Die Kannelierung (lateinisch canna = „(Schilf-)Rohr“; französisch cannelure = „Rinne“, „Furche“, „Rille“) ist die senkrechte Auskehlung eines Objektes, meist einer Säule, eines Pfeilers oder eines Pilasters mit konkaven Furchen. Als dekoratives Motiv wurden sie auch im Möbelbau, Kunsthandwerk und der Metallverarbeitung übernommen.
Geschichte
Säulengliederungen durch konvexe „Kannelierungen“ gab es bereits in der Baukunst des Alten Ägypten und entwickeln sich dort aus in Stein übertragenen Papyrusstengeln. Konkave Kannelüren erscheinen zuerst bei griechischen Tempeln (z. B am Parthenon) und wurden später in die römische Baukunst übernommen. In der Spätantike verschwanden sie allmählich; doch erlebten sie ein zwischenzeitliches Wiederaufleben in der Baukunst der Renaissance und des Klassizismus.
- Parthenon-Tempel, Athen, Griechenland
Funktion
Die Kannelierung hat keine bautechnische Funktion; sie dient vielmehr der optischen Strukturierung des Schaftes, betont das Aufstreben der Säule und überspielt die horizontalen Fugen zwischen den einzelnen Säulentrommeln, um den Schaft monolithisch erscheinen zu lassen.
Formen
Dorische Säulen haben in der Regel 20 flache Kanneluren, die sich in Graten verschneiden, daher auch als „Gratkannelierung“ bezeichnet. Säulen ionischer und korinthischer Ordnung haben hingegen – zumindest seit klassischer Zeit – meist 24 Kanneluren, die durch einen schmalen Steg (Stria) voneinander getrennt sind. Sie sind im Querschnitt halbkreisförmig und werden am oberen und unteren Ende ebenfalls halbkreisförmig abgeschlossen. Die Enden bilden also das Viertel einer Kugel. In archaischer Zeit hingegen hatten ionische Säulen flache Kanneluren in unterschiedlicher Zahl bis zu 48, die durch nur sehr schmale Stege getrennt waren oder sich teils sogar wie an dorischen Säulen in Graten berührten.
Seit dem Hellenismus wurden Säulen bisweilen erst ab einer bestimmten Höhe kanneliert („teilkannelierte“ Säulen oder „Teilkanneluren“). Im unteren Bereich können die Säulenschäfte dabei glatt belassen oder in Facetten gearbeitet sein, die im Gegensatz zu Kanneluren die Form ebener Streifen haben. In der römischen Architektur wurden in ähnlicher Weise die Kanneluren im unteren Teil des Säulenschaftes manchmal mit schmalen Rundstäben, sogenannten „Pfeifen“, gefüllt. Diese Unterteilung des Schaftes, die der ursprünglichen Betonung der Senkrechten entgegenläuft, bewirkt eine horizontale Gliederung einer Säulenfront.
Waffentechnik
In der Waffentechnik (z. B. bei Revolvertrommeln oder Gewehrläufen) dient die Kannelierung zur Gewichtsreduzierung bei hoher Stabilität (Aussteifung durch das stehengebliebene Material) und zur Vergrößerung der Oberfläche zwecks besserer Wärmeableitung. Bei manchen Übungspatronen wird die Hülse kanneliert, um diese sicht- und fühlbar von scharfen Patronen zu unterscheiden. Hier wird umgangssprachlich häufig der Begriff „Flutung“ als eingedeutschte Version des englischsprachigen Begriffs verwendet.
- Kannelierter Lauf eines PKS-MGs
- Kannelierter Lauf eines McMillan Tac-50
- Übungspatrone mit Kannelierung
- Französischer Revolver, oben mit kannelierter Trommel und unten mit nicht kannelierter Trommel
Literatur
- Detlev Wannagat: Säule und Kontext. Piedestale und Teilkannelierung in der griechischen Architektur. Biering & Brinkmann, München 1995, ISBN 3-930609-07-X (Zugleich: Bochum, Universität, Dissertation, 1990).