Ein Notfallkoffer ist ein Koffer, der Materialien zur Diagnose und Therapie von medizinischen Notfällen, wie zum Beispiel akuten Erkrankungen, Verletzungen oder Vergiftungen, enthält. In jedem Rettungsmittel wird ein Notfallkoffer mitgeführt.

Inhalt und Normung

Meistens werden die Notfallkoffer dem Einsatzgebiet sowie der Qualifikation und den Vorlieben des Benutzers entsprechend bestückt, es gibt aber auch genormte Typen mit einer festgelegten Mindestausrüstung.

Notfallkoffer mit Notfall-Ausrüstung

Der gängigste Notfallkoffer umfasst die Notfall-Ausrüstung nach DIN 13232 (früher Notfall-Arztkoffer genannt). Gemäß Norm umfasst er drei Module: Modul A umfasst notfallmedizinische Grundausrüstung. Dieses Modul ist als einziges verpflichtend zu verlasten. Modul B dient der Diagnostik und Behandlung von Erwachsenen, wohingegen Modul C auf Notfälle mit Säuglingen oder Kindern ausgelegt ist und die DIN 13233 (siehe unten) ersetzt. Zulässige Kombinationen sind A + B (Notfall-Ausrüstung Erwachsene), A + C (Notfall-Ausrüstung Kinder) oder A + B + C (Notfallausrüstung Kinder und Erwachsene). Der Notfallkoffer beinhaltet standardmäßig neben Verbandsmaterial auch Medizintechnik für invasive Maßnahmen wie Thoraxdrainagen oder Zentrale Venenkatheter, aber auch das normale Material wie Beatmungsbeutel mit mehreren Masken, Intubationsbesteck, Stethoskop und eine Pupillenleuchte. Des Weiteren wird in der Regel vom jeweils verantwortlichen Notarzt festgelegt, welche Arzneimittel zur präklinischen Versorgung mitgeführt werden.

Ein separater Notfall-Arztkoffer für Säuglinge und Kleinkinder war in der DIN 13233 genormt und unterschied sich im Inhalt vor allem durch seine Ausrichtung auf die pädiatrischen Notfälle und enthielt so Material in kleineren Größen, spezielle Medikamente sowie Kanülen zur intraossären Infusionstherapie. Er wurde 2011 durch eine novellierte Fassung der DIN 13232 (siehe oben) ersetzt.

Notfallkoffer in Arzt- oder Zahnarztpraxen sind meist nicht so umfangreich wie Notfallkoffer im Rettungsdienst ausgerüstet. Der Handel bietet hier beispielsweise spezielle Koffer an, bei denen auf das Intubationsbesteck verzichtet wird und andere Ausrüstungsgegenstände vorbereitet sind (z. B. Beatmungsbeutel bereits mit der Sauerstoffquelle verbunden).

Es gibt heute bereits intelligente Notfallkoffer (Erste-Hilfe-Systeme / Notfall-Systeme) mit integriertem Defibrillator (AED), die automatisch eine Sprachverbindung zur Sanitätsnotrufzentrale herstellen um den Ersthelfer von einer geschulten Fachperson zu unterstützen, sich über M2M-Modul und IoT überwachen lassen, per SMS Helfer in der Umgebung alarmieren und für die Rettungskräfte genaue Daten zum Standort liefern (Standorthinterlegung, GPS-Koordinaten). Dies hilft im Notfall Fehler zu vermeiden und erheblich Zeit in der Rettungskette einzusparen.

