Meier Spanier (* 1. November 1864 in Wunstorf; † 28. September 1942 in Berlin) war ein deutscher Pädagoge und Germanist.
Leben
Meier Spanier, 1864 als Sohn des eingesessenen Klempnermeisters Leser Spanier (1821–1889) und seiner Ehefrau Elise geb. Meyer (1815–1905) aus dem niedersächsischen Landjudentum geboren, besuchte die einklassige jüdische Schule in Wunstorf. Sein 11 Jahre älterer Bruder war der Pädagoge und Autor Moritz Spanier. Die beiden Brüder hatten drei Schwestern. Seine Jugend schildert er später als „glücklich“.
„Daß meine Familie nun 260 Jahre in dem hannoverschen Städtchen gehaust hat, begründet zur Genüge die Verbundenheit mit der Heimat.“
Der Ortspfarrer der Gemeinde erkannte ihn als besonders begabten Jungen und schlug vor, ihn auf die jüdische Lehrerbildungsanstalt in Hannover zu schicken. Hier legte er 1884 die erste und 1886 die zweite Lehrerprüfung ab. Es folgten 1890 die Mittelschullehrerprüfung für Französisch und Latein sowie 1891 die Rektoratsprüfung. Zum Sommersemester desselben Jahres immatrikulierte sich der nunmehr 26-Jährige an der Universität Heidelberg, um Philosophie sowie Deutsche Sprache und Literatur zu studieren. Mit der Abhandlung „Über Murners Narrenbeschwörung und Schelmenzunft“ wurde er 1894 promoviert. Danach unterrichtete er an der privaten, von Jakob Loewenberg geleiteten höheren Töchterschule in Hamburg. In dieser Zeit knüpfte er enge Freundschaften zu Detlev von Liliencron und Alfred Lichtwark. Von 1900 bis 1911 war Spanier der Leiter des Lehrerseminars der Marks-Haindorf-Stiftung in Münster. Die Stiftung vertrat als Leitsatz genau die Ansicht, die Spanier zeit seines Lebens auch unterstützte: die „geeinte Zwienatur“ des deutschen Judentums erkennen, als patriotischer Deutscher und königstreuer Preuße sich in die Gesellschaft integrieren und dennoch die jüdische Tradition fortführen. Dieses Anliegen schlug sich auch in der Rede Spaniers zum 75-jährigen Bestehen der Marks-Haindorf-Stiftung nieder, in der er Jakob Loewenberg zitierte:
Ihr könnt mir das Gefühl nicht rauben,
das freudigstolz die Brust mir schwellt;
Trotz euer: Deutschland über alles,
Ja, über alles in der Welt.
Nach 1911 fungierte er bis zu seiner Pensionierung als Rektor der Mädchenschule und 1921–1930 als Rektor der Mädchenmittelschule der jüdischen Gemeinde Berlin. In dieser Zeit veröffentlichte er einige durchaus beachtete Werke über germanistische und kunstpädagogische Themen.
Tod
Unmittelbar vor ihrer bevorstehenden Deportation setzten er und seine Frau Charlotte ihrem Leben selbst ein Ende. Die fragliche Deportation könnte der Transport vom 3. Oktober 1942 vom Bahnhof Berlin-Grunewald, Gleis 17, ins Ghetto Theresienstadt gewesen sein. Die Kultusvereinigung Berlin (Reichsvereinigung der Juden in Deutschland) legte am 1. Oktober 1942 eine „Zählkarte für Sterbefall“ für den am 28. September 1942 verstorbenen Dr. Spanier, Meier an mit der „bisherigen Adresse“: Chlg 4, Schlüterstr. 53 b/ Bloch. Auf einer entsprechenden Sterbekarte für Charlotte ist die gleiche Anschrift und als Todesdatum der 27. September 1942 eingetragen.
Werke
- Thomas Murners Narrenbeschwörung (Text und Bilder der ersten Ausgabe). Mit Einleitung, Anmerkungen und Glossar. Halle, 1894 (online bei Google Books).
- Vom Alten und Modernen Sturm und Drang. Berlin, 1896.
- Künstlerischer Bilderschmuck für Schulen. Leipzig, 1897.
- Gustav Falke als Lyriker. Eine Auswahl aus seinen Dichtungen mit einer Einleitung. [Hamburgische Liebhaberbibliothek]. Hamburg, Selbstverlag, 1900.
- Die Wunstorfer Spanier. In: Jahrbuch für jüdische Geschichte und Literatur. 30. Band (1937), S. 187–203. Compact Memory
- Erinnerungen, Auszug, in: Monika Richarz (Hrsg.): Jüdisches Leben in Deutschland. Band 1: Selbstzeugnisse zur Sozialgeschichte 1780–1871. Stuttgart : DVA, 1979, S. 202–212
Würdigung
Im Jahr 2002 beschloss der Wunstorfer Stadtrat, durch die Benennung einer Dr.-Meier-Spanier-Straße im Süden der Stadt an Meier Spanier zu erinnert.
Literatur
- Rektor Dr. Meier Spanier. In: Bericht über die Lehranstalten der jüdischen Gemeinde zu Berlin. Teil 1: Knabenschule; Präparandie; Lehrer-Bildungsanstalt; Mädchenschule; Elementarschule des II. Waisenhauses. Feilchenfeld, Berlin 1914, S. 51.
- Diethard Aschoff: Unveröffentlichte westfälisch-jüdische Erinnerungen. In: Westfälische Forschungen, Bd. 38 (1988), S. 257–265
- Eberhard Kaus: Im Licht des Lebens. Das jüdische Wunstorf im Spiegel seiner Gräber (1830–1938). zu Klampen Verlag, Springe 2021, ISBN 978-3-86674-817-0.
- Gisela Möllenhoff u. Rita Schlautmann-Overmeyer: Jüdische Familien in Münster 1918–1945 – Abhandlungen und Dokumente. Münster 1998. S. 30ff.
- Susanne Freund: Jüdische Bildungsgeschichte zwischen Emanzipation und Ausgrenzung – das Beispiel der Marks-Haindorf-Stiftung in Münster (1825–1942). Verlag Schöningh. Münster u. Paderborn 1997. ISBN 3-506-79595-3
- Spanier, Meier. In: Lexikon deutsch-jüdischer Autoren. Band 19: Sand–Stri. Hrsg. vom Archiv Bibliographia Judaica. De Gruyter, Berlin u. a. 2012, ISBN 978-3-598-22699-1.
Weblinks
Einzelnachweise
- ↑ Meier Spanier, Die Wunstorfer Spanier, 1937
- 1 2 Rektor Dr. Meier Spanier. In: Bericht über die Lehranstalten der jüdischen Gemeinde zu Berlin. Teil 1: Knabenschule; Präparandie; Lehrer-Bildungsanstalt; Mädchenschule; Elementarschule des II. Waisenhauses. Feilchenfeld, Berlin 1914, S. 51.
- ↑ Heidelberg, Universitätsarchiv, UAH M12: 1872/73–1894/95, fol. 549v–550r Nr. 83 (online bei Heidelberger historische Bestände – digital).
- ↑ Veröffentlichung in: Beiträge zur Geschichte der deutschen Sprache und Literatur 18 (1894), S. 1–71 (online bei Internet Archive).
- ↑ Arolsen Archives. International Center on Nazi Persecution