Josephine Elizabeth Butler (* 13. April 1828 in Northumberland; † 30. Dezember 1906) war eine britische Feministin der Viktorianischen Ära und die Leitfigur in der Kampagne gegen die Contagious Diseases Acts (Gesetze zur Bekämpfung ansteckender Krankheiten). Vom französischen Soziologen Jean Baubérot wird Butler als eines der bedeutendsten Beispiele für die protestantische Verbindung von sittlichem und sozialem Engagement im 19. Jahrhundert eingeordnet.
Leben und Werk
Herkunft
Butler war das siebte Kind von John Grey und Hannah Annett. John Grey war ein landwirtschaftlicher Reformer und ausgesprochener Gegner der Sklaverei. Durch ihre Mutter Hannah Annett erhielt sie eine sehr religiöse Erziehung. Ihre Familie besaß weitgehende verwandtschaftliche Beziehungen. Ihr Vater war beispielsweise ein Cousin des zu den britischen Reformern zählenden Premierministers Charles Grey. Josephine Butlers Tante Margaretta Grey zählte zu den frühen Feministinnen des 19. Jahrhunderts.
Beginn des öffentlichen Engagements
Josephine Butler heiratete 1852 den Erzieher und anglikanischen Priester George Butler, mit dem sie vier Kinder hatte. Zusammen mit ihrem Mann hatte sie sich seit dem Ausbruch des Amerikanischen Bürgerkriegs 1861 auf die Seite der Union gestellt und in Großbritannien sowohl für die Unterstützung dieser Kriegspartei als auch deren geplanten Abschaffung der Sklaverei geworben.
Aufgrund ihres Engagements gegen die Sklaverei besaß sie bereits Erfahrungen in der Durchführung einer politischen Kampagne, keinerlei Erfahrung dagegen als öffentliche Rednerin. Aufgrund ihres ehrenamtlichen Engagements in der Wohlfahrt war sie dafür mit den Lebensumständen von Prostituierten wohlvertraut. Unter den mittellosen Prostituierten, die im Liverpooler Arbeitshaus einsaßen, sowie denen, die in den Docks auf Kunden wartete, hatte sie für ein religiöseres Leben missioniert. Um über den Unfalltod ihrer einzigen Tochter hinwegzukommen, gründete sie selber ein Heim, in dem Prostituierte Aufnahme fanden. Zumindest von zwei an Tuberkulose sterbenden Prostituierten ist bekannt, dass Josephine Butler sie in ihrem eigenen Heim pflegte, bis diese an ihrer Krankheit verstarben. Aus Butlers Sicht waren Prostituierte Opfer ihrer Lebensumstände.
Kampf gegen die Contagious Diseases Acts
1869 nahm sie sich der Kampagne gegen die Contagious Diseases Acts an. Diese Gesetze zielten auf eine soziale und gesundheitspolitische Kontrolle von Prostituierten und machten allein diese, nicht aber ihre männlichen Klienten, für die Ausbreitung von Geschlechtskrankheiten verantwortlich. Mit der Zeitschrift The Storm Bell attackierte sie vor allem die Doppelmoral der Erlasse und setzte sich für eine bessere Erziehung und bessere Beschäftigungsmöglichkeiten von Frauen ein, um ihnen Alternativen zur Prostitution zu bieten.
Ihr langjähriger Kampf führte letztlich dazu, dass 1883 die Erlasse suspendiert und 1886 vollständig aufgehoben wurden. Sie setzte sich in den Folgejahren vor allem gegen den Frauenhandel ein. Sie trug außerdem dazu bei, dass 1885 das Ehemündigkeitsalter in Großbritannien von 13 auf 16 Jahre heraufgesetzt wurde. Über die langfristigen Auswirkungen, die ihre Kampagne hatte, schrieb die Autorin Melanie Phillipps:
- [In den sechzehn Jahren, bis der Erlass widerrufen wurde] veränderte diese Kampagne die politische Landschaft. Mit der Kampagne wurden soziale und sexuelle Konventionen hinterfragt, die nie zuvor öffentlich diskutiert wurden. Die Kampagne radikalisierte zahlreiche Frauen, härtete sie ab gegenüber öffentlichen Angriffen und Verleumdungen und schuf eine Infrastruktur des politischen Protests. (Philipps, S. 86)
Literatur
- Jean Baubérot: Die protestantische Frau. In: Georges Duby, Michelle Perrot (Hrsg.): Geschichte der Frauen. Band 4: 19. Jahrhundert. Campus, Frankfurt am Main 1994, ISBN 3-593-34909-4.
- Melanie Phillips: The Ascent of Woman. A History of the Suffragette Movement and the ideas behind it. Time Warner, London 2003, ISBN 0-349-11660-1.