Inhalt nach DIN 13232:2011-05 (Notfall-Ausrüstung)
Ausrüstungsgegenstände Stückzahl Modul
A B C
Absauggerät nach DIN ISO 10079-21
Einmal-Absaugkatheter mit Endöffnung, Gr. CH 181
Einmal-Absaugkatheter mit Endöffnung, Gr. CH 121
Einmal-Absaugkatheter mit Endöffnung, Gr. CH 141
Einmal-Absaugkatheter mit Endöffnung, Gr. CH 161
Baby Schleimabsauger1
Beatmungsbeutel für Erwachsene nach DIN EN ISO 10651-41
Beatmungsbeutel für Säuglinge und Kinder nach DIN EN ISO 10651-41
Peep-Ventil1
Bakterienfilter für Beatmungsbeutel1
Beatmungsmaske in verschiedenen Größen2
Beatmungsmaske für Säuglinge, Kleinkinder und Schulkinder3
Guedel-Tubus in verschiedenen Größen2
Guedel-Tubus für Säuglinge, Kleinkinder und Schulkinder3
Larynxmaske / -tubus für Erwachsene1
Larynxmaske / -tubus für Säuglinge, Kleinkinder und Schulkinder2
Laryngoskopgriff1
Spatel22
Magillzange für Erwachsene1
Magillzange für Kinder1
Trachealtubus ohne Ballon nach DIN ISO 5361-2 mit Konnektor nach DIN ISO 7228
3 mm1
4 mm1
4,5 mm1
5 mm1
Trachealtubus mit Ballon nach DIN ISO 5361-2 mit Konnektor nach DIN ISO 7228
6 mm1
7 mm1
8 mm1
Einführungsmandrin flexibel für Erwachsene1
Einführungsmandrin flexibel für Kinder1
Blutdruckmessgerät mit elastischem Messglied1
Blutdruckmanschette für Erwachsene1
Blutdruckmanschette für Kinder1
Stethoskop1
Diagnostikleuchte1
Reflexhammer1
Blutzucker-Teststreifen, Packung mit mindestens 5 Streifen (ersetzbar durch elektrisches Blutzucker-Messgerät)1
Fieberthermometer1
Packung Desinfektionsmittel Hautdesinfektiona1
Venenverweilkanüle, verschiedene Größen33
Fixierpflaster6
Intraossäres Punktionsgerät, geeignet für Kinder und Erwachsene1
500 ml Vollelektrolytlösung1
Infusionsgerät nach DIN 58362-11
Kolloidales Volumenersatzmittel, 500 ml1
Staubinde elastisch1
Pinzette, mind 140 mm1
Nadelhalter1
Arterienklemme1
Einmal-Skalpell1
Schere DIN 58279 — B 1901
Kompresse – 100 mm × 100 mm6
Fixierbinde DIN 61634 – FB 82
Verbandpäckchen DIN 13151 – M2
Verbandtuch DIN 13152 – A1
Verbandtuch DIN 13152 – BR1
Wundschnellverband DIN 13019 – E 10 cm × 6 cm8
Heftpflaster DIN 13019 – A 5 m × 2,5 cm1
Rettungsdecke – 2,1 m × 1,6 m1
Hände-Desinfektionsmittel mind. 50 ml1
Paar OP-Handschuhe DIN EN 455, steril2
Paar Einmalhandschuhe nach DIN EN 455, groß4
Paar Einmalhandschuhe nach DIN EN 455, mittel4
Mundschutz, Schutzklasse FFP32
Einmalspritze 2 ml nach DIN EN ISO 7886-15
Einmalspritze 10 ml nach DIN EN ISO 7886-15
Einmalspritze 20 ml nach DIN EN ISO 7886-12
Einmalkanüle, steril Größe 110
Kanülensammelbox1
Thoraxdrainage, steril, Größe CH 281
Ein Inhaltsverzeichnis ist der Notfall-Ausrüstung beizuführen. Die zusätzliche Ausstattung mit Sauerstoffgeräten und
Sauerstoffreservoirbeuteln ist zulässig. Arzneimittel sind vom Anwender gesondert zu beschaffen.

Sanitätskoffer

Weiterhin gibt es den Sanitätskoffer, entsprechend der DIN 13155. Dieser ist weniger für die Verwendung im Rettungsdienst gedacht, sondern soll dem Sanitäter (siehe DIN 13050) im täglichen Dienst, im Katastrophen- und Zivilschutz und/oder dem Betriebssanitäter eine Grundausstattung zur erweiterten Ersten Hilfe zur Verfügung stellen. Der Sanitätskoffer darf nicht mit dem Sanitätskasten gemäß der zurückgezogenen Norm DIN 14143, oder der Sanitätstasche gemäß der zurückgezogenen DIN 13160 verwechselt werden.

