Caspar Olevian, auch Kaspar Olevianus (* 10. August 1536 in Trier; † 15. März 1587 in Herborn) war ein deutscher reformierter Theologe und ein bedeutender Vertreter der „Zweiten Reformation“ in Deutschland. Er wirkte als Professor in Heidelberg, wo er als Kommissionsmitglied an der Schlussfassung des Heidelberger Katechismus beteiligt war, sowie an der Hohen Schule Herborn.
Leben
Caspar Olevian wurde als Sohn eines Bäckers, Zunftmeisters, Ratsherrn und städtischen Rentmeisters geboren. Seine Mutter war Tochter eines Metzgerzunftmeisters und Ratsherrn. Den Namen Olevian leitete der Vater von dem heutigen Trierer Stadtteil Olewig ab, aus dem die Familie ursprünglich stammte. Caspar Olevian besuchte verschiedene Schulen in Trier. Mit erst 13 Jahren verließ er die Stadt; er wurde zur weiteren Ausbildung nach Paris zu den Oberklassen des Gymnasiums und dem Studium der Artes entsandt. Später studierte er in Orléans und Bourges Rechtswissenschaft, wo er 1557 unter dem Zivilrechtler Franciscus Duarenus zum Dr. juris promovierte.
Während der Studienjahre Olevians erlebte der französische Protestantismus seine frühe große Ausbreitung und seine erste Organisationsstufe in heimlichen Gemeinden. In Bourges wurde er im Geiste des Calvinismus geprägt und dauerhaft ausgerichtet. Der Student Olevian wurde dort in einer heimlichen Hugenottengemeinde evangelisch. Auch zwei seiner Professoren waren persönlich Protestanten, sein Doktorvater Duarenus mit Angleichung an die herrschenden katholischen Verhältnisse.
1556 geriet Olevian in große Gefahr. Übermütige Studenten hatten auf einem Fluss in der Nähe von Bourges ihren Kahn zum Kentern gebracht und waren dabei alle ertrunken. Caspar Olevian, der vom Ufer aus den Unfall beobachtet hatte, war bei dem Versuch, Hilfe zu leisten, selbst in Gefahr geraten. In Todesnot gelobte er, sich auch dem Studium der Theologie und der Ausbreitung des Evangeliums zu widmen, wenn er mit dem Leben davonkäme.
Wegen dieses Gelübdes beschloss Olevian, sich in der Schweiz auf das reformatorische Predigtamt vorzubereiten und ein Theologiestudium aufzunehmen. Im März 1558 reiste er zu diesem Zweck über Straßburg nach Genf, wo er bei Johannes Calvin Theologie hörte. Wegen Calvins Krankheit wechselte er an die Schola Carolina nach Zürich zu Peter Martyr Vermigli. Dort hörte er auch Heinrich Bullinger, in Lausanne war er Schüler von Theodor Beza.
Im Juni 1559 kehrte er nach Trier zurück. Vom Rat der Stadt wurde er zunächst förmlich als Lateinlehrer eingestellt und unterrichtete an der Burse. Später richtete er einen deutschen Katechismus-Unterricht ein und steigerte ab August 1559 als öffentlicher Prediger durch sein kraftvolles Auftreten und seine mitreißende evangelische Predigt den Zulauf zu der zunächst noch kleinen evangelischen Gemeinde am Ort gewaltig, so dass innerhalb kurzer Zeit etwa ein Drittel der Bevölkerung der Stadt Trier zur Gemeinde zählte.
Noch im selben Jahr fiel Trier auf Betreiben des Erzbischofs Johann VI. von der Leyen an die katholische Seite. Eine Mehrheit des Rates wie der Zünfte der Stadt verbot Caspar Olevian die Predigt in städtischen Räumen, allerdings nicht an anderer Stätte. Ein solches Verbot wurde jedoch von den Räten des Erzbischofs und Kurfürsten von Trier ausgesprochen und damit begründet, Trier sei keine Reichsstadt, die Bestimmungen des Augsburger Religionsfriedens von 1555 („cuius regio eius religio“) träfen deshalb auf die Stadt und ihren Magistrat nicht zu. Das Reichskammergericht hat diese Argumentation später bestätigt.
Etliche Trierer Protestanten, unter ihnen auch Caspar Olevian, wurden in dieser Zeit gefangen gesetzt und erst freigelassen, nachdem sie gelobt hatten, entweder zum rechtmäßigen katholischen Glauben zurückzukehren oder aber die Stadt zu verlassen. Viele erklärten, wieder katholisch werden zu wollen, eine nicht geringe Anzahl von Bürgern wanderte aus. Die Reformation in Trier war damit gescheitert.
