Die Gedenkstätte Plötzensee () erinnert an die Opfer des Nationalsozialismus im Strafgefängnis Berlin-Plötzensee. Sie befindet sich am Rande der heutigen Justizvollzugsanstalt Plötzensee in der Berliner Ortslage Plötzensee des Ortsteils Charlottenburg-Nord (Bezirk Charlottenburg-Wilmersdorf) und wurde 1952 vom Land Berlin eingeweiht.

Geschichte

Das Gefängnis Plötzensee wurde von 1868 bis 1879 auf einem Gelände des Gutsbezirks Plötzensee errichtet, das sich im Eigentum des königlichen Forstfiskus’ befand. Mit der Bildung der Gemeinde Groß-Berlin 1920 wurde das Areal dem damaligen Berliner Bezirk Charlottenburg zugeordnet.

Zeit des Nationalsozialismus

In der Zeit des Nationalsozialismus wurden im Strafgefängnis nicht nur Freiheitsstrafen vollzogen, sondern es diente (zusammen mit der Strafanstalt Brandenburg-Görden) auch als „zentrale Hinrichtungsstätte für den Vollstreckungsbezirk IV“. Besonders die vom Berliner Kammergericht und die vom 1934 errichteten „Volksgerichtshofzum Tode Verurteilten wurden hier hingerichtet; verantwortlicher Scharfrichter war von 1942 bis 1945 Wilhelm Röttger.

Plötzensee wurde außerdem als Untersuchungshaftanstalt des „Volksgerichtshofs“ und anderer politischer Sondergerichte genutzt. Während des Zweiten Weltkriegs wurden in Plötzensee zudem zahlreiche ausländische Zwangsarbeiter inhaftiert; fast die Hälfte der in Plötzensee Hingerichteten stammte nicht aus Deutschland.

Zwischen 1933 und 1945 wurden im Gefängnis Plötzensee weit über 2800 Todesurteile vollstreckt, unter anderem an Mitgliedern der „Roten Kapelle“, Teilnehmern des gescheiterten Umsturzversuchs vom 20. Juli 1944 und an Mitgliedern des „Kreisauer Kreises“. Darunter waren auch über 300 Frauen, die zur Hinrichtung aus dem Frauengefängnis Barnimstraße nach Plötzensee überführt wurden, und etwa 100 Kriegsdienstverweigerer aus den Reihen der Zeugen Jehovas.

Hinrichtungen erfolgten zunächst mit dem Handbeil auf dem Gefängnishof. Am 14. Oktober 1936 ordnete Adolf Hitler an, dass die Todesstrafe mit der Guillotine vollstreckt werden sollte. Aus der Strafanstalt Bruchsal wurde daraufhin 1937 eine Guillotine nach Plötzensee geschafft und in einer früheren Arbeitsbaracke aufgestellt. Ende 1942 wurde in diesem Hinrichtungsschuppen ein Stahlträger eingezogen, an dem acht Opfer gleichzeitig durch Hängen hingerichtet werden konnten. Während des Krieges gab es 310 Luftangriffe der Alliierten auf Berlin. Die Guillotine wurde vermutlich in der Nacht auf den 4. September 1943 bei einem alliierten Luftangriff beschädigt und daher für einige Zeit nicht mehr benutzt.

Plötzenseer Blutnächte
Bei dem Bombenangriff wurde ein Teil der Strafanstalt schwer beschädigt; vier zum Tode Verurteilte konnten fliehen. Aus diesem Anlass ordnete der Staatssekretär im Reichsjustizministerium Curt Rothenberger die sofortige Vollstreckung aller Todesurteile an, um „Platz zu schaffen“. In den Nächten vom 7. bis zum 12. September 1943 wurden in den sogenannten Plötzenseer Blutnächten über 250 Häftlinge aus verschiedenen Ländern gehängt. Durch fehlerhafte Telefonübermittlung befanden sich darunter auch sechs nicht zum Tode verurteilte Insassen. Der evangelische Gefängnisseelsorger Harald Poelchau berichtete darüber:

