Amerikanisches Mastodon

Skelett eines Amerikanischen Mastodons

Zeitliches Auftreten
Pliozän bis Spätpleistozän
4,9 Mio. Jahre bis 10.000 Jahre
Fundorte
Systematik
Tethytheria
Rüsseltiere (Proboscidea)
Elephantimorpha
Mammutiden (Mammutidae)
Mammut
Amerikanisches Mastodon
Wissenschaftlicher Name
Mammut americanum
(Kerr, 1792)

Das Amerikanische Mastodon (Mammut americanum; Plural: Amerikanische Mastodonten) war eine Art der Rüsseltiere aus der ausgestorbenen Gattung Mammut, einer Verwandtschaftsgruppe der Mammutiden (Mammutidae; im Deutschen teilweise auch „Echte Mastodonten“ genannt). Es lebte vom frühen Pliozän bis zum Beginn des Holozäns in Nordamerika. Ungeachtet ihres Namens ist die Gattung Mammut nicht näher mit den Mammuts (Gattungsname Mammuthus) verwandt – eine Zeit lang trug die Gattung Mammut den Namen Mastodon, doch der Name Mammut hat Gültigkeit. Erstmals beschrieben wurde das Amerikanische Mastodon von Robert Kerr 1792 mit der wissenschaftlichen Bezeichnung Elephas americanus. Im Jahr 2019 wurde die westliche Population als eigenständige Art unter der Bezeichnung Mammut pacificus abgetrennt.

Originalskelette von Amerikanischen Mastodonten sind in zahlreichen Museen, u. a. im Naturmuseum Senckenberg in Frankfurt am Main, ausgestellt.

Verbreitung

Die Gattung Mammut war vom frühen Miozän bis zum Beginn des Pleistozän in Eurasien und Afrika verbreitet und trat etwa ab dem mittleren Miozän in Nordamerika auf. Hier bildete sich das Amerikanische Mastodon (Mammut americanum), das bis zum Eintreffen der ersten Menschen überlebt hatte und erst am Beginn des Holozän vor 9000 bis 12.000 Jahren ausstarb. Einer der jüngeren Funde ist das Overmyer mastodon aus Indiana, welches ein radiometrisches Alter von 10.032 Jahre vor heute aufweist. Diese Rüsseltierart bewohnte fast den gesamten nordamerikanischen Kontinent und wurde überall zwischen Alaska und Mexiko gefunden. Ihr bisher südlichstes Auftreten ist ein isolierter Fund aus Honduras. Besonders häufig kam das Amerikanische Mastodon allerdings an der Ostküste und im Gebiet der Großen Seen vor, vermutlich weil ihm waldige Lebensräume mehr zusagten als die Grasgebiete des Westens. Im westlichen Teil des Kontinentes wurde die Art durch das zeitgleich auftretende Mammut pacificus ersetzt. Nachgewiesen ist die Form dort vor allem im heutigen Kalifornien, einige Funde stammen auch aus dem südlichen Idaho.

Genetische Untersuchungen an 35 Individuen aus dem gesamten Verbreitungsgebiet erbrachten ein differenziertes Verwandtschaftsverhältnis. Es ließen sich insgesamt fünf bis sechs größere Kladen unterscheiden, die nach ihrer jeweiligen Verbreitung benannt wurden. Zuerst trennte sich „Klade M“ (Mexiko) im Übergang vom Pliozän zum Pleistozän vor rund 2,56 Millionen Jahren ab, gefolgt von „Klade A“ (Alaska) und „Klade N“ (Neuschottland) im Altpleistozän sowie „Klade L“ (Alberta/Missouri), „Klade G“ (Große Seen) und „Klade Y“ (Yukon) im Mittelpleistozän. Dies war der letzte größere Split vor etwa 203.000 Jahren. Auffällig ist, dass sich mehrere Gruppen im nördlichen Nordamerika zeitlich unabhängig voneinander etablierten („Klade A“ und „Y“), ebenso wie sich einige Tiere aus Alberta auf mehrere Gruppen aufteilten („Klade M“, „L“, „Y“). Dies kann mit sich wiederholenden Ausbreitungswellen erklärt werden. Hierbei wurde der Norden des Kontinentes wahrscheinlich mehrfach erreicht, möglicherweise hauptsächlich zu verschiedenen Warmzeitphasen, als kein Eisschild als Migrationsbarriere zwischen dem Nord- und Südteil Nordamerikas ausgebildet war. Die geringe genetische Variabilität der nördlichen Populationen lässt annehmen, dass diese lokal während der Kaltzeitphasen jeweils ausstarben. Die diverse Verwandtschaft der Tiere aus Alberta könnte damit erklärt werden, dass die Region einen wichtigen Wanderungskorridor während der Aufbau- und Schmelzphasen der beiden großen nordamerikanischen Eisschilde (Laurentinischer Eisschild und Kordilleren-Eisschild) in den Kaltzeitabschnitten darstellte.

