Als Melische Prunkamphoren, Melische Amphoren oder in Bezug auf ihre Schöpfer Melische Gruppe wird eine Gattung großer Bauchhenkelamphoren bezeichnet, die in archaischer Zeit auf den Kykladen produziert wurden. Aufgrund ihrer Form und farbigen Bemalung im orientalisierenden Stil gehören sie zu den bekanntesten griechischen Vasen. Bisher sind elf Exemplare bekannt.

Die Amphoren werden ins 7. und frühe 6. Jahrhundert v. Chr. datiert, die letzten wurden wohl in den 580er Jahren gefertigt. Ihr Name ist irreführend, der Zusatz „melisch“ wird deshalb heute oft in Anführungszeichen gesetzt. Nachdem Alexander Conze 1862 die drei ersten Gefäße der Form auf der Kykladeninsel Melos fand, benannte er sie nach dem Fundort als „Melische Thongefäße“. Der Name hat sich erhalten, obwohl die Verortung der Produktion in Melos mittlerweile vielfach bestritten wird. Eine Mehrheit der Forscher, etwa Ingeborg Scheibler, vermutet die Produktion auf Paros, andere auf Naxos, wieder andere wie Thomas Mannack halten beide Varianten für möglich. Dimitrios Papastamos und lange Zeit John Boardman, der mittlerweile auch eine parische Herkunft nicht ausschließt, vertraten weiter die Auffassung einer melischen Herkunft. Der langjährige Ausgräber auf Paros, Otto Rubensohn, bestritt, dass es auf der Insel überhaupt brauchbare Tonvorkommen gibt. Viele Forscher glauben, dass eine Entscheidung nach den aktuellen Erkenntnissen mit archäologischen Methoden nicht zu treffen ist. Tonanalysen weisen jedoch auf einer Entstehung auf Paros hin.

Bis heute sind nur vergleichsweise wenige dieser Vasen bekannt, insgesamt elf Stück, die vollständig (9 Exemplare) oder fragmentarisch (2 Exemplare) erhalten sind. Trotz der wenigen erhaltenen Exemplare ist die Verbreitung größer als bei allen anderen kykladischen Vasen. Der Export ging über die Kykladen hinaus bis zur parischen Kolonie Thasos, wo auch Imitate der Vasenform geschaffen wurden, und bis nach Nordafrika. Ein Teil der Scherben von Vasen wurde auf Delos gefunden, die Amphoren waren demnach wohl schon vor der Reinigung der Insel von 426 v. Chr. zerstört worden.

Die bis zu 107 Zentimeter hohen Amphoren gibt es in zwei Formen, einer älteren etwas ausladenderen und einer jüngeren etwas schlankeren Form. Deutlich ist der Aufbau aus drei Hauptteilen erkennbar: der Gefäßkörper, der breite Hals, der anders als bei den kanonischen Formen der Amphoren fast so breit ist wie der Körper, und der hohe konische Fuß. Der Fuß ist in regelmäßigen Abständen mit Brennspalten versehen. Sie stehen damit in der Tradition älterer kykladischer Gefäße, der frühkykladischen Kegelhalsgefäße (Kandíles) und der geometrisch-theräischen Amphoren des linearen Inselstils. Anders als diese frühen Formen wirken die Prunkamphoren organischer im Aufbau. Die seitlichen Bauchhenkel sind als horizontale Doppelhenkel angesetzt. Sie können auch durch die Bemalung als optischer Zusatzeffekt wirken. Zum einen können sie den Eindruck von Ziegenhörnern vermitteln, so dass die Amphoren wie Ziegenköpfe mit weit ausladenden Hörnern wirken. In einer zweiten Variante sind unter die Henkel Augen gemalt, somit wirken die Henkel wie Augenbrauen.

