Der Staat Großlibanon (arabisch دولة لبنان الكبير Daulat Lubnan al-Kabir, französisch État du Grand Liban) wurde nach dem Ersten Weltkrieg als französisches Mandatsgebiet errichtet, nach dem Schema von 1920 zur Untergliederung des Syrienmandats in sechs Staaten nach konfessionellen Gesichtspunkten. Der Großlibanon war als Teil Syriens der Vorgänger der 1943 gegründeten modernen Libanesischen Republik. Es war Nachfolger des Mutesarriflik Libanonberg.

Geschichte

Nach der Schlacht von Maysalun 1920 proklamierte General Gouraud am 1. September 1920 in der Résidence des Pins in Beirut die Errichtung des Staates Großlibanon in seinen heutigen Grenzen und mit Beirut als Hauptstadt. Der Name Großlibanon bezieht sich auf die Eingliederung der ehemaligen osmanischen Distrikte von Tripoli und Sidon sowie des Bekaa-Tals in das bereits existierende ehemalige autonome Gebiet des Libanonbergs, das 1861 gegründet wurde, um die lokale christliche Bevölkerung zu schützen. Der Große Drusenaufstand ab 1925 erfasste auch den Großlibanon.

Die erste (noch heute gültige) libanesische Verfassung wurde am 23. Mai 1926 promulgiert und daraufhin mehrmals revidiert. Entsprechend der Verfassung der Dritten Französischen Republik sah die libanesische Verfassung ein Zweikammer-Parlament mit einem Abgeordnetenhaus (die Assemblée nationale) und einem Senat, einem eigenen Präsidenten sowie einem Ministerrat vor, obwohl das Senat später abgeschafft wurde. Der Präsident musste durch die Abgeordnetenkammer für eine sechsjährige Amtszeit gewählt werden und konnte nicht wiedergewählt werden, bis eine weitere sechsjährige Amtszeit verstrich; die Abgeordneten mussten entlang konfessioneller Linien durch das Volk gewählt werden.

Der Brauch, die wichtigsten politischen Ämter sowie die oberen Ränge innerhalb der öffentlichen Verwaltung nach den Anteilen der wichtigsten Glaubensrichtungen in der Bevölkerung auszuwählen, wurde in dieser Periode geprägt. So sollte der Präsident ein maronitischer Christ, der Ministerpräsident ein sunnitischer Muslim und der Sprecher der Abgeordnetenkammer ein schiitischer Muslim sein. Theoretisch führte die Abgeordnetenkammer die Legislativfunktion aus, aber faktisch wurden die Verordnungen durch die Exekutive vorbereitet und der Abgeordnetenkammer vorgelegt, welche die Gesetze ohne Ausnahme akzeptierte. Unter der Verfassung übte das Französische Hochkommissariat weiterhin die oberste Macht aus, eine Abmachung, die anfangs Ablehnung durch die Libanesischen Nationalisten brachte. Dennoch wurde Charles Debbas, ein Griechisch-Orthodoxer, drei Tage nach Annahme der Verfassung zum ersten Präsidenten des Großlibanon gewählt. Die ersten Parlamentswahlen fanden 1927 statt.

Am Ende von Debbas’ erster Amtszeit 1932 konkurrierten Béchara El-Khoury und Émile Eddé um das Amt des Präsidenten und spalteten so die Abgeordnetenkammer. Um diesen politischen Stillstand zu überwinden, schlugen einige Abgeordneten Schaich Muhammad al-Dschisr, der Vorsitzender des Ministerrats und der muslimische Führer von Tripoli war, als Kompromisskandidaten vor. Allerdings setzte der französische Hochkommissar Henri Ponsot die Verfassung am 9. Mai 1932 aus und erweiterte die Amtszeit von Debbas für ein weiteres Jahr; mit diesem Weg verhinderte er die Wahl eines muslimischen Präsidenten. Unzufrieden mit Ponsots Verhalten, ersetzten die französischen Behörden ihn mit Comte Damien de Martel, der am 30. Januar 1934 Habib Pacha es-Saad zum Präsidenten für eine einjährige Amtszeit bestimmte; die Amtszeit wurde später wieder um ein Jahr verlängert.

Émile Eddé wurde schließlich am 30. Januar 1936 zum Präsidenten gewählt. Ein Jahr später stellte er die Verfassung von 1926 in Teilen wieder her und beschloss, dass Wahlen zur Abgeordnetenkammer abgehalten werden. Allerdings wurde die Verfassung im September 1939 erneut durch das französische Hochkommissariat suspendiert, beim Ausbruch des Zweiten Weltkriegs. Das Gebiet fiel rasch unter die Herrschaft der Vichy-Regierung und war somit – zusammen mit der Syrischen Republik – Mitglied der Achsenmächte. Im Syrisch-Libanesischen Feldzug wurde das Gebiet von den Alliierten erobert. Im August 1943 fanden die letzten Parlamentswahlen unter französischer Herrschaft statt. Der Großlibanon erhielt 1943 seine volle Unabhängigkeit, die Franzosen verließen das Land allerdings erst im Jahr 1946.

Bevölkerung

Die Bevölkerung des Großlibanon war fast gleichmäßig zwischen Christen und Muslimen aufgeteilt. 1932 führte die französische Mandatsmacht eine Volkszählung durch, in der die konfessionelle Verteilung ermittelt wurde. Die Gesamtbevölkerung betrug 785.542 Einwohner:

Christen

Gemeinschaft Anhänger Anteil
Maroniten 226.378 28,8 %
griechisch-orthodox 76.522 9,7 %
katholisch 46.000 5,9 %
andere (meist Armenier) 53.463 6,8 %
Gesamt 402.363 51,2 %

Muslime

Gemeinschaft Anhänger Anteil
Sunniten 175.925 22,4 %
Schiiten 154.208 19,6 %
Drusen 53.047 6,8 %
Gesamt 383.180 48,8 %

Einzelnachweise

  1. Xavier Baron: Histoire du Liban – Des origines à nos jours. In: Jean-Claude Zylberstein (Hrsg.): Collection Texto. 2. Auflage. Éditions Tallandier, Paris 2019, ISBN 979-1-02103687-1, S. 164.
  2. lcweb2.loc.gov
  3. Le grand Liban et la prise de pouvori des maronites en 1920.
  4. Anne-Lucie Chaigne-Oudin: La France et les rivalités occidentales au levant: Syrie-Liban, 1918–1939 in der Google-Buchsuche, S. 62.
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