Auch Olevian verließ nach zehnwöchiger Haft die Stadt. Er folgte einem Ruf des Kurfürsten Friedrich III. von der Pfalz nach Heidelberg, wo er zunächst am Collegium Sapientiae, einer Art Predigerseminar, als Lehrer angestellt wurde. 1560 übernahm er kurzzeitig eine Theologieprofessur an der Universität Heidelberg, gab diese Stelle jedoch auf, weil es mehr seiner Art entsprach, im praktischen Kirchendienst zu stehen. 1561 heiratete Caspar Olevian die Witwe Philippine von Metz. Aus der Ehe gingen drei Kinder hervor, zwei Söhne und eine Tochter. Olevian wirkte dann als Stadtpfarrer an der Peterskirche und später an der Heiliggeistkirche sowie als Hofprediger. Der Kurfürst schenkte ihm sein volles Vertrauen und berief ihn zum Mitglied des 1562 neu errichteten Kirchenrates. Aus dieser Position heraus war er maßgeblich an der Neuordnung des pfälzischen Kirchenwesens nach reformiert-calvinistischen Grundsätzen beteiligt und erlebte dort die Entstehung des Heidelberger Katechismus.
„Nicht länger haltbar ist die alte These, dass Olevianus ein Mitverfasser des Katechismus gewesen sei, auch nicht die jüngere Hypothese, daß die Endfassung des deutschen Textes auf ihn zurückgehe. Olevianus war ein Kommissionsmitglied unter anderen. Mit dem endgültigen Katechismus war er persönlich nicht zufrieden. Er hätte sich ihn calvinischer gewünscht. Als leitender Kirchenmann aber war er an der kirchlichen Einführung des Katechismus wesentlich beteiligt.“:S. 89 Olevianus veranlasste den Kurfürsten zur Ergänzung des Katechismus um die Frage 80, die „ganz im Sinne Friedrichs war.“:S. 90
An der reformierten Kirchenordnung für die Kurpfalz, die am 15. November 1563 veröffentlicht wurde, mit ihren presbyterial-synodalen Elementen neben dem landesherrlichen Konsistorium, mit ihrer neuen Praxis der Abendmahlsausteilung und vor allem mit ihren vom Presbyterium statt von der landesherrlichen Polizeigewalt überwachten und kontrollierten strengen Vorschriften der Kirchenzucht wirkte er entscheidend mit. Als einflussreicher Vertrauter des pfälzischen Kurfürsten reiste er mit diesem zu den Religionsgesprächen in Maulbronn (1564), in Oppenheim (1565) und in Amberg in der Oberpfalz (1566). Olevian begleitete Kurfürst Friedrich auch öfter bei Aufhebungen von Klöstern und Stiften in der Kurpfalz, wo es nicht selten zu gewaltsamen Übergriffen kam, so am 9. Mai 1565 im Cyriakusstift (Worms). Dort zerstörte man die komplette Einrichtung und verbrannte sie; Caspar Olevian brach eigenhändig den Tabernakel auf und der Kurfürst zerbröselte unter dessen zustimmenden Kommentaren die vorgefundenen konsekrierten Hostien mit den Händen.
Eine Beteiligung Olevians am Todesurteil des Häretikers Sylvanus lässt sich wissenschaftlich nicht belegen. Nach Kuhn liegt die alleinige Verantwortung bei Friedrich III. Die Notwendigkeit der Hinrichtung wurde im Kirchenrat kontrovers diskutiert, da Sylvanus, der auch ein Gegner der sogenannten Kirchenzucht war, seine Bestreitung der Göttlichkeit Jesu Christi widerrufen hatte. Zwei andere Theologen bestanden dennoch auf der Enthauptung, da eine Schonung „die allergrausamste Unbarmherzigkeit gegen die christliche Gemeinde“ sei.
Nach dem Tod des dezidiert calvinistischen Friedrich III. im Herbst 1576 und dem Regierungsantritt seines lutherischen Sohnes Ludwig VI. musste Caspar Olevian Heidelberg verlassen. Er fand 1577 Aufnahme am Hofe des Grafen Ludwig I. von Wittgenstein in Berleburg, wo er die Erziehung der Söhne des Grafen leitete. Von Berleburg aus nahm er Einfluss auf den Fortgang der Reformation in der Grafschaft wie in den nahegelegenen nassauischen Fürstentümern und Grafschaften der Wetterau bis nach Solms-Braunfels und Wied. So verfasste er in jenen Jahren einen auf die Bedürfnisse des Landvolks abgestimmten „Bauernkatechismus“ und beteiligte sich engagiert an Versammlungen und Synoden.
