Gewöhnlicher Blutweiderich | ||||||||||||
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Gewöhnlicher Blutweiderich (Lythrum salicaria) | ||||||||||||
Systematik | ||||||||||||
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Wissenschaftlicher Name | ||||||||||||
Lythrum salicaria | ||||||||||||
L. |
Der Gewöhnliche Blutweiderich (Lythrum salicaria) ist eine Pflanzenart aus der Gattung Blutweideriche (Lythrum) innerhalb der Familie der Weiderichgewächse (Lythraceae).
Beschreibung
Vegetative Merkmale
Der Gewöhnliche Blutweiderich ist eine ausdauernde, krautige Pflanze, die Wuchshöhen von bis zu 2,5 Metern und eine Breite von 1,5 Metern erreicht. Bis zu 50 aufrechten, teils verzweigte, behaarte, vier- bis mehrkantige Stängel können aus dem Rhizom heranwachsen. Der Blutweiderich ist helomorph, untergetauchte Triebe entwickeln ein Durchlüftungsgewebe (Aerenchym), das das Rhizom mit Sauerstoff versorgt.
Die sitzenden (stiellosen) Laubblätter sind in dreizähligen Quirlen oder gegenständig, weiter oben wechselständig an den Stängeln angeordnet. Die spitze, ganzrandige Blattspreite ist schmal-eilanzettlich bis eiförmig. Die Folgeblätter haben einen abgerundeten bis herzförmigen Blattgrund; unterseits treten die Nerven deutlich hervor.
Generative Merkmale
Die Blütezeit reicht von Juni bis September. Jeder ähren- oder traubenförmige Blütenstand kann hundert und noch mehr Blüten enthalten; Scheinähren. Einzelne Exemplare können 10 000 und mehr Blüten ausbilden. Die Blüten stehen in kleinen, meist dreiblütigen, dichten, achselständigen, zymösen Gruppen mit einem eilanzettlichen Tragblatt.
Die kurz gestielten, zwittrigen, rötlichen, rosa oder violetten bis weißen, sechszähligen Blüten besitzen eine doppelte Blütenhülle. Es ist ein röhriger, behaarter und rippiger Achsenbecher vorhanden. Die kleinen, dreieckigen Kelchzipfel sind rötlich mit dazwischen langen, behaarten, pfriemlichen Anhängseln (Außenkelch). Die sechs oder fünf freien, verkehrt-eiförmigen, abgerundeten Kronblätter sind meist mehr als 1 Zentimeter lang. Es sind jeweils 12 Staubblätter vorhanden, 6 kürzere und 6 längere. Der kahle, zweikammerige Fruchtknoten ist mittelständig mit mehr oder weniger langem Griffel und kugeliger Narbe. Es sind Nektarien unten im Blütenbecher vorhanden.
Beim Blütenaufbau liegt trimorphe Heterostylie vor, dies ist eher selten. Es gibt also drei verschiedene Blütentypen (auf verschiedenen Pflanzenexemplaren).
Der Pollen ist bei den langgestielten Staubblättern grün und groß, bei den übrigen gelb und kleiner.
Die kleine, kahle, zweiklappige, schmal-eiförmige und vielsamige, lokulizidale Kapselfrucht im beständigen Hypanthium mit den Kelchzipfeln springt bei Reife auf. Die kleinen, rot-bräunlichen, bis etwa 1 Millimeter langen Samen sind ei- bis keilförmig.
Die Chromosomenzahl beträgt 2n = 60, seltener 30.
Ökologie
Beim Gewöhnlichen Blutweiderich liegen die Überdauerungsknospen an der Erdoberfläche, es handelt sich um einen Hemikryptophyten.
Fremdbestäubung wird dadurch sichergestellt, dass die Narben der langen Griffel die längsten, die der kurzen die kürzesten Narbenpapillen haben. Schon Charles Darwin wies nach, dass von 18 möglichen Kombinationen nur 6 eine volle Samenproduktion herbeiführen („legitime Bestäubung“). Dabei ist die legitime Bestäubung siebenmal erfolgreicher als die „illegitime“. Eine „legitime“ Bestäubung liegt vor, wenn die Pollen liefernden Staubbeutel der einen Blüte auf gleicher Höhe wie die Narben der anderen Blüte liegen.
Blütenbesucher sind vor allem Schwebfliegen, aber auch Bienen und Schmetterlinge. Blutweiderich ist ein Nektarspender von besonderem Wert. Auch ist es eine wichtige Futterpflanze für die Raupen aus der Gattung der Nachtpfauenaugen (Saturnia).
Ein einzelnes Pflanzenexemplar kann bis zu drei Millionen Samen produzieren, die durch Wind und Wasser ausgebreitet werden. Die Samen sind mit „Schleimhaaren“ ausgestattet und haften leicht an Wasservögeln fest, die sie auf diese Weise ausbreiten. Sie keimen in nahezu allen ausreichend feuchten Böden im nächsten Frühjahr.
Vorkommen
Der Gewöhnliche Blutweiderich ist eurasiatisch-subozeanisch verbreitet, vor allem in Eurasien und Australien. In Nordamerika ist es ein eingeführter Neophyt (siehe unten).
