Mechanische Musikautomaten, umgangssprachlich auch mechanische Musikinstrumente, sind selbstspielende Musikinstrumente, die ohne Interpreten Musik erzeugen können. Schon aus der Antike sind solche Instrumente bekannt.

Einige dieser Instrumente lassen auch durch Umschalten oder Umrüsten weiterhin manuelles Spiel durch einen Interpreten zu.

Umgangssprachlich werden diese Vorrichtungen oft als mechanische Musikinstrumente bezeichnet, während die herkömmlichen Musikinstrumente umgangssprachlich oft als akustisch bezeichnet werden. Dabei sind die Vorgänge in einem Pianola und in einem Klavier oder bei einer Geige und bei einer „Geige“ im Orchestrion ebenfalls mechanisch, ja sogar identisch. Alle Musikinstrumente sind notwendigerweise akustisch, ohne akustische (d. h. Schall-)Wellenabstrahlung kann man nichts hören.

Geschichte der Musikautomaten

In der Antike erklärt z. B. Heron von Alexandria in seinem Werk Automata nicht nur Tempeltüren, die sich automatisch wie von Geisterhand öffnen, sondern auch Musikmaschinen.

Die ältesten noch erhaltenen mechanischen Musikinstrumente sind die Glockenspiele in den Monumentaluhren des späten Mittelalters. In der Renaissance schufen Kunsthandwerker in Augsburg wertvolle Musikautomaten und selbstspielende Spinette, die über Stiftwalzen gesteuert wurden.

Im 18. Jahrhundert entstand die Flötenuhr, für die Haydn, Mozart und Beethoven Originalkompositionen schufen. Die Ansprüche an die technischen und musikalischen Möglichkeiten selbstspielender Instrumente stiegen ständig, und zu Beginn des 19. Jahrhunderts konstruierten sogenannte „Musikmaschinisten“ wie Johann Nepomuk Mälzel ganze selbstspielende Orchester, die „Orchestrien“.

1799 konstruierte Johann Heinrich Völler (1768–1834) aus Angersbach in Hessen einen Automaten. Dieser Automat war eine Kombination aus Pianoforte und Flötenwerk, vor dem ein mechanischer Knabe saß, der die Tasten mit richtigen Fingersatz betätigte.

Um die gleiche Zeit entstanden in der Schweiz die Spieldosen, bei denen die Stifte einer sich drehenden Messingwalze die Zähne eines Tonkamms anrissen und zum Klingen brachten. Im Zuge der Industrialisierung wurde es später möglich, preisgünstige und somit für jedermann erschwingliche Geräte herzustellen: Die über gelochte Pappscheiben gesteuerten Drehinstrumente „Ariston“ und „Herophon“ wurden zu Hunderttausenden verkauft. Sie wurden um 1890 von den Plattenspieldosen abgelöst, deren bekannteste Fabrikate „Polyphon“, „Symphonion“ und „Kalliope“ waren.

Mit der Einführung der Pneumatik gegen Ende des 19. Jahrhunderts gelang es erstmals, selbstspielende Klaviere herzustellen, die eine befriedigende dynamische Abstufung erlaubten. Die über „Pedale“ betriebenen „Phonolas“ und „Pianolas“ gehörten zu jeder gutbürgerlichen Einrichtung. Für Gasthäuser und Tanzsäle wurden elektrische Klaviere und riesige pneumatische Orchestrien gebaut, und eine als achtes Weltwunder gepriesene selbstspielende Geige begeisterte die Musikliebhaber. Die schon im 16. Jahrhundert nachgewiesene, ab etwa 1700 verbreitet auftauchende Handdrehorgel wurde zur klangstarken Karussell- und Tanzorgel weiterentwickelt. Sie zählt jedoch nur bedingt zu den Musikautomaten, weil der Bediener der Drehorgel auf die Wiedergabe der Musik Einfluss ausüben kann.

1904 brachte die Firma Welte & Söhne den Klavierspielapparat „Mignon“ auf den Markt, der es erstmals erlaubte, das Klavierspiel eines Pianisten mit allen dynamischen und agogischen Details wiederzugeben. Mit der Verbreitung von Grammophon und Rundfunk gerieten die mechanischen Musikinstrumente zunehmend in Vergessenheit. Dies gilt aber nicht für Reproduktionsklaviere, so stellt z. B. Bösendorfer seit 1986 einen Computerflügel her, der durch eine elektronische Aufnahmeeinrichtung in der Lage ist, das Spiel eines Pianisten perfekt aufzunehmen und zu reproduzieren oder die Aufnahmen anschließend elektronisch zu editieren.

Musikautomaten wurden Ende des 18. Jahrhunderts unter anderem auch an indischen Fürstenhöfen beliebt und dorthin exportiert. Eine besondere indische Adaption stellt Tipus Tiger dar, ein Ende des 18. Jahrhunderts in Mysore hergestellter mechanischer Automat. Er zeigt einen Tiger bei einer Attacke auf einen europäischen Soldaten oder Angestellten der British East India Company und erzeugt dazu passende Geräusche und Bewegungen. Darüber hinaus enthält er eine kleine Orgeltastatur mit 18 Pfeifen.