Aussehen

Im Habitus unterschied sich das Amerikanische Mastodon deutlich von den Mammuts, die zur selben Zeit im gleichen Gebiet lebten. Es war mit 2,7 bis 3,4 m Schulterhöhe deutlich niedriger als diese, dafür aber länger (bis 4,5 m) und stämmiger. Dadurch konnte es ein Gewicht von 6,5 bis 9 t erreichen, was etwa dem eines Mammuts entsprach. Die Stoßzähne waren etwas nach oben gebogen. Das wichtigste Merkmal des Amerikanischen Mastodons waren aber seine urtümlichen Zähne. Im Gegensatz zu Mammuts und Elefanten hatte es die typischen Zähne der ursprünglichen Mammutiden. Sie waren mit ihren kegelförmigen Spitzen hervorragend geeignet, um Äste und Blätter zu zerquetschen, aber größere Mengen an Gras konnte das Tier damit nicht zerkleinern. Womöglich besaß das Amerikanische Mastodon ein Fell, seltene Funde von Haaren sind von der Milwaukee Mastodont Site nahe Milwaukee im US-amerikanischen Bundesstaat Wisconsin überliefert, die zusammen mit Hautresten an einigen Schädelfragmenten hafteten.

Lebensweise

Wie schon sein Zahnbau verrät, war das Amerikanische Mastodon ein Laub- und Zweigfresser, der sowohl Äste als auch Blätter und Nadeln fraß. Diese Annahme wird durch Funde einiger Zähne erhärtet, an denen sich Reste von Koniferenzweigen befanden. Daneben wurden auch Sumpfpflanzen, wie Nixenkräuter, Laichkrautgewächse oder Seerosen und Moose zwischen den Zähnen gefunden. Fossilisierte Magen- und Darminhalte, so u. a. vom Burning Tree mastodon aus Ohio und vom Heisler mastodon aus Michigan, enthielten ebenfalls Reste von Blättern oder Nadeln sowie von Zweigen und Früchten, so etwa von Fichten, Birken, Weiden, Eschen und Kiefern, darüber hinaus auch verschiedene Gräser wie Seggen und Schwaden oder Kräuter, beispielsweise Laichkräuter und Fieberklee. Eher als „Beifang“ verschluckten die Tiere wohl auch Pilze und Wirbellose. Die Dungreste eines rund 75.000 Jahre alten Kadavers aus East Milford in Nova Scotia erbrachten einen Großteil an Fichtennadeln und Birkensamen, was sich mit den anderen Analysen deckt. Zusätzliche Pollenreste sprechen für ein waldreiches Biotop unter kaltgemäßigten Klimabedingungen. Aufgrund dieser Befunde und auch wegen der vermehrten Anzahl von Fossilien im feuchten Osten des nordamerikanischen Kontinents geht man davon aus, dass das Amerikanische Mastodon vor allem ein Waldbewohner war und die offenen Prärien den Mammuts überlassen hat. Dennoch legt sein großes Verbreitungsgebiet nahe, dass es sich um ein sehr anpassungsfähiges Tier gehandelt haben musste, das wohl auch in Savannen und Waldsteppen zurechtkam. Da in Nordamerika zur Zeit des Amerikanischen Mastodons mächtige Raubtiere wie Kurznasenbären, Säbelzahnkatzen und Löwen jagten, wird es wohl in Herden gelebt haben, schon allein, um die Kälber besser verteidigen zu können. Möglicherweise lebte es ähnlich wie heutige Elefanten.

