Als Liebeslyrik bezeichnet man eine spezielle Form der Lyrik und der Musik (dort eher Liebeslied genannt), in der die Liebe zwischen zwei Menschen besungen wird. Einige Ausprägungen können unterschieden werden:

Geschichtlicher und regionaler Überblick

Liebeslyrik ist schon aus den Jahrtausenden vor der Zeitenwende überliefert (z. B. aus Sumer, in der Bibel (z. B. Hoheslied), im Kamasutra) und hat in der Antike (u. a. bei Ovid) einen ersten Höhepunkt gefunden. Aber auch im 12./13. Jahrhundert erreichten Liebeslieder einen weiteren Höhepunkt: So sagte man Minnesängern (von minne = Liebe) ein besonderes Geschick im Erfinden und Vortragen von gefühlvollen Liedern nach. Unter den jungen Adligen war die Kunst des Minnesangs hoch angesehen: Es kam unter anderem auch zu Sängerwettstreiten unter den besten Minnesängern, in denen man um die Gunst der „edlen Frouwen“ buhlte. Hartmann von Aue und Wolfram von Eschenbach waren für ihre Dichtkunst berühmt; Walther von der Vogelweide galt als derjenige, der die schönsten Melodien erfand.

Liebeslieder waren über alle Bevölkerungsschichten hinaus bekannt und beliebt. Diese wurden mündlich verbreitet; ab dem 15. Jahrhundert auch in handschriftlich verfassten Liederbüchern festgehalten. Das 1450 in Nürnberg verfasste Lochamer-Liederbuch, welches unter anderem auch das Lied All mein’ Gedanken enthält, ist eine der ältesten Liedersammlungen.

In der weiteren Entwicklung der europäischen Literatur sind als besondere Stadien des Liebesliedes zu erwähnen: der Minnesang, die Zeit des Barock, die Romantik und das Volkslied. Doch finden sich auch in der Popmusik erstaunliche Texte, wie unlängst die Reprise des Austropop zusammenfassend gezeigt hat.

Versmaße in der Liebeslyrik

Das verwendete Versmaß ist sehr verschieden, doch hat jede Zeit ihre Moden. So bevorzugt z. B. die Zweite Schlesische Schule (etwa 1650–1700) den Jambus:

 Mit was vor Süßigkeit / o zarter Mund
 Beküß ich den Rubinen-Grund!
 Mit was vor Süßigkeit hör ich die Lippen sprechen
 Die voller Honig-Worte seyn!
 Ach aber / schöpff ich ein Vergnügen ein
 So muß ich unterdeß des andern mich entbrechen.

 Dein Himmels-Geist belebt der Worte Fluß
 Der Seelen Seele deinen Kuß.
 Wie soll ich mich der Wahl / der schweren Wahl entbrechen?
 Ach / könte doch dein edler Mund
 Dem so viel Gunst der Himmel hat vergunnt
 Mit Reden küssen / und mit Küssen sprechen!
  (Hans Assmann von Abschatz, 1646–1699).

Aus der Romantik sei etwa das von Schubert vertonte Ständchen erwähnt, oder die Trauer um einen Verlust:

  Ich stand in dunklen Träumen – und starrt ihr Bildnis an,
  und das geliebte Antlitz / heimlich zu leben begann ...

Oft ebenso alt sind die Texte vieler Volkslieder. Stellvertretend seien zwei aus dem bayrisch-oberösterreichischen Sprachraum genannt. Viele gehen auf Texte früherer Dichter zurück.

  I(ch) liab di so fest – wie der Bam seine Äst’
  wia der Him-mel seine Stern – grad so hab i di gern.

  Das Lieben bringt groß’ Freud’
  Das wissen alle Leut’
  Weiß mir ein schönes Schätzelein
  Mit zwei schwarzbraunen Äugelein
  Das mir, das mir,
  Das mir das Herz erfreut.

Aus dem reichen Werk Goethes sticht ein kurzer Hexameter hervor, der die Grenze zwischen Liebeslyrik und Epigramm aufzeigt:

  Knaben liebt ich wohl auch, doch lieber sind mir die Mädchen:
  Hab ich als Mädchen sie satt, dient sie als Knabe mir noch.

Siehe auch

Literatur

  • Gerlinde Haid: Liebeslied. In: Oesterreichisches Musiklexikon. Online-Ausgabe, Wien 2002 ff., ISBN 3-7001-3077-5; Druckausgabe: Band 3, Verlag der Österreichischen Akademie der Wissenschaften, Wien 2004, ISBN 3-7001-3045-7.
  • Gerhard Härle: Lyrik – Liebe – Leidenschaft. Streifzug durch die Liebeslyrik von Sappho bis Sarah Kirsch. Vandenhoeck & Ruprecht. Göttingen 2007, ISBN 978-3-525-20850-2.
  • Meinolf Schumacher: Liebe in der Lyrik zwischen Mittelalter und Früher Neuzeit. In: Der Deutschunterricht. 65 (1), 2013, S. 2–11 (Digitalisat).
  • Doris Sittig: „Vyl wonders machet minne“. Das deutsche Liebeslied in der ersten Hälfte des 15. Jahrhunderts. Versuch einer Typologie (= Göppinger Arbeiten zur Germanistik. Band 465). Kümmerle Verlag, Göppingen 1987, ISBN 3-87452-700-X.

Liebeslyrik-Sammlungen

Für viele Lyriker sind Einzelsammlungen ihrer Liebesgedichte herausgegeben worden. So zum Beispiel für Michelangelo Buonarotti, Bertolt Brecht Joachim Ringelnatz und Joseph von Eichendorff. Auch Anthologien, die das breite Spektrum der Liebeslyrik abdecken, liegen vor.

Wiktionary: Liebeslyrik – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen

Einzelnachweise

  1. Vgl. etwa H. Sievert: Studien zur Liebeslyrik Walthers von der Vogelweide (= Göppinger Arbeiten zur Germanistik. Band 506). Kümmerle Verlag, Göppingen 1989, ISBN 3-87452-743-3.
  2. Michelangelo Buonarotti: Liebesgedichte. italienisch und deutsch, ausgewählt von Boris von Brauchitsch. Insel-Verlag, Frankfurt am Main/Leipzig 2007, ISBN 978-3-458-34944-0.
  3. Bertolt Brecht: Gedichte über die Liebe. ausgewählt von Werner Hecht. Suhrkamp Verlag, Frankfurt am Main 1982, ISBN 3-518-02470-1.
  4. Wie ich mich auf dich freue – Liebesgedichte. 2. Aufl., marixverlag, Wiesbaden 2015, ISBN 978-3-7374-0955-1.
  5. Joseph von Eichendorff: Liebesgedichte. herausgegeben von Wilfrid Lutz. Insel-Verlag, Frankfurt am Main/Leipzig 2000, ISBN 3-458-34291-5.
  6. Hans Wagener (Hrsg.): Deutsche Liebeslyrik. Philipp Reclam jun., Stuttgart 1982, ISBN 3-15-027759-0.
  7. Die schönsten Liebesgedichte, ausgewählt und mit einem Nachwort versehen von Sigrid Damm. Insel-Verlag, Frankfurt am Main/Leipzig 2009, ISBN 978-3-458-35169-6.
  8. Werner A. Fischer (Hrsg.): Schönster Schatz auf Erden. Liebeslieder aus neun Jahrhunderten. Mit Illustrationen von Veronika Heimer-Dieterle. Osang Verlag, München 1966.
This article is issued from Wikipedia. The text is licensed under Creative Commons - Attribution - Sharealike. Additional terms may apply for the media files.