Beispiele

Sammlungen von Musikautomaten

Siehe auch

Einzelnachweise

  1. „Jahrhunderts ist der Klavierbauer Johann Heinrich Völler (1768–1834, Völler-Flügel, um 1810, im Stadtmuseum) in Kassel nachweisbar.“ In: Zeitschrift des Vereins für hessische Geschichte und Landeskunde. Band 41, Verein für Hessische Geschichte und Landeskunde 1908, S. 13
  2. Arrey von Dommer (Hrsg.): Musikalisches Lexicon: auf Grundlage des Lexicon's von H.Ch. Koch. J.C.B. Mohr, Heidelberg 1865, S. 57–58 (online in der Google-Buchsuche): „Apollonion, ein merkwürdiges Tasteninstrument, erfunden und um 1800 erbaut von Joh. Heinr. Völler aus dem Dorfe Angersbach im Hessen-Darmstädtischen. Es ist 5 Fuss lang, 3 1/2 Fuss tief und beinahe 11 Fuss hoch und besteht hauptsächlich aus 1) einem Pianoforte in aufrechtstehender Flügelform, mit zwei Claviaturen übereinander, Umfang von F1 bis a3; 2) einem Pfeifenwerke für das zweite Clavier, eine S-, 4- und 2-füssige Flöte enthaltend; 3) einem Automaten von Grösse und Gestalt eines achtjährigen Knaben, der mehrere Flötenconcerte mit richtigem Fingersatze spielt und in den Pausen die Flöte absetzt. Das Instrument kann beliebig als Pianoforte allein, auch in Verbindung mit dem Flötenwerke sowie mit dem Automaten gebraucht werden. Es hat 18 Hauptveränderungen, zu denen die Züge für das Pianoforte unter dem Brette der Tastatur, für das Pfeifenwerk zu den Füssen des Spielers, und für den Automaten an den Seiten des Instrumentes angebracht sind. Ausserdem ergeben die Hauptveränderungen durch Mischung noch eine grosse Anzahl anderer Varianten. Mittels eines Zuges kann man auch das Ganze eine Menge kleinerer und grösserer Stücke von selbst spielen lassen. Dabei soll der Mechanismus so einfach sein, dass man ihn in 8 Minuten ganz auseinandernehmen kann. S. Leipziger Allgem. mus. Zeitg. Jahrg. II Stück 44“.
  3. Heinrich Welcker von Gontershausen: Neu eröffnetes Magazin musikalischer Tonwerkzeuge: dargestellt in technischen Zeichnungen aller Saiten- Blas- Schlag- & Friktions-Instrumente Welcker von Gontershausen, 1855, S. 117 (online in der Google-Buchsuche).
  4. Gustav Schilling: Encyclopädie der gesammten musikalischen Wissenschaften, oder Universal-Lexicon der Tonkunst. Erster Band, Verlag F. H. Köhler, 1835, S. 247 (online in der Google-Buchsuche).
  5. Archivlink (Memento vom 25. August 2006 im Internet Archive) Beschreibung von Tipu Sultans Tiger auf der Website des Victoria and Albert Museum
  6. Gesellschaft für Selbstspielende Musikinstrumente Homepage
  7. 200 Jahre alter Musikautomat nachgebaut orf.at, 6. März 2016, abgerufen 1, November 2016.
  8. Nicolay Ketterer: Die Marble Machine der schwedischen Band Wintergatan. Keyboards – Analoger Sequenzer für Puristen, 23. März 2020, abgerufen am 7. August 2020.
  9. Deutsches Museum: Deutsches Museum: Automaten. Abgerufen am 17. August 2020.
  10. Mechanische Klangfabrik in Haslach an der Mühl
  11. Reiner Hüttel: Willkommen bei Hüttels Musikerk. In: huettel-musikwerke.de. Abgerufen am 17. August 2020.
  12. Musikautomatensammlung Eger - Gemeinde Altenfeld. In: altenfeld-thueringen.de. Abgerufen am 17. August 2020.

Literatur

  • Helmut Kowar: Mechanische Musikinstrumente. In: Oesterreichisches Musiklexikon. Online-Ausgabe, Wien 2002 ff., ISBN 3-7001-3077-5; Druckausgabe: Band 3, Verlag der Österreichischen Akademie der Wissenschaften, Wien 2004, ISBN 3-7001-3045-7.
  • Helmut Kowar: Musikautomaten. In: Oesterreichisches Musiklexikon. Online-Ausgabe, Wien 2002 ff., ISBN 3-7001-3077-5; Druckausgabe: Band 3, Verlag der Österreichischen Akademie der Wissenschaften, Wien 2004, ISBN 3-7001-3045-7.
  • Ulrich Wimmer: Alles andere als Alltag. Die heitere Welt der mechanischen Musik. Martina Galunder, Nümbrecht 2000, ISBN 3-931251-59-4
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