1584 berief ihn Graf Johann VI. von Nassau-Dillenburg in sein Territorium und vertraute ihm die Gründung der Hohen Schule in Herborn an, die noch im selben Jahr entstand. Olevian wurde ihr erster Rektor und war, neben Johannes Piscator, ihr führender Theologe. Ein letzter Höhepunkt im Leben von Olevian war die Herborner Generalsynode 1586, die er leitete und auf der die reformierten Kirchen von Nassau-Dillenburg, Wittgenstein, Solms-Braunfels und Wied-Runkel vertreten waren. Die insgesamt 26 Theologen schlossen sich zu einer überterritorialen Kirche zusammen, überwanden also erstmals in Deutschland den ausschließlich territorialen Charakter einer reformatorischen Kirche und entschieden sich nach langen und heftigen Auseinandersetzungen für eine Kirchenverfassung, die eine Mischform aus presbyterialen und konsistorialen Elementen darstellte.
Auch Olevian selbst überwand im Laufe seines Lebens viele Grenzen: Erst die Standesgrenze vom Bäckerssohn zum Studierenden, dann die Sprachgrenze vom Französischen zum Deutschen, die Fakultätsgrenze von der Jurisprudenz zur Theologie und vor allem die Konfessionsgrenze vom Katholizismus zum Protestantismus. Diese Aufgeschlossenheit für das Neue und die Suche nach der Wahrheit auf der einen Seite und das Akzeptieren von Grenzen durch das Beziehen von Positionen auf der anderen Seite sind Wesensmerkmale Caspar Olevians. Damit machte er sich – als einer der bedeutendsten Reformatoren Deutschlands – für die Volkskirche zum Wegweiser der Ökumene der heutigen Zeit.
Caspar Olevian starb am 15. März 1587 an den Folgen eines Unfalls, den er bereits am 30. Dezember 1586 erlitten hatte. Bei einem Krankenbesuch war er auf einem vereisten Weg mehrmals schwer gestürzt und hatte dabei innere Verletzungen davongetragen, die man damals weder zu erkennen noch zu behandeln wusste. Berühmt geworden ist sein letztes Wort: Auf die Frage seines Kollegen Ulsted, ob er auch seines Heils gewiss sei, antwortete er „Certissimus“. Am 18. März 1587 wurde Caspar Olevian in der Evangelischen Stadtkirche Herborn beigesetzt, wo ihm 1887 ein neugotisches Epitaph gesetzt wurde.
Wirken
Als Dogmatiker entwickelte Caspar Olevian die von Heinrich Bullinger übernommene Bundes-(Föderal-)Theologie weiter fort und machte in seinem Hauptwerk De substantia foederis gratuiti inter Deum et electos (1585) den Gedanken eines Bundes Gottes mit den Menschen zur Grundlage seines biblischen Verständnisses. Er begriff die gesamte Geschichte Gottes mit der Menschheit unter diesem Vorzeichen: Mit Adam habe Gott einen natürlichen Bund (foedus naturae) vereinbart, den die Menschen durch die Sünde gebrochen hätten, worauf Gott mit ihnen einen neuen Bund, einen Gnadenbund, geschlossen und durch den Tod seines Sohnes besiegelt habe. Kern dieses Gnadenbundes sei die Erwählung von Menschen, durch ihn werde Heilsgewissheit vermittelt, in ihm werde Gottesherrschaft – das Reich Gottes – verwirklicht. Caspar Olevian verband den Gnadenbund Gottes mit dem Reich Gottes, und er stellte dar, wie die Gewissheit des Heiles, der Zugehörigkeit zum Reich Gottes, den Menschen zugesprochen wird: durch den fortschreitenden Glauben und durch die äußeren Mittel der sichtbaren Kirche, das Wort in der Predigt und die Sakramente.
An der Exegese der Bibel versuchte sich Caspar Olevian nur in geringem Umfang, so etwa an den Paulusbriefen. Darin unterscheidet er sich von seinen Lehrern Calvin und Bullinger.
