Als langues d’oïl (heutige Aussprache [lãɡdɔj(l)]) wird eine Gruppe galloromanischer Sprachen und Dialekte bezeichnet, die hauptsächlich nördlich der Loire beheimatet ist. (Im Gegensatz dazu stehen die südlichen langues d’oc, deren Bezeichnung ebenfalls aus einer Bejahungsformel, lateinisch hŏc, entstanden ist und die heute meist als okzitanische Sprache bezeichnet werden.)
Die langues d’oïl waren dem Einfluss der germanischsprachigen Franken stärker ausgesetzt als die langues d’oc. Ihr Verbreitungsgebiet umfasst Nordfrankreich, die Kanalinseln, Teile Belgiens und der Schweiz sowie einige in der Neuzeit von Frankreich besiedelte Gebiete außerhalb Europas, insbesondere Teile Kanadas. Das moderne Französisch hat sich aus Varianten insbesondere der Sprache der französischen Krondomäne um Paris (Franzisch/francien) um das Jahr 1200 entwickelt.
Verteilung der langues d’oïl in Frankreich
- Berrichon (Berry)
- Bourguignon-morvandiau (Bourgogne),
- Champenois (Champagne),
- Franc-Comtois (Franche-Comté),
- Gallo (armorikanische Zone),
- Lothringisch (Lothringen),
- Normannisch,
- Anglonormannisch (die im Mittelalter von der normannischen Bevölkerung in England gesprochene Sprache)
- Auregnais (Insel Alderney),
- Guernésiais (Insel Guernsey),
- Jèrriais (Insel Jersey, vom Aussterben bedroht),
- Sercquiais (Insel Sark)
- Anglonormannisch (die im Mittelalter von der normannischen Bevölkerung in England gesprochene Sprache)
- Picardisch
- Saintongeais und Poitevin (Marais Poitevin) und
- Wallonisch.
Zur zentralen Zone der langues d'oïl gehören die Gebiete Île-de-France, Orléanais, Touraine, Ouest de la Champagne, Berry und Bourbonnais.
Siehe auch
Anmerkungen
- ↑ Französisch, wörtlich: ‚Sprachen des oïl‘, d. h. Sprachen, in denen die Bejahungspartikel „ja“ im Altfranzösischen des Mittelalters o il oder oïl (Aussprache: [o-il]) hieß.
- ↑ Aus dem lateinischen hŏc ĭlle (Abkürzung des Satzes hŏc ĭlle fēcit ‚dies machte er‘) hat sich die Bejahungsform oïl entwickelt. Das -o- in oïl wurde seit dem 12. Jahrhundert [u] ausgesprochen, daher rührt die spätere, bis heute gültige Schreibung ou. Der Endkonsonant -l- verstummte, und so entstand die neufranzösische Form oui [wi], die seit dem 16. Jahrhundert belegt ist.
Literatur
- Oscar Bloch, Walther von Wartburg: Dictionnaire étymologique de la langue française. 4. Auflage. Presses universitaires de France, Paris 1964, Artikel „il, ils“ (französisch).
- Gerhard Rohlfs: Vom Vulgärlatein zum Altfranzösischen. 3. verbesserte Auflage. Max Niemeyer Verlag, Tübingen 1968.
- Bodo Müller: Das Französische der Gegenwart. Varietäten, Strukturen, Tendenzen. Carl Winter Universitätsverlag, Heidelberg 1975.
- Carlo Tagliavini: Einführung in die romanische Philologie. C. H. Beck, München 1976, ISBN 3-406-06466-3 (italienisch: Le origini delle lingue neolatine. Bologna 1959. Übersetzt von Reinhard Meisterfeld, Uwe Petersen).