Nikolai Stepanowitsch Gumiljow (russisch Николай Степанович Гумилёв, wiss. Transliteration Nikolaj Stepanovič Gumilëv; * 3. Apriljul. / 15. April 1886greg. in Kronstadt; † 24. August 1921 in Berngardowka bei Petrograd) war ein russischer Dichter des Silbernen Zeitalters und einer der Protagonisten der literarischen Richtung des Akmeismus.
Leben
Nikolai Gumiljow wurde 1886 in die Familie eines Marinearztes in Kronstadt geboren. Er besuchte – etwa gleichzeitig mit Anna Achmatowa – das Gymnasium in Zarskoje Selo, dessen Direktor der bekannte Altphilologe und Euripides-Übersetzer Innokenti Annenski war. Bereits 1905, noch vor seinem Schulabschluss 1906, erschien sein erster Gedichtband Weg der Konquistadoren (Путь конквистадоров). In ihm wurden bereits die späteren Grundelemente in Gumiljows Dichtung sichtbar: heroische Abenteuer in exotischer Umgebung. Die Arbeiten weckten die Aufmerksamkeit des bekannten Symbolisten Waleri Brjussow, mit dem Gumiljow seitdem korrespondierte.
1907 reiste Gumiljow nach Paris, wo er an der Sorbonne französische Literatur studierte, die Zeitschrift Sirius und 1908 seinen zweiten Gedichtband Romantische Blüten (Романтические цветы) herausgab.
Gumiljows erste Reise nach Afrika, im Jahr 1908 nach Ägypten, begeisterte den jungen Dichter für den Kontinent; afrikanische Motive hielten durch Gumiljow Einzug in die russische Lyrik. Weitere Reisen im Winter 1909/1910 sowie 1910/1911 nach Abessinien mündeten in den Gedichtzyklus Abessinische Lieder (Абиссинские песни), veröffentlicht in der Sammlung Fremder Himmel (Чужое небо, 1912).
Nachdem Gumiljow im Herbst 1909 an der historisch-philosophischen Fakultät der Petersburger Universität weiterstudierte, gab er 1910 die Gedichtsammlung Perlen (Жемчуга) heraus, für die Brjussow das Vorwort schrieb. Er wurde zu einer bekannten Größe in der Petersburger Literaturszene und heiratete im gleichen Jahr Anna Achmatowa. Gemeinsam mit Mandelstam, Achmatowa und anderen gründete er 1911 die Dichterzunft (Цех поэтов), die durch das Manifest Das Erbe des Symbolismus und der Akmeismus (Наследие символизма и акмеизм) zur Keimzelle des Akmeismus wurde. Die akmeistische Zeitschrift Apollon gab er als leitender Redakteur heraus.
Eine Forschungsreise im Auftrag der Akademie der Wissenschaften 1913 nach Afrika verstärkte Gumiljows Erfahrungen als Forscher, Jäger und Abenteurer und seine Leidenschaft für Abessinien.
Mit Beginn des Ersten Weltkriegs meldet sich Gumiljow freiwillig an die Front und berichtete regelmäßig in der Zeitschrift Börsennachrichten mit seinen Notizen eines Kavalleriesoldaten (Записки кавалериста). Während des Krieges erschienen zwei Gedichtsammlungen, 1916 Der Köcher (Колчан) und 1918 Scheiterhaufen (Костер).
Bei Beginn der Revolution hielt sich Gumiljow mit seiner Einheit in Paris und London auf – bei seiner Rückkehr nach Petersburg (damals Petrograd) stieg er sofort wieder in das literarische Leben ein und wurde Mitglied des Redaktionskollektivs des Verlages Weltliteratur (Всемирная литература). Während seiner Zeit im Verlag übersetzte er das Gilgamesch-Epos und Werke von Heine und Coleridge ins Russische. Zusätzlich unterrichtete er Lyrik- und Übersetzungstheorie und leitete Kurse für junge Dichter.
1921 wählte man Gumiljow zum Vorsitzenden der Petrograder Dichtervereinigung. Nachdem sein letztes Buch Die Feuersäule (Огненный столп) erschienen war, wurde er im August desselben Jahres als Offizier der kaiserlichen Armee unter dem Vorwurf der Beteiligung an einer konterrevolutionären Verschwörung in Berngadowka bei Petrograd von Bolschewisten erschossen.
Gumiljows Werke durften nach seinem Tod lange Zeit nicht veröffentlicht werden; außer im Samisdat und in antiquarischen Ausgaben waren sie nicht verfügbar. Erst unter Gorbatschow 1986 erfolgte seine Rehabilitierung.
Werke
Dramen
- Don Juan in Ägypten, Versdrama in einem Akt, 1912
- Akteon, Versdrama in einem Akt, 1913
- Das Kind Allahs, Versdrama in einem Akt, 1917
- Gondla, Versdrama in vier Akten, 1917
Literatur
- Wadim Krejd: Николай Гумилев в воспоминаниях современников. Paris 1989 (deutsche Übersetzung des Titels: Nikolai Gumiljow in den Erinnerungen seiner Zeitgenossen).
- Wladimir Poluschin: Николай Гумилев. Жизнь расстрелянного поэта. Молодая гвардия, Moskau 2006 (deutsche Übersetzung des Titels: Nikolai Gumiljow. Das Leben eines erschossenen Dichters).
Weblinks
- Literatur von und über Nikolai Stepanowitsch Gumiljow im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek
- Umfangreiche Gumiljow-Seite mit Fotos und Gedichten (russisch, deutsche Gedichtübersetzungen)
- Porträtfotos
Einzelnachweise
- ↑ Lew Gumiljow: Von der Rus zu Russland. Ethnische Geschichte der Russen spannend erzählt. Verlagshaus Monsenstein und Vannerdat, Münster 2005. ISBN 3-86582-214-2. S. 336.
- ↑ Artikel Nikolay Stepanovich Gumilyov in der Encyclopædia Britannica.