Karl Leo Heinrich Lehmann (von 1920 bis 1944 Karl Lehmann-Hartleben nach dem Geburtsnamen seiner ersten Ehefrau Elwine (1894–1944); * 27. September 1894 in Rostock; † 17. Dezember 1960 in Basel) war ein deutsch-US-amerikanischer Klassischer Archäologe.

Leben

Karl Lehmann war Sohn des Rostocker Juristen Karl Lehmann und der Künstlerin Henni Lehmann, seine ältere Schwester war die spätere Etruskologin Eva Fiesel.

Lehmann studierte an den Universitäten Tübingen, Göttingen und München. Am Ersten Weltkrieg nahm er als Dolmetscher teil, 1917 bis 1918 im Dienst der türkischen Marine. 1922 wurde er an der Universität Berlin bei Ferdinand Noack mit einer Arbeit über Die antiken Hafenanlagen des Mittelmeeres promoviert, war 1923 am Deutschen Archäologischen Institut (DAI) in Athen tätig und nach der Habilitation in Berlin 1924 am DAI in Rom. Von 1925 bis 1929 lehrte er am Archäologischen Institut der Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg als Privatdozent (1928–1929 als Vertreter des vakanten Lehrstuhls) und erhielt 1929 eine Professur für Klassische Archäologie an der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster. Dort wurde er im April 1933 als Jude nach dem Gesetz zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums entlassen, als er sich gerade zu einer Grabung in Pompeji aufhielt. Über Italien emigrierte er 1935 weiter in die Vereinigten Staaten, wo er Professor am Institute of Fine Arts der New York University wurde.

Seine Forschungen richteten sich in den 1920er Jahren zunächst auf die Trajanssäule in Rom. Zusammen mit dem Bildhauer Kurt Kluge publizierte das epochale Werk Die antiken Großbronzen. Weiter interessierte ihn die Stadt- und Siedlungsgeschichte der Antike. In New York leitete er den von ihm gegründeten Archaeological Research Fund, 1938 begannen seine Ausgrabungen von Samothraki, wo er das Kabirenheiligtum erforschte. 1946 initiierte er als Direktor des Institute of Fine Arts zusammen mit Fritz Saxl (Warburg Institute) und Richard Krautheimer (Vassar College) den Census of Antique Works of Art and Architecture Known in the Renaissance.

1944 erhielt er die Staatsbürgerschaft der Vereinigten Staaten. Nach der Scheidung von seiner ersten Frau, mit der er drei Söhne hatte, heiratete er 1944 die Archäologin Phyllis Williams (1912–2004), die an den Ausgrabungen in Samothrake teilgenommen hatte.

Schriften (Auswahl)

  • Die antiken Hafenanlagen des Mittelmeeres. Dieterich, Leipzig 1923 (Dissertation 1922). Nachdruck Scientia, Aalen 1963.
  • Die Trajanssäule. Ein römisches Kunstwerk zu Beginn der Spätantike. De Gruyter, Berlin u. a. 1926 (Habilitationsschrift).
  • mit Kurt Kluge: Die antiken Grossbronzen. 3 Bände, de Gruyter, Berlin 1927.
  • Thomas Jefferson, American humanist. Macmillan, New York 1947.
  • Samothrake. Band 2,2: The inscriptions on ceramics and minor objects. Pantheon Books, New York 1960.

Literatur

  • Christoph Schwingenstein: Lehmann, Karl. In: Neue Deutsche Biographie (NDB). Band 14, Duncker & Humblot, Berlin 1985, ISBN 3-428-00195-8, S. 85 f. (Digitalisat).
  • Karen Michels: Transplantierte Kunstwissenschaft. Deutschsprachige Kunstgeschichte im amerikanischen Exil. Akademie Verlag, Berlin 1999, ISBN 3-05-003276-6, S. 30 u. a.
  • Frank Schröder (Red.): 100 jüdische Persönlichkeiten aus Mecklenburg-Vorpommern (= Schriften aus dem Max-Samuel-Haus. Band 4). Rostock 2003, S. 108–109.
  • Gisela Möllenhoff, Rita Schlautmann-Overmeyer: Jüdische Familien in Münster 1918 bis 1945. Biographisches Lexikon. Westfälisches Dampfboot, Münster 1995, ISBN 3-929586-48-7.
  • Hans Peter Obermayer: „A man with a host of friends“ – Karl Lehmann–Hartleben. In: Derselbe: Deutsche Altertumswissenschaftler im amerikanischen Exil. Eine Rekonstruktion. de Gruyter, Berlin u. a. 2014, ISBN 978-3-11-030279-0, S. 108–132.
  • Marianne Bergmann: Lehmann-Hartleben, Karl. In: Peter Kuhlmann, Helmuth Schneider (Hrsg.): Geschichte der Altertumswissenschaften. Biographisches Lexikon (= Der Neue Pauly. Supplemente. Band 6). Metzler, Stuttgart/Weimar 2012, ISBN 978-3-476-02033-8, Sp. 712–714.
  • Oliver Raß: Zum Gedenken an Karl Lehmann-Hartleben, flurgespräche, Universität Münster, 2014
  • Alexandra Kankeleit: Briefe aus dem Exil: Karl Lehmann und Karl Schefold im Jahr 1945, Antike Kunst 63, 2020, S. 69–92.
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