Gedenktag
Literatur
- Friedrich Wilhelm Cuno: Olevian, Caspar. In: Allgemeine Deutsche Biographie (ADB). Band 24, Duncker & Humblot, Leipzig 1887, S. 286–289.
- Realenzyklopädie für protestantische Theologie und Kirche. Band 14, S. 358 und Band 24, S. 292.
- Karl-Ernst Riedesel: Kirchenordnung und die Ausbildung der reformierten Konfession. Wittgenstein 69, 1981, S. 82–94.
- Gerhard Menk: Caspar Olevian während der Berleburger und Herborner Zeit (1577–1587). Ein Beitrag zum Selbstverständnis des frühen deutschen Kalvinismus. In: Monatshefte für Evangelische Kirchengeschichte des Rheinlandes 37/38 (1988/1989), S. 139–204.
- Volkmar Wittmütz: OLEVIAN, Caspar. In: Biographisch-Bibliographisches Kirchenlexikon (BBKL). Band 6, Bautz, Herzberg 1993, ISBN 3-88309-044-1, Sp. 1197–1200.
- J. F. Gerhard Goeters: Olevian, Kaspar. In: Theologische Realenzyklopädie. Band 25, 1995, S. 237–239.
- Wilhelm Holtmann: Olevian, Caspar. In: Neue Deutsche Biographie (NDB). Band 19, Duncker & Humblot, Berlin 1999, ISBN 3-428-00200-8, S. 519 f. (Digitalisat).
- Andreas Mühling: Caspar Olevian. Christ, Kirchenpolitiker und Theologe. Zug 2008, ISBN 978-3-905351-13-2.
- Manfred Kuhn: Die Hinrichtung von Johannes Sylvanus am 23. Dezember 1572 auf dem Heidelberger Marktplatz -im Licht der Theorie von der „Zweiten Reformation“ nach Heinz Schilling Dissertation Karlsruhe 2021
Weblinks
- Literatur von und über Caspar Olevian im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek
- Werke von und über Caspar Olevian in der Deutschen Digitalen Bibliothek
- Website der Caspar-Olevian-Gesellschaft Trier e.V.
- Kaspar Olevianus im Ökumenischen Heiligenlexikon
- Olevianus im Glaubenzeugenkalender
- Olevian, Caspar. Hessische Biografie. (Stand: 15. März 2020). In: Landesgeschichtliches Informationssystem Hessen (LAGIS).
- Caspar Olevian in der Rheinland-Pfälzischen Personendatenbank
Einzelnachweise
- 1 2 3 Johann Friedrich Gerhard Goeters: Zur Geschichte des Katechismus; in: Evangelisch-reformierte Kirche (Synode ev.-ref. Kirchen in Bayern und Nordwestdeutschland), Lippische Landeskirche, Reformierter Bund (Hrsg.): Heidelberger Katechismus. Revidierte Ausgabe 1997. Online als html-Seite (Memento vom 12. April 2013 im Webarchiv archive.today) oder als PDF-Datei (201 kB).
- ↑ Caspar Olevian und Kurfürst Friedrich III. bei der Aufhebung des Cyriakusstiftes Neuhausen
- ↑ Zeitgenössischer Bericht über die Vorkommnisse bei der Aufhebung des Cyriakusstiftes Worms-Neuhausen und des Michaelsstiftes Sinsheim
- ↑ Karl Müller: Caspar Olevian – Reformator aus Leidenschaft. Zum 400. Todestag am 15. März 1987. In: Monatshefte für Evangelische Kirchengeschichte des Rheinlandes 37/38 (1988/1989). S. 13–138. Zitat hier S. 59; Tobias Weimer: Zur Enthauptung des Johannes Sylvanus in Heidelberg am 23. Dezember 1572. Ein Beitrag zur Reformation in der Kurpfalz unter besonderer Berücksichtigung der Kirchenzucht. In: Jahrbuch für badische Kirchen- und Religionsgeschichte 5 (2011), S. 11–23 (PDF-Datei).Die These Olevian sei maßgeblich am Tode des Sylvanus beteiligt, entspricht nicht dem Stand der Forschung. Die Dissertation von Manfred Kuhn: Die Hinrichtung von Johannes Sylvanus am 23. Dezember 1572 auf dem Heidelberger Marktplatz im Licht der Theorie von der "Zweiten Reformation" nach Heinz Schilling, Karlsruhe 2021, belegt eindeutig die alleinige Verantwortung für das Todesurteil durch Friedrich III.