Joseph Schildkraut (* 22. März 1896 in Wien, Österreich; † 21. Jänner 1964 in New York, USA) war ein österreichisch-US-amerikanischer Film- und Theaterschauspieler. Er gewann 1938 den Oscar als Bester Nebendarsteller für seinen Auftritt als Alfred Dreyfus in Das Leben des Emile Zola.
Leben
Joseph Schildkraut, der Sohn des bekannten Schauspielers Rudolph Schildkraut, wurde bereits in jungen Jahren von Albert Bassermann unterrichtet. 1910 begleitete er seinen Vater auf dessen Tournee in die USA und kehrte 1913 nach Europa zurück. In Berlin wurde Schildkraut durch Max Reinhardt ausgebildet und bald darauf bekannt. Nach Filmen in Deutschland und Österreich, in denen er mitwirkte, zog Schildkraut 1920 in die USA. 1921 erfolgte sein Filmdebüt in den USA, in den folgenden Jahren spielte er Hauptrollen bei Film- und Theater. Im Jahre 1923 bezog er eine Tagesgage von 500 US-Dollar, was heute ungefähr 7.900 Dollar entspricht. Außerdem stand er 1923 in Peer Gynt und 1932 in Alice im Wunderland am Broadway auf der Bühne.
Joseph Schildkraut gewann 1938 den Oscar in der Kategorie Bester Nebendarsteller. Diese Kategorie war nach 1937 erst zum zweiten Mal verliehen worden. Den Oscar erhielt er für seine Darstellung in der Filmbiografie Das Leben des Emile Zola, in der er Alfred Dreyfus – das Opfer einer antisemitischen Intrige in der Dreyfus-Affäre – darstellte. Schildkraut, Paul Muni (der 1937 den Oscar als Bester Hauptdarsteller erhielt), Maximilian Schell (1962) und Christoph Waltz (2010 und 2012) sind die bislang einzigen Österreicher, die mit einem Schauspiel-Oscar ausgezeichnet wurden. In den folgenden Jahren nach seinem Oscar-Gewinn übernahm Schildkraut zahlreiche Charakterrollen in Hollywood, oftmals Schurken, unter anderem als Herzog von Orleans im Historienfilm Marie-Antoinette (1938) oder als selbstverliebter Ladenverkäufer in Ernst Lubitschs Komödie Rendezvous nach Ladenschluß (1940).
In den 1940er- und 1950er-Jahren widmete sich Schildkraut wieder verstärkt der Theaterarbeit und stand nur selten für Filme vor der Kamera. Einen späten Erfolg erzielte er mit seiner Darstellung des Otto Frank in dem Film Das Tagebuch der Anne Frank (1959) unter Regie von George Stevens, der ersten Kinoverfilmung des Tagebuchs der Anne Frank. Er hatte die Rolle des Otto Frank zuvor bereits in dem Broadway-Stück gespielt und erhielt für seine Darstellung im Film eine Nominierung für den Golden Globe Award in der Kategorie Bester Hauptdarsteller (Drama). Ab den 1950er-Jahren spielte er auch mehrfach im US-Fernsehen, unter anderem in den Serien Dr. Kildare und Twilight Zone. Ein Gastauftritt als Rabbi in einer Folge der Serie Sam Benedict brachte ihm 1962 eine Nominierung für den Emmy Award ein. Kurz nach den Dreharbeiten zu Die größte Geschichte aller Zeiten starb er im Januar 1964 im Alter von 67 Jahren an einem Herzinfarkt.
Privatleben
Am 7. April 1923 heiratete Schildkraut zum ersten Mal. Die Ehe mit der Filmschauspielerin Elise Bartlett wurde am 9. Juni 1930 geschieden. Mit seiner zweiten Ehefrau, Marie McKay, die er am 27. Mai 1932 heiratete, war Schildkraut 29 Jahre verheiratet. Sie starb bei Dreharbeiten am 17. Februar 1962. Im Sommer 1963 heiratete Schildkraut Leonora Rogers, mit der er bis zu seinem Tod verheiratet blieb. Jede der drei Ehen blieb kinderlos.
Schildkraut-Archiv
Joseph Schildkraut sammelte Briefe, Dokumente und Fotos der Familie von Anne Frank. Eine Reihe von Dokumenten stammt aus dem Besitz Otto Franks, ihres Vaters. Das Archiv wurde am 5. November 2012 im Auktionshaus Doyle in New York versteigert und vom Anne-Frank-Haus erworben. Ebenso versteigert wurde Schildkrauts nicht zum Archiv gehörender Nebenrollen-Oscar, den er 1937 für seine Rolle als Dreyfus in The Life of Emile Zola erhielt. Der Zuschlag erfolgte bei $ 164.520.
