Lothar Brock (* 30. Januar 1939 in Lauenburg in Pommern) ist ein deutscher Politologe.

Leben

Die letzten Tage des Zweiten Weltkrieges erlebte Brock mit seiner Mutter und seinen drei Geschwistern in Kellern und Luftschutzbunkern in Danzig. Es folgten zwei Jahre in einem dänischen Internierungslager, in dem die beiden jüngeren Geschwister starben, nachdem sein Vater schon zuvor noch im Heimatort umgebracht worden war.

Brock wuchs zusammen mit Mutter und Bruder (Bazon Brock) in der Wilstermarsch und Itzehoe auf, verbrachte 1955/56 ein Jahr als Austauschschüler in den USA und begann 1958 mit dem Studium der Rechtswissenschaften an der Hochschule für Sozialwissenschaften in Wilhelmshaven und der Universität des Saarlandes.

Unter dem Einfluss von Ernst Fraenkel und Richard Löwenthal wechselte Brock an der FU Berlin zur Politikwissenschaft. Nach dem Studium ging Brock 1963 als Stipendiat der Friedrich-Ebert-Stiftung für zwei Jahre zur Interamerikanischen Menschenrechtskommission in Washington, D.C. Anschließend promovierte er bei Gilbert Ziebura an der FU Berlin, wo er sich auch 1978 für das Fach Politikwissenschaft habilitierte.

Nach einer Zwischenstation an der TU Braunschweig wurde Brock an die Goethe-Universität Frankfurt für das Fach Politikwissenschaft mit dem Schwerpunkt internationale Beziehungen berufen. Von 1981 bis 2005 war Brock auch Forschungsgruppenleiter der Forschungsgruppe „Demokratisierung und der innergesellschaftliche Frieden“ an der Hessischen Stiftung Friedens- und Konfliktforschung.

Seit seiner Pensionierung im Jahre 2004 ist er an der HSFK als Gastforscher in seiner Forschungsgruppe und an der Goethe-Universität als Senior-Professor in der Lehre tätig. 2013–2014 war Lothar Brock Fellow am Käte Hamburger Kolleg „Politische Kulturen der Weltgesellschaft – Center for Global Cooperation Research“ (Duisburg, Essen, Bonn). Darüber hinaus ist Brock Mitglied der Ethik-Kommission der Deutschen Vereinigung für politische Wissenschaft, Vertrauensdozent der Friedrich Ebert-Stiftung und Mitglied der Evangelischen Kirche Deutschland (EKD). Zahlreiche Studierende besuchen seine Lehrveranstaltungen an der Goethe-Universität, in denen sich Brock insbesondere mit der Wirkkraft des Völkerrechts (unter anderem der Schutzverantwortung) auseinandersetzt. Er betreut zahlreiche studentische Abschlussarbeiten, Dissertationen und Habilitationsverfahren als Ansprechpartner, Ratgeber und Gutachter.

Zu seinen Forschungs- und Lehrgebieten im Bereich der Internationalen Beziehungen und Weltordnungspolitik gehören unter anderem die Nord-Süd-Politik, Ressourcennutzung, ländliche Entwicklung und Menschenrechte in der Dritten Welt, die liberale Friedenstheorie, Demokratien und Frieden, Demokratische Kriege.

Lothar Brock hat sich zu Forschungszwecken und im Rahmen von Projektbegleitungen in Nordamerika (USA, Mexiko), Lateinamerika, Westafrika, am Horn von Afrika, Südasien und Zentralasien aufgehalten. Er ist zu Forschungszwecken international vernetzt und auf den Konferenzen der International Studies Association (ISA) oder der European International Studies Association (EISA) präsent.

Lothar Brock ist verheiratet und hat zwei Söhne sowie Enkelkinder.

Wirken

Brock hat sich seit Abschluss des Studiums sowohl wissenschaftspolitisch als auch wissenschaftlich auf dem Gebiet der Friedens- und Konfliktforschung engagiert. Er war maßgeblich am Aufbau der Friedens- und Konfliktforschung an der FU Berlin beteiligt, war Mitglied im Konzil der Deutschen Gesellschaft für Friedens- und Konfliktforschung und der Arbeitsgemeinschaft für Friedens- und Konfliktforschung, deren Vorstand er, zeitweilig als Vorsitzender, über mehrere Jahre angehörte. Als Mitglied des Council der International Peace Research Association hat er dort zeitweilig die Region Westeuropa vertreten. Seit 2013 ist Lothar Brock Vorsitzender des Beirates der Stiftung Entwicklung und Frieden (SEF), die Anfang der 1990er Jahre aus dem Friedensnobelpreisgeld für Willy Brandt gegründet wurde. Seit 2011 ist Brock Mitglied im Vorstand der Vereinigung deutscher Wissenschaftler (VDW e.V.), die im Jahr 1959 von Carl Friedrich von Weizsäcker und anderen Wissenschaftlern gegründet wurde und sich in der Erklärung der Göttinger Achtzehn gegen eine atomare Bewaffnung der Bundeswehr ausgesprochen hatten.