Gewöhnlicher Blutweiderich wächst an feuchten Standorten häufig und verbreitet in Röhrichten und Sümpfen, an Ufern von Seen und Weihern, Flüssen, Bächen und Kanälen sowie in Gräben. Er bevorzugt die tieferen Lagen und ist etwas wärmeliebend, kommt aber auch noch in mittleren Gebirgslagen vor. Die Standorte sind vor allem nasse oder wechselfeuchte, zeitweise überschwemmte, nährstoffreiche, Sumpfhumusböden, beispielsweise Gley. Er ist in Mitteleuropa eine schwache Charakterart des Verbands Filipendulion, kommt aber auch in anderen Gesellschaften der Ordnung Molinietalia, der Klasse Phragmitetea oder des Verbands Agropyro-Rumicion vor.
Die ökologischen Zeigerwerte nach Landolt et al. 2010 sind in der Schweiz: Feuchtezahl F = 4w+ (sehr feucht aber stark wechselnd), Lichtzahl L = 3 (halbschattig), Reaktionszahl R = 3 (schwach sauer bis neutral), Temperaturzahl T = 4 (kollin), Nährstoffzahl N = 3 (mäßig nährstoffarm bis mäßig nährstoffreich), Kontinentalitätszahl K = 3 (subozeanisch bis subkontinental), Salztoleranz = 1 (tolerant).
Inhaltsstoffe und Verwendung
Blutweiderich enthält das Glykosid Salicarin, Anthocyanine, Pectine, Harze, ätherisches Öl, p-Cumarsäure, Ellagsäure, Orientin reichlich Gerbstoffe und das Flavon Vitexin.
In Notzeiten aß man die jungen Sprosse, Laubblätter und die innen weiße Grundachse als Gemüse. Aufgrund seines hohen Gerbstoffgehalts zwischen 9 % (Wurzel) und 14 % (Blüten) gerbte man schon im 16. Jahrhundert auch Leder mit Blutweiderichsaft. Außerdem wurden damit Holz und Seile imprägniert, um schnelle Fäulnis im Wasser zu verhindern.
Der Blutweiderich wurde bereits im Altertum als Heilpflanze benutzt. Nach Plinius wurde der Blutweiderich gegen Ekzeme eingesetzt. Dioskurides empfahl sie gegen Blutspeien und Ruhr. Als Heilmittel werden Blüten und der Wurzelstock des Blutweiderichs genutzt. Die Volksmedizin setzt ihn bei Durchfällen, Blutfluss und Ruhr ein. Dazu werden 1 bis 3 Gramm Wurzel mit zwei Litern Wasser abgekocht.
Verwendet wurde Blutweiderich beispielsweise während der Choleraepidemie im 19. Jahrhundert. Die Pflanze besitzt aufgrund der Gerbstoffe stark adstringierende, bakterizide, blutstillende und harntreibende Eigenschaften. Dass der Blutweiderich als blutstillendes Mittel genutzt wurde, gab ihm wohl seinen Namen (oder die Farbe seiner Blüten). Mit dem roten Farbstoff färbte man früher Zucker.
In einer Untersuchung zur Ernährung der mediterranen Landbevölkerung wurde festgestellt, dass die Pflanze eine gegen Diabetes (Typ2) schützende Wirkung besitzt.
Nutzung als Zierpflanze
Der Gewöhnliche Blutweiderich wird zerstreut als Zierpflanze für Gewässersäume genutzt. Er ist seit spätestens 1596 in Kultur. Es gibt zahlreiche Sorten.
Blutweiderich als Neophyt in Nordamerika
In Nordamerika steht der Gewöhnliche Blutweiderich seit seiner Einführung durch den Menschen im 19. Jahrhundert in dem Ruf, ein lästiges „Unkraut“ zu sein. Einst als Heil- und attraktive Gartenpflanze eingeführt, breitete sich diese Art rasch aus. In Gebieten, in denen Blutweiderich-Bestände expandieren, können sie die Fließgeschwindigkeit von Flüssen und Kanälen beeinträchtigen. Es gibt aber keine Hinweise darauf, dass der Blutweiderich einheimische Arten verdrängt. 29 nordamerikanische Tierarten nutzen den Gewöhnlichen Blutweiderich und es gibt viele Berichte, nach denen Blutweiderich durch einheimische nordamerikanische Arten auskonkurriert wird. Eine Untersuchung an 41 Orten in Ontario hat gezeigt, dass es keinen signifikanten Unterschied im Artenreichtum von Gefäßpflanzen gab, egal ob Blutweiderich präsent war oder nicht, auch nicht mit zunehmender Bestandsdichte von Blutweiderich.
Dennoch wird der Gewöhnliche Blutweiderich in Nordamerika bekämpft. Als erfolgreiche Maßnahme hat sich das Aussetzen von Schadinsekten herausgestellt, die sich auf Blutweiderich spezialisiert haben (unter anderem der Rüsselkäfer Hylobius transversovittatus und die Blattkäferarten Galerucella calmariensis und Galerucella pusilla).