Filmografie (Auswahl)
- 1915: Dämon und Mensch
- 1915: Schlemihl
- 1916: Der Glücksschneider
- 1916: Für den Ruhm des Geliebten
- 1917: Ein Blatt im Sturm … doch das Schicksal hat es verweht
- 1921: Theodor Herzl, der Bannerträger des jüdischen Volkes
- 1921: Zwei Waisen im Sturm (Orphans of the Storm)
- 1927: König der Könige (The King of Kings)
- 1929: Showboat (Show Boat)
- 1932: The Blue Danube
- 1934: Cleopatra
- 1934: Schrei der Gehetzten (Viva Villa!)
- 1935: Kreuzritter – Richard Löwenherz (The Crusades)
- 1936: Der Garten Allahs (The Garden of Allah)
- 1937: Das letzte Sklavenschiff (Slave Ship)
- 1937: Das Leben des Emile Zola (The Life of Emile Zola)
- 1937: Schiffbruch der Seelen (Souls at Sea)
- 1938: Marie-Antoinette
- 1938: Suez
- 1939: Der Mann mit der eisernen Maske (The Man in the Iron Mask)
- 1939: Nacht über Indien (The Rains Came)
- 1939: Idiot’s Delight
- 1939: Lady of the Tropics
- 1939: Mr. Moto und sein Lockvogel (Mr. Moto Takes a Vacation)
- 1940: Rendezvous nach Ladenschluß (The Shop Around the Corner)
- 1945: San Francisco Lilly (Flame of Barbary Coast)
- 1946: Mit Pinsel und Degen (Monsieur Beaucaire)
- 1947: Leise spielt die Balalaika (Northwest Outpost)
- 1948: Der Rächer von Los Angeles (Old Los Angeles)
- 1948: Die rauhen Reiter der furchtlosen Legion (The Gallant Legion)
- 1959: Das Tagebuch der Anne Frank (The Diary of Anne Frank)
- 1961: King of the Roaring 20's: The Story of Arnold Rothstein
- 1965: Die größte Geschichte aller Zeiten (The Greatest Story Ever Told)
Auszeichnungen
- 1938: Oscar als Bester Nebendarsteller für Das Leben des Emile Zola
- 1960: Golden-Globe-Nominierung als Bester Schauspieler – Drama für Das Tagebuch der Anne Frank
- Stern auf dem Hollywood Walk of Fame.
Literatur
- Andreas Ungerböck: Zwischen zwei Welten. Joseph Schildkraut: Porträt des Künstlers als schöner Mann. In: Christian Cargnelli, Michael Omasta (Hrsg.): Aufbruch ins Ungewisse. Band 1: Österreichische Filmschaffende in der Emigration vor 1945. Wespennest, Wien 1993, ISBN 3-85458-503-9, S. 143–154.
- Rudolf Ulrich: Joseph Schildkraut – Schauspieler. Im Rahmen der Serie „Österreicher in Hollywood“. In: Österreich Journal. Ausgabe 72, vom 31. Mai 2009, ZDB-ID 2496115-2, S. 90–92.
- Joseph Schildkraut, My Father and I, as told to Leo Lania, New York 1959.
- C. Bernd Sucher (Hrsg.): Theaterlexikon. Autoren, Regisseure, Schauspieler, Dramaturgen, Bühnenbildner, Kritiker. Von Christine Dössel und Marietta Piekenbrock unter Mitwirkung von Jean-Claude Kuner und C. Bernd Sucher. 2. Auflage. Deutscher Taschenbuch-Verlag, München 1999, ISBN 3-423-03322-3, S. 607 f.
- Kay Weniger: Das große Personenlexikon des Films. Die Schauspieler, Regisseure, Kameraleute, Produzenten, Komponisten, Drehbuchautoren, Filmarchitekten, Ausstatter, Kostümbildner, Cutter, Tontechniker, Maskenbildner und Special Effects Designer des 20. Jahrhunderts. Band 7: R – T. Robert Ryan – Lily Tomlin. Schwarzkopf & Schwarzkopf, Berlin 2001, ISBN 3-89602-340-3, S. 107 f.
Siehe auch
Weblinks
- Joseph Schildkraut in der Internet Movie Database (englisch)
- Joseph Schildkraut. In: Virtual History (englisch)
Einzelnachweise
- ↑ Die Schildkrauts. In: Der Tag / Der Wiener Tag, 14. Jänner 1923, S. 7 (online bei ANNO).
- ↑ Diese Zahl wurde mit der Vorlage:Inflation ermittelt, ist auf volle 100 US-Dollar gerundet und bezieht sich auf Januar 2023.
- ↑ Joseph Schildkraut | Biography, Movie Highlights and Photos. Abgerufen am 14. Dezember 2022 (englisch).
- ↑ Jennifer Schuessler: Rare Otto Frank Archive to Be Auctioned in New York in: New York Times vom 14. August 2012.
- ↑ Anne Frank. Das Schildkraut-Archiv wird versteigert in Spiegel Online vom 14. August 2012.
- ↑ Anne Frank Haus erwirbt wichtige Sammlung
- ↑ Auktionsmitteilung in finebooksmagazine.com s. „OTTO FRANK ARCHIVE“
- ↑ Zuschlagspreis auf natedsanders.com