Der Schleppkahn, auch Schleppschiff oder Lastkahn genannt, entwickelte sich aus den frühen Treidelkähnen. Im Prinzip waren es flachbodige, ungedeckte Wasserfahrzeuge ohne Motor zum Transport von Lasten. Sie wurden jahrhundertelang auf allen Binnenwasserstraßen und Hafengewässern verwendet, um den Warentransport zwischen den Hafenstädten oder innerhalb eines Hafens vorzunehmen. Mit speziellen Schleppern konnten Schleppzüge gebildet werden, um den Transport über lange Strecken wirtschaftlicher zu gestalten. Um das zeitraubende Entkoppeln und anschließende Zusammenführen eines Schleppzugs an den Schleusen zu optimieren legte man deutlich längere Schleppzugschleusen an. Teilweise erhielten diese Schleusen auch eine größere Innenbreite, um die Schleppkähne in der Kammer leicht diagonal schräg nebeneinander legen zu können und damit mehr Fahrzeuge in der Kammer unterzubringen. Ab den 1950er Jahren wurden Schleppkähne zunehmend mit einem Motor versehen. Daher sind die ehemaligen Lastkähne heutzutage selbstfahrende Motorschiffe, die Frachtschiffe der Binnenschifffahrt.
Entwicklung
In Mitteleuropa wurden ganz unterschiedliche, den jeweiligen Wasserstraßenbedingungen angepasste Kahntypen entwickelt. Diese wurden gesegelt oder durch Menschen- oder Pferdekraft getreidelt und konnten nur wenig Last befördern. Haupttransportgüter waren Erzeugnisse des Landesinneren wie Getreide, Kohle, Torf, Holz, Erze, Salz und Fertigprodukte sowie Importgüter, so genannte Kolonialwaren. Die offenen, durch Luken abdeckbaren Laderäume waren durch acht bis 11 wasserdichte Wände (Schotten) getrennt. Mit Einführung der Dampfschlepper im 19. Jahrhundert konnten die Kähne immer größer gebaut werden, auf dem Rhein bis zu 130 Meter lang und einer Nutzlast bis zu 2500 Tonnen. Es gab offene Kähne, solche mit Lukenabdeckung und Tankkähne.
Die Besatzung hatte Wohnungen auf den Kähnen. Achtern (hinten), im sogenannten Roof, wohnte der Schiffsführer mit seiner Familie. Er wurde auch Schiffer genannt und als selbständiger Eigentümer des Schleppkahns nannte er sich Partikulier. Vorne im Bugteil, im so genannten Vorunter, lebten die Matrosen. Das Leben an Bord war sehr einfach, es gab keinen Strom, geheizt wurde mit Kohleöfen. Die Ankerwinden wurden lange Zeit noch von Hand betätigt. Die Arbeit am Ruder war sehr hart. Die meisten Kähne hatten ein offenes Ruderhaus mit liegendem Haspel, das je nach Größe des Kahns mehrere Meter Durchmesser hatte. Je nach Wasserverhältnissen musste die gesamte Besatzung am Ruder stehen. Schleppkähne werden auch heute noch auf der Weser, Elbe und Donau eingesetzt, vereinzelt sieht man sie auch noch in den Niederlanden.
Auswahl von Schleppkähnen nach Fahrtgebiet
Tabelle von Schleppkähnen | |||||
Kahntyp | Länge | Breite | Tiefgang | Tragfähigkeit | |
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Rhein-Herne-Kanal-Kahn | 80,0 | 9,50 | 2,50 | 1.350 t | |
Elbe-Maß-Kahn | 75,0 | 10,6 | 1,6 | 1.000 t | |
Dortmund-Ems-Kanal-Kahn | 67,0 | 8,20 | 2,50 | 950 | |
Plauer-Maß-Kahn | 65,0 | 8,00 | 2,00 | 650 t | |
Groß-Plauer-Maß-Kahn | 67,0 | 8,20 | 2,20 | 800 t | |
Weser-Kahn | 60,5 | 8,80 | 1,90 | 650 t | |
Kempenaar | 50,0 | 6,60 | 2,50 | 400 – 600 t | |
Neuer Kempenaar | 55,0 | 7,20 | 2,50 | 700 – 800 t | |
Breslauer-Maß-Kahn (Oder) | 55,0 | 8,00 | 2,00 | 620 t | |
Saale-Maß-Kahn | 51,0 | 6,00 | 1,75 | 380 t | |
Groß-Saale-Maß-Kahn | 52,0 | 6,35 | 2,00 | 450 t | |
Mainschiff | 50,0 | 7,50 | 1,65 | 420 t | |
Maasspits | 46,5 | 5,05 | 2,20 | 360 t | |
Neckarschiff | 45,0 | 7,00 | 1,65 | 360 | |
Unstrut-Maß | 46,0 | 5,50 | 1,10 | 180 t | |
Berliner Maß-Kahn | 46,00 | 6,60 | 1,75 | 350 | |
Finowmaß | 40,2 m | 4,60 m | 1,40 | 170 t | |
Groß-Finow-Maß-Kahn | 41,0 m | 5,10 m | 1,75 m | 270 t | |
Weser-Bock | 42,12 | 6,58 | 1,35 | 250 | |
Péniche (Flamländer), Spits | 38,5 | 5,05 | 2,30–2,50 | 360 – 400 t | |
Saarschiff | 38,5 | 5,00 | 1,80 | 270 t | |
Lahnschiff | 34,0 | 5,20 | 1,90 | 220 | |
Harener Pünte (Ems) | 26,0 | 5,70 | 1,75 | 180 | |
Quelle:
Bildbeispiele
- Ein Schleppzug auf der Spree 1928 – ein Schlepper zieht die angehängten Kähne
- Der Schleppkahn Ilse-Lucie als Museumsschiff im Hafen Pritzerbes
- Schleppkähne um 1932 – der Kahn in der Mitte hat eine liegende Haspel zur Steuerung
- Lastkahn im Ziegeleihafen Mildenberg
Literatur
- Holger Patzer: Die Fluß- und Hafenschiffahrt der DDG Hansa. H. M. Hauschild, Bremen 2009, ISBN 3-89757-140-4.
- Paul Neubaur: Mathias Stinnes und sein Haus. Ein Jahrhundert der Entwickelung 1808-1908. Mülheim an der Ruhr, 1908, Online
Weblinks
Siehe auch
Einzelnachweise
- ↑ Dr. Paul Neubaur: Mathias Stinnes und sein Haus. Ein Jahrhundert der Entwickelung 1808-1908. Staatsbibliothek zu Berlin, 1908, S. 157, abgerufen am 18. April 2016: „Heute laden einige der grössten eisernen Schleppkähne, das soll hier vorgreifend bemerkt werden, bis zu 50000 Zentnern.“
- ↑ privates Seemanslexikon
- ↑ Achilles, F. W.: Schleppkähne: die Lastesel der Binnenschiffahrt sterben aus. Deutsches Schiffahrtsarchiv, 1982, S. 75–118, abgerufen am 11. Mai 2021.
- ↑ Schleppkähne auf ddr-binnenschifffahrt.de, abgerufen am 10. Mai 2021