Aussterben

Das Amerikanische Mastodon war eine höchst erfolgreiche Tierart, die Millionen von Jahren überlebte. Es widerstand selbst der Konkurrenz durch die später eingewanderten Mammuts und lebte lange Zeit erfolgreich neben ihnen. Als die letzte Kaltzeit zu Ende ging, starb es wie viele andere große Tierarten aus. Zu den Gründen für das Aussterben bestehen verschiedene Theorien.

Zur Zeit des Aussterbens tauchten die ersten Menschen in Amerika auf und es gibt Belege, die darauf hinweisen, dass sie dem Mastodon nachgestellt haben. In der Rippe eines Amerikanischen Mastodons, das 1977 auf der Halbinsel Olympic im Bundesstaat Washington entdeckt wurde, steckt eine knöcherne Speerspitze. Das Tier hat diesen Angriff zunächst überlebt, was daran zu erkennen ist, dass die Verletzung heilen konnte, wurde aber später dennoch von Menschen getötet. Das Alter seiner Knochen wird auf etwa 14.000 Jahre geschätzt. Wenige tausend Jahre später war die Art in ganz Nordamerika ausgestorben. Dies deutet darauf hin, dass die Menschen das Amerikanische Mastodon zusammen mit vielen anderen Großtierarten durch zu starke Bejagung ausgerottet haben könnten (Overkill-Hypothese).

Eine andere mögliche Ursache könnte der Klimawandel am Ende des Pleistozäns gewesen sein. In einer Untersuchung werden die tiefgreifenden Klimaveränderungen als Hauptursache genannt, jedoch nur für eine separierte Region in Alaska. Als vor etwa 70.000 Jahren die dortigen Wälder durch Tundrabedeckung abgelöst wurden, an welche das Amerikanische Mastodon wahrscheinlich nicht angepasst war, könnte dies zu seinem Aussterben beigetragen haben. Dieses Ereignis fällt zeitlich nicht mit der diskutierten Aussterbewelle vor etwa 10.000 Jahren im südlicheren Nordamerika zusammen.

Andere weisen darauf hin, dass durch den Menschen bzw. ihm folgende Tiere oder Haustiere Krankheitserreger eingeschleppt worden sein könnten. Die Populationen der Großtiere, die sich wegen ihrer langen Generationszeiten an den Wandel nicht rasch genug anpassen konnten, wurden dadurch zusätzlich geschwächt. Eine Tuberkulose-Epidemie wird als mögliche Ursache für das Aussterben erwogen. Von 113 untersuchten Exemplaren zeigten 59 an ihren Beinknochen Befunde, wie sie für Tuberkulose typisch sind. Dies deutet auf einen hohen Anteil an infizierten Tieren hin. Möglicherweise lebten die Amerikanischen Mastodonten über Jahrtausende mit dieser Krankheit, die demnach vielleicht nicht die alleinige Ursache für ihr Verschwinden sein muss. Manche Forscher vermuten, dass die Krankheit über viele Generationen chronisch verlief, bis die Belastung in Kombination mit weiterem Stress infolge der Klimaverschlechterung und der Bejagung durch den eingewanderten eiszeitlichen Menschen überhand nahm.