Alle Amphoren haben auf dem Körper ein zentrales Bild. Häufig sind auch die Hälse figürlich verziert, seltener die Füße. Bis auf wenige Ausnahmen ist der Hals ganz oder zum Teil mit Metopen versehen, die den Hals in ganzer Höhe einnehmen. Die Hauptdarstellung nimmt in etwa die obere Hälfte des Körpers ein, darunter folgen üblicherweise zwei Bänder mit Spiral- oder Volutenmustern. Der Fuß ist zwischen den Brennspalten meist mit Doppelvoluten verziert, darüber und darunter werden sie von geometrischen Bändern eingefasst. Als Abschluss folgt ein Strahlenkranz. Die gezeigten Bilder sind gewöhnlich recht grazil und elegant, die Maler nutzen in größerer Menge Deckfarben. Späte Exemplare zeigen Figuren im schwarzfigurigen Stil, auf anderen Vasen wird der späte Tierfriesstil imitiert.

Die Amphoren wurden als repräsentative Vasen der Oberschicht im Grabkult eingesetzt und hatten dort die Funktion, die später von Statuen übernommen wurde: sie sollten die Gräber markieren. Daneben wurden sie wohl auch als Kultobjekte in Heiligtümern verwendet. Mit der wachsenden Bedeutung der Skulpturen kam auch die Produktion der Vasen zum Erliegen. Die Bilder zeigen Pferde (Pferde-Amphore), Reiter (Reiter-Amphore), Götter (Apollon und Artemis: Apollon-Amphora), Sagengestalten (Herakles im Streitwagen: Herakles-Amphore, Sphinx: Sphinx-Amphora) und auf einem Fragment in Berlin die Herrin der Tiere ("Gerhard’sches Fragment").

Zusammenstellung der Melischen Amphoren

Rufname nach Dimitrios Papastamos

NameBildAufbewahrung
Herakles-AmphoreAthen, Nationalmuseum Inv. 354
Apollon-AmphoreAthen, Nationalmuseum Inv. 911
Reiter-AmphoreAthen, Nationalmuseum Inv. 912
Pferde-AmphoreAthen, Nationalmuseum Inv. 913
Sphinx-AmphoreAthen, Nationalmuseum Inv. 914
Dionysos-AmphoreBritish School at Athens
Gerhardsches BruchstückBerlin, Antikensammlung Inv. F 301
Conzesches BruchstückBonn, Akademisches Kunstmuseum Inv. 2040
Neapolis-AmphoreKavala, Archaeological Museum
Amphore mit Darstellung des ParisurteilsParos, Museum Inv. B 2652
Amphore mit Darstellung einer PflugszeneParos, Museum Inv. B 2653

Literatur

  • Dimitrios Papastamos: Melische Amphoren (= Orbis Antiquus Bd. 25). Aschendorff, Münster 1970 (Zugleich: Dissertation, Universität Münster).
  • Photeini Zapheiropoulo: Προβλήματα της μηλιακής αγγειογραφίας. Athen 1985.
  • Werner Ekschmitt: Kunst und Kultur der Kykladen. Band 2: Geometrische und Archaische Zeit (= Kulturgeschichte der Antike. Band 28, 2). von Zabern, Mainz 1986, ISBN 3-8053-0900-7, S. 136–145 Tafel 40–43
  • Ingeborg Scheibler: Griechische Töpferkunst. Herstellung, Handel und Gebrauch der antiken Tongefäße. 2., neubearbeitete und erweiterte Auflage. C. H. Beck, München 1995, ISBN 3-406-39307-1, S. 165.
  • John Boardman: Early Greek Vase Painting. 11th – 6th Century BC. A Handbook (= World of Art.). Thames and Hudson, London 1998, ISBN 0-500-20309-1, S. 111–112.
  • Photeini Zapheiropoulou: Paros. Archaeological Receipts Fund, Athen 1998, ISBN 960-214-902-7, S. 38–39.
  • Thomas Mannack: Griechische Vasenmalerei. Eine Einführung. Theiss, Stuttgart 2002, ISBN 3-8062-1743-2, S. 89–90.

Anmerkungen

  1. R. E. Jones: Greek and Cypriot Pottery. A Review of Scientific Studies (= The British School at Athens Fitch Laboratory Occasional Paper Bd. 1). British School at Athens, Athen 1986, S. 652–658.
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