Unter der Gestalt der Britannia versteht man die Nationalallegorie (Nationalfigur) von Großbritannien, also eine Personalisierung und Verklärung des britischen Volkes und Gebiets nach griechisch-römischem Vorbild.

Antikes Vorbild

Die Nationalallegorie der Britannia geht auf Pallas Athene, Schutzgöttin des Stadtstaats Athen bzw. ihr römisches Gegenbild Minerva, eine der drei Schutzgottheiten Roms zurück. Beide Göttinnen stehen für Weisheit und staatliche Gemeinschaft und wurden mit dem lateinischen Begriff Genius loci beschrieben, was wörtlich übersetzt „der Geist des Ortes“ heißt. In diesem Sinne bezeichnet Genius loci die geistige Atmosphäre eines Ortes, die durch den Geist der Menschen geprägt sein soll, die sich dort aufgehalten haben oder noch befinden.

Unter dem Namen Britannia wurde von den Romano-Briten daher der weibliche Genius der römischen Provinz Britannien als Gottheit verehrt. Will man sich ausdrücklich auf das von Römern eroberte Gebiet beziehen, so spricht man auch von Britannia Romana (Römisches Britannien), im Gegensatz zum nichtrömischen Britannien auch als Britannia Barbara (Wildes/Fremdes Britannien) bezeichnet.

In der Neuzeit wählte man oftmals – in Analogie zur Britannia falls eine entsprechende römische Gottheit fehlte – den Namen der einstigen römischen Provinz, die in antiken Zeiten im Gebiet des jeweiligen zeitgenössischen Staates bestand. Beispiele hierfür sind Austria, Germania oder Helvetia.

Etymologie

Britannia leitet sich vom lateinischen Namen Britanni für die Bewohner der größten der (von uns heute Britische Inseln genannten) sich in der Nordsee befindlichen Inseln ab, wohingegen sich Britanni wiederum vom wesentlich älteren griechischen Prettanoí ableitet. Der älteste Bericht über die "Briten" geht auf eine Expeditionsreise des Griechen Pytheas um das Jahr 325 v. Chr. zurück. Albion, der andere antike Name für Britannien ist keltischer bzw. vorkeltischer Natur.

Typische Darstellung

Antike Darstellung

Nachdem der Südteil der britischen Insel im Jahre 43 durch die Römer erobert und ins Römische Reich integriert wurde, begann man den Genius loci des Landes – die Göttin Britannia – zu verehren. Münzen und andere Zeugnisse belegen, dass im 2. Jahrhundert Britannia üblicherweise als martialische Gottheit mit einem Dreizack, einem Streitschild und einem korinthischen Kampfhelm dargestellt wurde.

In den Jahrhunderten nach dem Rückzug der Römer von den Britischen Inseln kam es durch die Eroberung durch die germanischen Angeln, Sachsen und Jüten sowie der Kolonialisierung durch William the Conqueror 1066 und die damit verbundene allmähliche Christianisierung zum weitgehenden Vergessen jener brito-romanischen Gottheit Britannia.

Darstellung in der Englischen Renaissance

Als sich Mitte des 16. Jahrhunderts eine nationale Identität gebildet und sich 1707 mit dem Act of Union ein Nationalstaat entwickelt hatte, kam es im rennaissanceschen Britannien unter Königin Victoria I – wie in anderen europäischen Staaten – zu einer Anthromorphisierung und Verklärung des eigenen Volkes und Landes nach griechisch-römischem Vorbild. Die moderne Britannia als Personifikation der britischen Seemacht trat an die Stelle der alten Schutzgöttin. Sie behielt den Korintherhelm als Ausdruck militärischer Stärke bei. Auf dem Schutzschild prangte nun der Union Jack als nationales Einheitssymbol. Charakteristisch für die britische Militärdominanz zur See hält Britannia einen tritonischen Dreizack und wurde, wenn möglich vor einem Handelsschiff, welches für die handelsseitige Seedominanz steht und einem britischen Löwen, welcher die glorreiche und mächtige (konstitutionelle) Monarchie verkörpert abgebildet.

Namensgebung

Da Britannia britische Werte, Wertvorstellungen und Patriotismus symbolisiert diente diese oftmals als Namensgeberin:

Wasserzeichen / Briefmarke

Die Britannia ist außerdem ein, in Großbritannien, sehr beliebtes Motiv für Wasserzeichen. Von Wertpapieren (Aktien, Schecks) bis Briefpapiere ist es weit verbreitet. Gewöhnlich wird sie sitzend und zeitlos (unbestimmter Union Jack) dargestellt. Ein Beispiel hierfür ist auf dieser kommerziellen Webseite von papermoulds.typepad.com zu sehen

Literatur

  • Robin George Collingwood: Roman Britain and the English Settlements. Biblo & Tannen Publishers, 1998, ISBN 0-8196-1160-3 (google.com).
  • Norman Davies: The Isles a History. Macmillan, 2000, ISBN 0-333-69283-7.
  • Virginia Hewitt: Britannia (fl. 1st–21st cent.). In: Oxford Dictionary of National Biography. online edition 2007, accessed 28 Aug 2011
  • Christopher Snyder: The Britons. Blackwell Publishing, 2003, ISBN 0-631-22260-X (google.com).
  • Madge Dresser: Britannia. In: Raphael Samuel (Hrsg.): Patriotism: the making and unmaking of British national identity. Band 3: National fictions. Routledge, 1989, S. 26–49.
  • Britannia depicta: quality, value and security. National Postal Museum, 1993.
  • Harold Mattingly: Coins of the Roman empire in the British Museum. Vol. 3: Nerva to Hadrian. reprint. London 1976.
  • J. M. C. Toynbee: The Hadrianic school: a chapter in the history of Greek art. Cambridge 1934.
  • Martin Henig: Britannia. In: Lexicon Iconographicum Mythologiae Classicae. Band 3, 1983, S. 167–169.
  • Kenan T. Erim: A new relief showing Claudius and Britannia from Aphrodisias. In: Britannia. 13, 1982, S. 277–281.
  • R. Strong: Gloriana, the portraits of Queen Elizabeth I. Thames and Hudson, 1987, ISBN 0-500-25098-7.
  • H. A. Atherton: Political prints in the age of Hogarth. A study of the ideographic representation of politics. Clarendon Press, 1974, ISBN 0-19-827188-3.
literarische Werke
  • Henry Peacham: Minerva Britannia, or, A garden of heroical devises. London 1612 (Digitalisat).
  • James Thomson: Britannia. A poem. London 1729.
Commons: Britannia – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. Bernhard Maier: Geschichte und Kultur der Kelten. Verlag C. H. Beck, München 2012, ISBN 978-3-406-64140-4, S. 215 (Auszug online, Google Books [abgerufen am 9. November 2014]).
  2. Iron Age. BBC, abgerufen am 10. November 2014.
  3. Wrecksite: SS Britannia († 1941)
  4. Daily Mail 14 April 2011: „A thousand rather popular pubs…“
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