création, Paris 1931–1937. In: Stiftung Wilhelm Lehmbruck Museum - Zentrum internationaler Skulptur, Duisburg (Hrsg.): Für eine neue Welt, Georges Vantongerloo 1886–1965 und seine Kreise von Mondrian bis Bill. Scheidegger & Spiess, Zürich 2009, S. 241242.
  14. 1 2 Charlotte Huguet: Le point sur un fonds, un outil, une recherche. Le fonds d’archives de l’Association des amis de Jeanne et Otto Freundlich. In: Antoinette Le Normand-Romain (Hrsg.): Les Nouvelles de l’INHA. n° 31. Paris April 2008, S. 46 (inha.fr [PDF]).
  15. 1 2 Domitille d’Orgeval: Jeanne Kosnick-Kloss. In: Galerie Drouart (Hrsg.): réalités nouvelles 1946 - 1955. Paris November 2006, S. 151152.
  16. Die Kunst und das schöne Heim. Band 50. F. Bruckmann.
  17. Tombe de Jeanne Kosnick-Kloss à Auvers-sur-Oise. In: auvers-sur-oise.eu. Abgerufen am 4. Februar 2017 (französisch).
  18. 1 2 3 4 5 6 7 8 René Reichard, Bernhard Holeczek, Edda Maillet: Einzelausstellungen, Ausstellungsbeteiligungen. In: Galerie Reichard (Hrsg.): Jeanne Kosnick-Kloss. Arbeiten 1930 – 1950. Frankfurt am Main 1993, S. 2022.
  19. M. Lluïsa Faxedas-Brujats: Mujeres artistas de la vanguardia internacional: el caso de Abstraction-Création (1931–1936). Women artists of the international avant-garde: the case of Abstraction-Création (1931–1936). 3. September 2014, S. 495 (spanisch).
  20. Kroniek van Hedendaagsche Kunst en Kuituur: Tentoonstelling Abstracte Kunst Stedelijk Museum (Katalog zur Ausstellung). Hrsg.: N.Y. Uitgeversbedrijf „De Spieghel“. 1938, S. 3 (niederländisch, Digitalisat bei bibliothequekandinsky.centrepompidou.fr [PDF]).
  21. Hélène Roussel: German-speaking Artists in Parisian Exile: Their Routes to the French Capital, Activities There, and Final Flight – a Short Introduction. In: Ines Rotermund-Reynard (Hrsg.): Contact Zones 2. Echoes of Exile: Moscow Archives and the Arts in Paris 1933-1945, Nr. 2. Walter de Gruyter, 2014, ISBN 978-3-11-029065-3, S. 17.
  22. Joachim Heusinger von Waldegg: Otto Freundlich (1878–1943). Monographie mit Dokumentation und Werkverzeichnis. In: Rheinisches Landesmuseum Bonn, Kunstverein Braunschweig, Neuer Berliner Kunstverein (Hrsg.): Kunst und Altertum am Rhein. Ausgabe 92. Rheinland-Verlag, Pulheim 1978, S. 40.
  23. Gebaute Bilder. Werke aus der Sammlung Hupertz 10. Februar – 26. Mai 2013. (Nicht mehr online verfügbar.) In: ernst-barlach-haus.de. Ernst-Barlach-Haus, archiviert vom Original am 4. März 2016; abgerufen am 4. Februar 2017.
  24. artist-info.com: Artist | Jeanne Freundlich Kosnick-Kloss (1892–1955). Abgerufen am 4. Februar 2017.
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