An der Hessischen Stiftung Friedens und Konfliktforschung steht die wissenschaftliche Arbeit in den Themenbereichen gesamteuropäische Friedensordnung, Frieden und Entwicklung sowie Frieden, Demokratie und Völkerrecht im Vordergrund. Brock war zusammen mit Anna Geiß und Harald Müller maßgeblich an der Durchführung der Forschung über Kriege der Demokratien beteiligt.

In den 1990er Jahren gründete Brock zusammen mit Mathias Albert und Klaus Dieter Wolf die Forschungsgruppe Weltgesellschaft an der Goethe-Universität Frankfurt und der TU Darmstadt. Auf internationaler Ebene arbeitet er mit einer dänisch-amerikanischen Forschergruppe zum Thema fragile Staaten zusammen. Über zwölf Jahre begleitete Brock als Mitglied des International Review Panel ein schweizerisches Großprojekt zum nachhaltigen Ressourcenmanagement Nationaler Forschungsschwerpunkt Nord-Süd.

Einen zweiten Arbeitsschwerpunkt bildete die kirchliche Entwicklungszusammenarbeit. Brock war langjähriger Leiter der Kammer der EKD für nachhaltige Entwicklung, Leiter der Fachgruppe Frieden und Entwicklung im Dialogprogramm der Gemeinsamen Konferenz Kirche und Entwicklung (aus der später die regelmäßige Berichterstattung über die Rüstungsexportpolitik der Bundesregierung hervorging) und Mitglied im internationalen Beirat des Evangelischen Entwicklungsdienstes.

Publikationen (Auswahl)

  • Wozu brauchen wir heute die Vereinten Nationen? Bilanz und Perspektiven der Weltorganisation. In: Aus Politik und Zeitgeschichte, 66. Jg., 10–11/2016, 3–10.
  • Fragile States. Violence and the Failure of Intervention, Cambridge (UK): Polity 2012 (zusammen mit Hans Henrik Holm, Georg Soerensen und Michael Stohl).
  • Democratic Wars. Looking at the Dark Side of Democratic Peace, Houndmills: Palgrave 2006 (Hg., zus. mit Anna Geis und Harald Müller).
  • Civilizing World Politics. Society and Community Beyond the State, Lanham etc.: Rowman and Littlefield 2000 (Hg., zus. mit Mathias Albert, Klaus Dieter Wolf).
  • Forschungsgruppe Weltgesellschaft (Albert, Mathias/Brock, Lothar/Schmidt, Hilmar/Weller, Christoph/Wolf, Klaus Dieter): Weltgesellschaft: Identifizierung eines „Phantoms“, in: Politische Vierteljahresschrift 37: 1, 1996, S. 5–26.
  • Von der „humanitären Intervention“ zur „Responsibility to Protect“: Kriegserfahrung und Völkerrechtsentwicklung seit dem Ende des Ost-West-Konflikts, in: Fischer-Lescano, Andreas/Gasser, Hans-Peter/Marauhn, Thilo/Ronzitti, Natalino (Hg.), Frieden in Freiheit. Festschrift für Michael Bothe zum 70. Geburtstag, Baden-Baden 2008: Nomos, S. 19–32.
  • Protecting People. Responsibility or Threat?, in: Brozoska, Michael/Kron, Axel (eds.): Overcoming Armed Violence in a Complex World. Essays in Honour of Herbert Wulf. Opladen und Farmington Hills: Budrich Uni Press 2009, S. 223–242.
  • Gewalt und Recht in den Nord-Süd-Beziehungen, in: Engel, Ulf/Jakobeit, Cord/Mehler, Andreas/Schubert, Gunther (Hg.): Navigieren in der Weltgesellschaft. Festschrift für Rainer Tetzlaff. Münster: Lit-Verlag 2005, 257-270.

Literatur

  • Albert, Mathias/Moltmann, Bernhard/Schoch, Bruno (Hg.): Die Entgrenzung der Politik. Internationale Beziehungen und Friedensforschung. Festschrift für Lothar Brock, Frankfurt: Campus 2004.
  • Chojnacki, Sven/Namberger, Verena: Frieden – oder vom Elend ein konstitutiver Begriff zu sein, in: Leviathan 39, 2011, S. 333–359.
  • Reichwein, Alexander: Lothar Brock – dem Friedensforscher zum 70. Geburtstag, in: UniReport Goethe-Universität Frankfurt am Main 1/2009, Jg. 42, S. 26.
  • Von Bredow, Wilfried: Bestandsaufnahme, Archivpflege und Blickfelderweiterung, in: Zeitschrift für Friedens- und Konfliktforschung, 1:1, 2011, S. 155–162.

Literatur von und über Lothar Brock im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek

This article is issued from Wikipedia. The text is licensed under Creative Commons - Attribution - Sharealike. Additional terms may apply for the media files.