„Mit Einbruch der Dunkelheit am 7. September begann der Massenmord. Die Nacht war kalt. Ab und zu wurde die Dunkelheit durch Bombeneinschläge erhellt. Die Strahlen der Scheinwerfer tanzten über den Himmel. Die Männer waren in mehreren Gliedern hintereinander angetreten. Sie standen da, zunächst ungewiß, was mit ihnen geschehen sollte. Dann begriffen sie. Immer je acht Mann wurden namentlich aufgerufen und abgeführt. Die Zurückbleibenden verharrten fast bewegungslos. Nur hin und wieder ein Flüstern mit mir und mit meinem katholischen Amtsbruder Peter Buchholz […]
Einmal unterbrachen die Henker ihre Arbeit, weil Bomben in der Nähe krachend niedersausten. Die schon angetretenen fünf mal acht Mann mußten für eine Weile wieder in ihre Zellen eingeschlossen werden. Dann ging das Morden weiter. Alle diese Männer wurden gehängt. […] Die Hinrichtungen mußten bei Kerzenlicht durchgeführt werden, da das elektrische Licht ausgesetzt hatte. Erst in der Morgenfrühe, um acht Uhr, stellten die erschöpften Henker ihre Tätigkeit ein, um sie am Abend mit frischen Kräften aufnehmen zu können.“

Rothenberger wurde im Nürnberger Juristenprozess am 4. Dezember 1947 zu sieben Jahren Zuchthaus verurteilt, kam aber im August 1950 wieder frei.

Gedenkstätte nach 1945

Der Hinrichtungsschuppen wurde 1951 zum Teil abgerissen; an seiner Stelle steht heute eine Mauer aus Bruchsteinen. Der Hinrichtungsbalken mit heute fünf statt der damaligen acht Fleischerhaken ist noch vorhanden, der Estrich unter dem Träger verläuft mit einem leichten Gefälle in Richtung der Mitte des Raumes. Dort befindet sich ein Bodenablauf, in den die Körperausscheidungen der Opfer gespült wurden, die sie im Todeskampf verloren hatten.

Die zur Gedenkstätte führende Straße, der Hüttigpfad, wurde nach Richard Hüttig (1908–1934) benannt, einem am 14. Juni 1934 in Plötzensee hingerichteten Opfer des Charlottenburger Widerstands. In den Wohngebieten, die nach dem Zweiten Weltkrieg in Charlottenburg-Nord neu errichtet wurden, tragen zahlreiche Straßen die Namen von hingerichteten Mitgliedern des Widerstands gegen den Nationalsozialismus.

Im Jahr 2011 thematisierte der Tagesspiegel die Frage, ob das Konzept der Gedenkstätte gerechtfertigt sei, aller in Plötzensee Hingerichteten gleich zu gedenken. Das führe nämlich dazu, dass neben Widerstandskämpfern auch Schwerkrimineller ehrend gedacht werde, darunter sogar eines Mörders, der am 29. März 1944 wegen eines „Raubmordes an Juden“ hingerichtet wurde. Johannes Tuchel, der Leiter der Gedenkstätte, machte hingegen deutlich, dass es der Auftrag der Gedenkstätte sei, „die Namen aller Opfer der NS-Justiz zusammenzutragen, die in Plötzensee hingerichtet wurden, ungeachtet der Tat, die sie begangen haben.“

Bekannte Opfer

Siehe auch: Liste von Hinrichtungsopfern in Berlin-Plötzensee während der Zeit des Nationalsozialismus

Zu den Personen, die in Plötzensee hingerichtet wurden, gehören:

Trägerschaft

Die Gedenkstätte Plötzensee wird getragen von der Stiftung Gedenkstätte Deutscher Widerstand. Diese unterhält an ihrem Sitz im Bendlerblock in der Stauffenbergstraße (Berlin-Tiergarten) eine Gedenkstätte zur Geschichte des Attentats vom 20. Juli 1944 und seit 1989 eine Gedenkstätte, die die ganzen Breite und Vielfalt des deutschen Widerstandes darstellt sowie eine Spezialbibliothek zur NS-Geschichte.