Inhalt nach DIN 13155:2016-03 (Sanitätskoffer)
Ausrüstungsgegenstände Stückzahl
Absauggerät nach DIN EN ISO 10079-21
Einmal-Absaugkatheter mit Endöffnung, in drei Größen6
Beatmungsbeutel für Erwachsene nach DIN EN ISO 10651-41
Beatmungsmaske, in drei Größen3
Guedel-Tubus, in drei Größen3
Larynxtubus, in zwei Größen mit Blocker-Spritze2
Blutdruckmessgerät für Erwachsene nach DIN EN ISO 81060-11
Bügelstethoskop1
Diagnostikleuchte1
Heftpflaster DIN 13019 – A 5 m × 2,5 cm2
Wundschnellverband DIN 13019 – E 10 cm × 6 cm16
Fingerkuppenverband8
Pflasterstrip – 19 mm × 72 mm8
Pflasterstrip – 25 mm × 72 mm16
Verbandpäckchen DIN 13151 – K2
Verbandpäckchen DIN 13151 – M4
Verbandpäckchen DIN 13151 – G2
Verbandtuch DIN 13152 – A1
Verbandtuch DIN 13152 – BR1
Kompresse – 100 mm × 100 mm6
Augenkompresse – einzeln steril verpackt, Mindestmaße 50 mm × 70 mm2
Fixierbinde DIN 61634 – FB 63
Fixierbinde DIN 61634 – FB 83
Netzverband für Extremitäten – min. 4 m gedehnt1
Dreiecktuch DIN 13168 – D2
Kälte-Sofort-Kompresse min. 200 cm²2
Schere DIN 58279 – B 1901
Rettungsdecke – 2,1 m × 1,6 m1
Vliesstoff-Tuch – min. 200 mm × 300 mm10
Folienbeutel – min. 300 mm × 400 mm2
Paar Einmalhandschuhe nach DIN EN 455 mittel/groß8
hygienische Händereinigungs- oder Händedesinfektionsmittel mind. 100 ml1
Universell einsetzbares Schienenmaterial2
HWS-Schiene1
Verletztenanhängekartemind. 1
Splitterpinzette1
Mittel zum Entfernen von Zeckenmind. 1
Ein Inhaltsverzeichnis ist dem Sanitätskoffer beizuführen. Die zusätzliche Ausstattung
mit Sauerstoffgerät, Sauerstoffreservoirbeutel und Inhalationsmaske ist zulässig.

Ein- oder Zweikoffersysteme

Statt eines Koffers, der sämtliches Material enthält, werden in Praxis mancherort zwei Koffern parallel verwendet. Hier wird das Material in einem Notfallkoffer Atmung mit Sauerstoff, Beatmung, Intubation, Absaugung sowie einem Notfallkoffer Kreislauf mit Infusionen, Medikamenten, Diagnostik- und Verbandmaterial getrennt gelagert. Dadurch sind die Koffer deutlich leichter, rückenschonender zu tragen und entsprechend ihrem Inhalt am Patienten positionierbar (Atmungskoffer an das Kopfende, Kreislaufkoffer neben dem Patienten).

Nachteilig ist an diesem System, dass zwei anstatt eines Koffers zu tragen sind, Material gegebenenfalls doppelt vorzuhalten ist und unter Umständen aus Gründen der Bequemlichkeit ein Koffer nicht mitgenommen wird.

Behältnis

Das Material ist ein stabiler Koffer aus Aluminium oder Kunststoff. Als Alternative zum Koffer als solches gibt es Notfalltaschen und Notfallrucksäcke, die meist aus Cordura oder Complan-Material gefertigt sind. Taschen und Rucksäcke haben ein geringeres Eigengewicht und lassen sich bequemer tragen und sind rückenschonend. Dadurch sind sie besonders in Einsatzfällen mit längeren Wegen zum Patienten, wie beim Rettungsdienst im ländlichen Bereich oder bei der Bergrettung besser geeignet. Dies gilt auch für enge Wohnungen und Treppenhäuser, da Rucksäcke für den Einsatz meist nicht komplett geöffnet werden müssen. Im Gegensatz zu Koffern öffnet man nur das Fach, welches man gerade benötigt. Somit verschmutzen die Materialien auch nicht so schnell. Weiterhin kann man Corduragewebe in Haushaltswaschmaschinen waschen. Das Gewebe leidet nur minimal.

Nachteilig ist bei Rucksäcken und Taschen, dass bei schlechter Packweise die recht empfindlichen Umverpackungen von z. B. Spritzen und Kanülen leichter verknicken und letzten Endes defekt sind und somit ausgetauscht werden müssen. Auch leidet, abhängig von der Packweise, die Übersichtlichkeit, da Materialien leichter verrutschen können als in starren Koffern. Bei neueren Modellen wird aber versucht, diesem Nachteil mit Fixierschlaufen, einklettbaren Klarsichtinnentaschen und Trennstegen entgegenzuwirken.

Siehe auch

Einzelnachweise

  1. Auszug DIN 13232 (Memento vom 28. Januar 2017 im Internet Archive)
  2. 1 2 DIN 13232
  3. VorhaltungnotfallmedizinischenEquipmentsfürdenKindernotfall, Originalarbeit aus Der Notarzt 2007.
  4. DIN 13155
  5. Eintrag zu Notfallkoffer im Flexikon, einem Wiki der Firma DocCheck, abgerufen am 25. November 2015. (Ein- und Zweikoffersysteme)
  6. Notfallrucksäcke
  7. Notfallrucksack und -trolley (Memento vom 8. März 2013 im Internet Archive)
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