Literatur

  • Paul S. Martin, R. G. Klein (Hrsg.): Quaternary Extinctions. A Prehistoric Revolution. The University of Arizona Press, Tucson AZ 1984, ISBN 0-8165-1100-4 (2. print. ebenda 1989).
  • Arno Hermann Müller: Lehrbuch der Paläozoologie. Band 3: Vertebraten. Teil 3: Mammalia. 2., überarbeitete und erweiterte Auflage. Fischer, Jena 1989, ISBN 3-334-00223-3.
  • Miles Barton: Wildes Amerika. Zeugen der Eiszeit. Vgs, Köln 2003, ISBN 3-8025-1558-7.
Commons: Amerikanisches Mastodon (Mammut americanum) – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. 1 2 3 Jeffrey J. Saunders: North American Mammutidae. In: Jeheskel Shoshani, Pascal Tassy (Hrsg.): The Proboscidea. Evolution and palaeoecology of the Elephants and their relatives. Oxford / New York / Tokyo, 1996, S. 271–279.
  2. Neal Woodman, John W. Branstrator: The Overmyer mastodon (Mammut americanum) from Fulton County. Indiana. In: American Midland Naturalist 159, 2008, S. 125–146.
  3. Neal Woodman, Nancy Beavan Athfield: Post-Clovis survival of American Mastodon in the southern Great Lakes Region of North America. In: Quaternary Research 72, 2009, S. 359–363.
  4. Spencer G. Lucas, Guillermo E. Alvarado: Fossil Proboscidea from the Upper Eozoic of Central America: Taxonomy, evolutionary and paleobiogeographic significance. In: Revista Geológica de América Central 42, 2010, S. 9–42 doi:10.15517/rgac.v0i42.4169.
  5. Alton C. Dooley Jr, Eric Scott, Jeremy Green, Kathleen B. Springer, Brett S. Dooley, Gregory James Smith: Mammut pacificus sp. nov., a newly recognized species of mastodon from the Pleistocene of western North America. In: PeerJ 7, 2019, S. e6614, doi:10.7717/peerj.6614
  6. Emil Karpinski, Dirk Hackenberger, Grant Zazula, Chris Widga, Ana T. Duggan, G. Brian Golding, Melanie Kuch, Jennifer Klunk, Christopher N. Jass, Pam Groves, Patrick Druckenmiller, Blaine W. Schubert, Joaquin Arroyo-Cabrales, William F. Simpson, John W. Hoganson, Daniel C. Fisher, Simon Y. W. Ho, Ross D. E. MacPhee, Hendrik N. Poinar: American mastodon mitochondrial genomes suggest multiple dispersal events in response to Pleistocene climate oscillations. In: Nature Communications 11, 2020, S. :4048, doi:10.1038/s41467-020-17893-z.
  7. Asier Larramendi: Shoulder height, body mass and shape of proboscideans. In: Acta Palaeontologica Polonica 61 (3), 2016, S. 537–574, doi:10.4202/app.00136.2014.
  8. Kimberley Sawtelle: Mastodont hair gives clues to habitat. Mammoth Trumpet 6 (4), 1991, S. 8.
  9. Jan van der Made: The evolution of the elephants and their relatives in the context of a changing climate and geography. In: Harald Meller (Hrsg.): Elefantenreich – Eine Fossilwelt in Europa. Halle/Saale, 2010, S. 340–360.
  10. Hilary H. Birks, Bas van Geel, Daniel C. Fisher, Eric C. Grimm, Wim J. Kuijper, Jan van Arkel und Guido B.A. van Reenen: Evidence for the diet and habitat of two late Pleistocene mastodons from the Midwest, USA. In: Quaternary Research 91 (2), 2019, S. 792–812, doi:10.1017/qua.2018.100.
  11. Scott L. Cocker, Michael F. J. Pisaric, Francine McCarthy, Jesse C. Vermaire, Patrick Beaupre und Les Cwynar: Dung analysis of the East Milford mastodons: dietary and environmental reconstructions from central Nova Scotia at ~75 ka yr BP. In: Canadian Journal of Earth Sciences, 2021, doi:10.1139/cjes-2020-0164
  12. Michael R. Waters, Thomas W. Stafford Jr., H. Gregory McDonald, Carl Gustafson, Morten Rasmussen, Enrico Cappellini, Jesper V. Olsen, Damian Szklarczyk, Lars Juhl Jensen, M. Thomas P. Gilbert, Eske Willerslev: Pre-Clovis mastodon hunting 13,800 years ago at the Manis site, Washington. In: Science 334, 2011, S. 351–353, doi:10.1126/science.1207663.
  13. Grant D. Zazula, Ross D. E. MacPhee, Jessica Z. Metcalfe, Alberto V. Reyes, Fiona Brock, Patrick S. Druckenmiller, Pamela Groves, C. Richard Harington, Gregory W. L. Hodgins, Michael L. Kunz, Fred J. Longstaffe, Daniel H. Mann, H. Gregory McDonald, Shweta Nalawade-Chavan, John R. Southon: American mastodon extirpation in the Arctic and Subarctic predates human colonization and terminal Pleistocene climate change. In: PNAS 111 (52), 2014, S. 18460–18465, doi:10.1073/pnas.1416072111.
  14. Bruce Rothschild, Richard Laub: Hyperdisease in the late Pleistocene: validation of an early 20th century hypothesis. In: Naturwissenschaften 93 (11), 2006, S. 557–564.
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