Die Art wird daher auf der Liste der "100 of the World’s Worst Invasive Alien Species" geführt, die jeweils ein Exemplar pro Gattung auflistet, das in Bereichen als problematisch angesehen wird. Insgesamt umfasst die Liste über 800 Spezies und wurde 2016 zuletzt aktualisiert. 100 gefährlichsten Neobiota weltweit.
Literatur
- Jakob Graf: Tafelwerk zur Pflanzensystematik. Lehmanns, 1975, ISBN 978-3-540-79804-0 (Reprint), S. 56 ff, eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche.
- Henning Haeupler, Thomas Muer: Bildatlas der Farn- und Blütenpflanzen Deutschlands (= Die Farn- und Blütenpflanzen Deutschlands. Band 2). Herausgegeben vom Bundesamt für Naturschutz. Ulmer, Stuttgart 2000, ISBN 3-8001-3364-4.
- Gerhard Madaus: Lehrbuch der biologischen Heilmittel Band 1. Heilpflanzen. G. Thieme, Leipzig 1938; Olms, Hildesheim 1979, ISBN 3-487-05890-1: Elektronische Version der Ausgabe 1935 (Memento vom 6. November 2013 im Internet Archive).
- Erich Oberdorfer: Pflanzensoziologische Exkursionsflora. 6. Auflage. Ulmer Verlag, Stuttgart 1990, ISBN 3-8001-3454-3.
- Elfrune Wendelberger: Pflanzen der Feuchtgebiete – Gewässer, Moore, Auen. Büchergilde Gutenberg, München 1986, ISBN 3-7632-3265-6 (oder: BLV-Verlag, ISBN 3-405-12967-2).
- Andrey A. Sinjushin, Maria E. Ploshinskaya: Flower development in Lythrum salicaria L., Cuphea ignea A. DC. and C. hyssopifolia Kunth (Lythraceae): the making of monosymmetry in hexamerous flowers. In: Wulfenia. 27, 2020, S. 303–320, online auf researchgate.net.
Weblinks
- Lythrum salicaria in der Bulgarian Flora.
- Steckbrief und Verbreitungskarte für Bayern. In: Botanischer Informationsknoten Bayerns.
- Gewöhnlicher Blutweiderich. In: BiolFlor, der Datenbank biologisch-ökologischer Merkmale der Flora von Deutschland.
- Thomas Meyer: Datenblatt mit Bestimmungsschlüssel und Fotos bei Flora-de: Flora von Deutschland (alter Name der Webseite: Blumen in Schwaben).
- Lythrum salicaria auf invasive.org.
- Datenblatt bei Dr. Duke's Phytochemical and Ethnobotanical Databases.
Einzelnachweise
- 1 2 Lythrum salicaria L., Gewöhnlicher Blutweiderich. FloraWeb.de
- 1 2 3 4 Ruprecht Düll, Herfried Kutzelnigg: Taschenlexikon der Pflanzen Deutschlands und angrenzender Länder. Die häufigsten mitteleuropäischen Arten im Porträt. 7., korrigierte und erweiterte Auflage. Quelle & Meyer, Wiebelsheim 2011, ISBN 978-3-494-01424-1, S. 485 f.
- 1 2 Erich Oberdorfer: Pflanzensoziologische Exkursionsflora für Deutschland und angrenzende Gebiete. Unter Mitarbeit von Angelika Schwabe und Theo Müller. 8., stark überarbeitete und ergänzte Auflage. Eugen Ulmer, Stuttgart (Hohenheim) 2001, ISBN 3-8001-3131-5, S. 681.
- ↑ Lythrum salicaria L. In: Info Flora, dem nationalen Daten- und Informationszentrum der Schweizer Flora. Abgerufen am 13. August 2023.
- ↑ Datenblatt bei Dr. Duke's Phytochemical and Ethnobotanical Databases (PDF).
- ↑ siehe Madaus, Lehrbuch der biologischen Heilmittel.
- ↑ The Local Food-Nutraceuticals Consortium: Understanding local Mediterranean diets: A multidisciplinary pharmacological and ethnobotanical approach. In: Pharmacological Research. Volume 52, 2005, S. 353–366, doi:10.1016/j.phrs.2005.06.005, online (PDF; 944 kB).
- ↑ Eckehart J. Jäger, Friedrich Ebel, Peter Hanelt, Gerd K. Müller (Hrsg.): Rothmaler Exkursionsflora von Deutschland. Band 5: Krautige Zier- und Nutzpflanzen. Spektrum Akademischer Verlag, Berlin und Heidelberg 2008, ISBN 978-3-8274-0918-8.
- ↑ David I. Theodoropoulos: Invasion Biology: Critique of a pseudoscience. Avvar Books, Blythe, California, 2003, S. 37–38.
- ↑ Bernd Blossey: Purple Loosestrife. invasiveplants.net, 2002 (Memento vom 28. Oktober 2014 im Internet Archive). Ein Bericht über Ausbreitung und Bekämpfung des Blutweiderich in den USA (auf Englisch).