Die Architekten Heydecker waren die Brüder Leonhard Heydecker jr. (* 26. August 1871 in Kempten; † 27. Juli 1958 ebenda) und Otto Heydecker (* 29. März 1885 in Kempten; † 13. April 1960 in Meersburg). Die Hauptwirkungsstätte der beiden Architekten war ihre Heimatstadt Kempten.

Leben und Wirken

Leonhard und Otto waren Söhne des Kemptner Schreinermeisters und Möbelbauers Leonhard Heydecker (1840–1915) und dessen Frau Maria Elisabetha, geborene Sontheimer (1844–1910), die gemeinsam mehrere Kinder hatten.

Der ältere der beiden, Leonhard Heydecker jr., war nicht nur Architekt, sondern wie sein Vater auch Möbelfabrikant. Er wurde mit seiner Firma „Archiktekt Leonhard Heydecker jr.“ zunächst durch seine Bautätigkeit bekannt. Er entwarf jedoch nicht nur die Gebäude selbst, sondern häufig auch deren Inneneinrichtung, so dass einheitlich durchgestaltete Gesamtwerke entstanden; ein repräsentatives Beispiel hierfür ist die um 1910 entstandene, heute unter Denkmalschutz stehende Städtische Realschule in Memmingen.

Die von der Firma Heydecker produzierten Möbel wurden nur auf Bestellung und unter Berücksichtigung der Wünsche der Kunden angefertigt, die aus ganz Süddeutschland kamen und meist dem gehobenen Mittelstand angehörten. In Überlingen, wo Leonhard Heydecker geheiratet hatte, befand sich ein Zweitsitz der Firma. Ein außergewöhnlich großer Absatz wurde mit „absolut schalldichten“ Telefonkabinen erreicht, deren Alleinlieferant die Firma Heydecker für ganz Württemberg war.

Der vierzehn Jahre jüngere Otto Heydecker trat erst im Jahr 1909 in das Geschäft ein. Er hatte nach dem Besuch der Realschule und der Industrieschule an der Technischen Hochschule Darmstadt Bauingenieurwesen studiert und mit dem akademischen Grad Diplom-Ingenieur abgeschlossen.

Als „Architekten Heydecker“ nahmen die beiden Brüder an Architektenwettbewerben auch weit außerhalb ihrer Heimatregion teil und erzielten beachtliche Erfolge. Unter anderem gewannen sie bei einem Wettbewerb um ein neues Realgymnasium und eine Oberrealschule in Görlitz unter 187 Bewerbern den 2. Preis, im ostpreußischen Allenstein bei einem Wettbewerb um den Bau eines neuen Rathauses ebenfalls den 2. Preis unter 73 Bewerbern. Weitere Wettbewerbsteilnahmen erfolgten unter anderem für Projekte in Köln und Heidelberg.

Die Brüder Heydecker arbeiteten auch mit dem Maler und Medailleur Franz Xaver Unterseher sowie mit dem Architekten Andor Ákos zusammen. Sie projektierten Arbeiterhäuser, Herrschaftssitze, Werkstätten und Fabrikgebäude und prägten das Bild ihrer Geburtsstadt Kempten nachhaltig. Heute stehen zahlreiche der von ihnen geschaffenen Gebäude, die oft Tafeln mit der Inschrift „Architekten Heydecker“ tragen, unter Denkmalschutz.

Persönliches

Leonhard Heydecker heiratete am 5. April 1908 in Überlingen die in Luzern geborene Katharina Amalie Rosa „Milly“ Ziesing (1868–1938).

Am 6. November 1912 heiratete Otto Heydecker in Braunschweig die aus Velpke stammende Meta Velke (1888–1971). Das Ehepaar lebte in Kempten. Aus dieser Ehe gingen die beiden Söhne Rudolf Leonhard (1919–2012) und Walter (1921–1941) hervor.

Das Familiengrab der Familie Heydecker auf dem Evangelischen Friedhof Kempten wurde von den Brüdern Leonhard und Otto Heydecker selbst entworfen. Sie fanden beide dort ihre letzte Ruhestätte.

Ehrungen

  • Benennung der Heydeckerstraße im Kemptener Stadtteil Eich.