Kirchliche Gedenkstätten

In Erinnerung an die in Plötzensee inhaftierten und ermordeten Opfer der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft, darunter auch viele Angehörige kirchlicher Widerstandsbewegungen, errichteten die beiden Amtskirchen zwei Gedenkstätten nördlich der Paul-Hertz-Siedlung:

Literatur

  • Gedenkstätte Plötzensee. Hinrichtungen im Strafgefängnis Berlin-Plötzensee. Katalog zur Dauerausstellung. Stiftung Gedenkstätte Deutscher Widerstand, Berlin 2019, ISBN 978-3-945812-36-5.
  • Victor von Gostomski, Walter Loch: Der Tod von Plötzensee. Erinnerungen, Ereignisse, Dokumente 1942–1944. Bloch, Frankfurt am Main 1993, ISBN 3-929686-00-7.
  • Historische Kommission zu Berlin, Helmut Engel u. a. (Hrsg.): Charlottenburg. Band 1: Die historische Stadt. Nicolaische Verlagsbuchhandlung, Berlin 1986, ISBN 3-87584-167-0.
  • Brigitte Oleschinski: Gedenkstätte Plötzensee. 2. Aufl. Gedenkstätte Deutscher Widerstand, Berlin 1995, ISBN 3-926082-05-4; gdw-berlin.de (PDF)
  • Johannes Tuchel: Hinrichtungen im Strafgefängnis Berlin-Plötzensee 1933 bis 1945 und der Anatom Hermann Stieve. Gedenkstätte Deutscher Widerstand, Berlin 2019, ISBN 978-3-945812-35-8.
  • Rüdiger von Voss, Gerhard Ringshausen (Hrsg.): Die Predigten von Plötzensee. Zur Herausforderung des modernen Märtyrers. Mit Geleitwort von Wolfgang Huber und Robert Zollitsch. Lukas Verlag, Berlin 2009, ISBN 978-3-86732-064-1.
  • Thomas Waltenbacher: Zentrale Hinrichtungsstätten. Der Vollzug der Todesstrafe in Deutschland von 1937–1945. Scharfrichter im Dritten Reich. Zwilling-Berlin, Berlin 2008, ISBN 978-3-00-024265-6.
Commons: Gedenkstätte Plötzensee – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. Zur Bezeichnung der Strafanstalt Plötzensee bis 1945 vgl. Erlass des Reichsministers der Justiz vom 2. November 1942 und die Erläuterungen der Gedenkstätte Plötzensee; abgerufen am 25. Januar 2008. Der häufig benutzte Begriff „Zuchthaus Plötzensee“ ist falsch bzw. irreführend.
  2. Hainer Weißpflug: Gutsbezirk Plötzensee. In: Hans-Jürgen Mende, Kurt Wernicke (Hrsg.): Berliner Bezirkslexikon, Charlottenburg-Wilmersdorf. Luisenstädtischer Bildungsverein. Haude und Spener / Edition Luisenstadt, Berlin 2005, ISBN 3-7759-0479-4 (luise-berlin.de Stand 7. Oktober 2009).
  3. Gedenkstätte Plötzensee. (Memento des Originals vom 22. Juli 2007 im Internet Archive)  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis. Abgerufen am 16. Februar 2008.
  4. Hinrichtungen in Berlin-Plötzensee und in Brandenburg-Görden in den letzten Monaten des Zweiten Weltkrieges. (PDF; 805 kB) gdw-berlin.de
  5. Gedenkstätte Plötzensee, (Memento des Originals vom 25. Dezember 2010 im Internet Archive)  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis. abgerufen am 16. Februar 2008; nach anderen Angaben war eine von Insassen des Gefängnisses Tegel hergestellte Guillotine bereits 1935 in Plötzensee in Betrieb genommen worden. Vgl. Historische Kommission zu Berlin, Helmut Engel et al. (Hrsg.): Charlottenburg. Band 1: Die historische Stadt. S. 225.
  6. Brigitte Oleschinski: Gedenkstätte Plötzensee. (Memento des Originals vom 21. Oktober 2013 im Internet Archive; PDF)  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis. Gedenkstätte Deutscher Widerstand Berlin, S. 57.
  7. 1 2 Gedenkstätte Plötzensee: Mörder neben Widerstandskämpfern.. In: Der Tagesspiegel, 18. Januar 2011.
  8. Cox 2009, S. 133
  9. Gedenkstätte Deutscher Widerstand
  10. Stiftung Gedenkstätte Deutscher Widerstand

Koordinaten: 52° 32′ 27″ N, 13° 19′ 21″ O

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