Werk (Auswahl)

Gebäude in Kempten (Allgäu)

  • Bahnhofkiosk, mittlerweile abgetragen (ehemals Bahnhofsplatz, heute August-Fischer-Platz)
  • Ladenbau am ehemaligen Bahnhofsplatz, abgegangen
  • Elektroschmelzwerk bei Kempten (heute: 3M Technical Ceramics)
  • Eigene Heydecker-Möbelfabrik am Freudenberg, abgegangen

Gebäude in der Umgebung von Kempten (Allgäu)

Gebäude in weiteren Orten

Entwürfe

  • Wettbewerbsentwurf für ein Gebäude in Köln
  • 1910: Wettbewerbsentwurf für das Rathaus in Heidelberg (Ankauf)
  • 1910: Wettbewerbsentwurf für ein Realgymnasium in Görlitz (prämiert mit einem 2. Preis in Höhe von 2.400 Mark)
  • 1910: Wettbewerbsentwurf für das Rathaus in Allenstein (Ostpreußen) (prämiert mit einem von zwei 2. Preisen in Höhe von 1.500 Mark)
  • 1912: Wettbewerbsentwurf für eine Knabenschule in Mindelheim (Ankauf)
  • 1925: Wettbewerbsentwurf für eine Landwirtschaftsschule und ein Kulturbauamt in Kaufbeuren (prämiert mit dem 3. Preis)

Einzelnachweise

  1. Leonhard Heydecker, ancestry.com; abgerufen am 27. November 2015.
  2. Otto Heydecker, ancestry.com; abgerufen am 27. November 2015.
  3. Das gute Einzel-Möbel. In: Innendekoration, 31. Jahrgang 1920, H. 9, S. 314. ((PDF) online)
  4. 1 2 3 4 München und die Provinz. Arbeiten der Firma L. O. Heydecker, Aufsatz von Dr. Karl Lory in: Kunst und Handwerk: Zeitschrift für Kunstgewerbe und Kunsthandwerk seit 1851 — 63.1912-1913, S. 280, abgerufen am 29. November 2015
  5. Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe. 29. November 2015, S. 484, archiviert vom Original am 8. Dezember 2015; abgerufen am 29. November 2015.  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.
  6. 1 2 3 4 5 Anna Köhl, Ralf Lienert: Kreative Köpfe. Straßen und ihre Namensgeber in Kempten. 2. Auflage. Verlag Tobias Dannheimer, Kempten (Allgäu) 2007, ISBN 978-3-88881-056-5, S. 14 f.
  7. Persönliche Daten zu Leonhard Heydecker jr. im Stammbaum Heydecker-Glynn auf ancestry.com, abgerufen am 28. November 2015.
  8. Persönliche Daten zu Otto Heydecker im Stammbaum Pam Behrens auf ancestry.com, abgerufen am 28. November 2015.
  9. Die Realschule in Kempten – von den Architekten Leonhard Heydecker und Dipl.-Ing. Otto Heydecker. In: Süddeutsche Bauzeitung, 32. Jahrgang 1922, Nr. 13, S. 61 ff.
  10. Alexander Herzog von Württemberg, Wolfgang Haberl, Gerhard Weber, Michael Petzet (Hrsg.): Denkmäler in Bayern: Stadt Kempten. Band VII.85. Verlag Schnell & Steiner, München / Zürich 1990, ISBN 3-7954-1003-7, S. 38, 64, 82.
  11. Deutsche Bauzeitung, 44. Jahrgang 1910, Nr. 39, S. 300.
  12. Der Baumeister, 8. Jahrgang 1910, S. 80
  13. Zentralblatt der Bauverwaltung, 30. Jahrgang 1910, Nr. 42, S. 284.
  14. Deutsche Bauzeitung, 46. Jahrgang 1912, Nr. 15, S. 152.
  15. Winfried Nerdinger (Hrsg.): Thomas Wechs 1893–1970. Architekt der Moderne in Schwaben. (= Schriften des Architekturmuseums Schwaben, Band 6.) Dietrich Reimer Verlag, Berlin 2005, ISBN 978-3-496-01340-2, S. 139.

Literatur

  • Arbeiten von Leonhard Heydecker und Otto Heydecker, Kempten. In: Der Profanbau, Jahrgang 1920, Heft 9/10.
  • Julius Hofmann (Hrsg.): Zu den Arbeiten der Architekten L. Heydecker und Dipl.-Ing. O. Heydecker, Kempten. In: Moderne Bauformen, 23. Jahrgang 1924, S. 139 ff.
  • Friedrich Heinrich Hacker: Zu den Arbeiten der Architekten Leonhard und Otto Heydecker in Kempten. Allgäuer Druckerei und Verlagsanstalt, Kempten 1927, 1930 und 1937.
  • Architekten L. Heydecker und Dipl.-Ing. Otto Heydecker, Kempten Allg. Verlag Kurz, 1930.
  • Karl Lory: München und die Provinz. Arbeiten der Firma L. O. Heydecker. In: Bayrischer Kunstgewerbeverein (Hrsg.): Kunst und Handwerk. Band 63, Nr. 9, 1913, S. 274–282 (online [abgerufen am 14. März 2016] (mit zahlreichen Abbildungen von Möbelstücken aus der Werkstatt von Leonhard Heydecker und Informationen zur Firmengeschichte)).
  • Bernard Kühling: Allgäuer Künstlerlexikon. Kühling, Kempten 2012, ISBN 978-3-00-042566-0, S. 151.
Commons: Architekten Heydecker – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien
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