Territorium im Heiligen Römischen Reich | |
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Reichsstift Weißenau | |
Wappen | |
Wappen der Reichsabtei Weißenau | |
Karte | |
Territoriums der Reichsabtei Weißenau (Mitte, rot-violett gerahmt bzw. schwarz gepunktet) | |
Lage im Reichskreis | |
Karte des Schwäbischen Kreises von Johann Ulrich Krauß und P. Willius (1689) | |
Alternativnamen | Reichsabtei, Reichsgotteshaus, Stift |
Entstanden aus | Propstei; gewöhnlicher Abtei |
Herrschaftsform | Wahlmonarchie |
Herrscher/ Regierung | Reichsabt |
Heutige Region/en | DE-BW |
Reichstag | Im Reichsfürstenrat: 1 Kuriatsstimme auf der Schwäbischen Prälatenbank |
Reichsmatrikel | 2 zu Roß, 20 Fußsoldaten, 120 Gulden (1521); 2 zu Roß, 14 Fußsoldaten oder 80 Gulden (1663); ist den 2 Sept. 1680 mit 55 fl. moderirt worden, restiren noch 25 Gulden; zum Kammergericht 60 Gulden (18. Jh.) |
Reichskreis | Schwäbischer Reichskreis |
Kreistag | Mitglied; Kreismatrikel: 4 zu Roß und 40 Fußsoldaten (1532) |
Hauptstädte/ Residenzen | Weißenau |
Konfession/ Religionen | römisch-katholisch |
Sprache/n | Deutsch, Lateinisch |
Fläche | 0,5 Quadratmeilen (1803) |
Aufgegangen in | Grafen von Sternberg (1803); Königreich Württemberg (1806) |
Das Kloster Weißenau (Patron: St. Petrus; historisch auch Abtei Minderau, lat. Abbatia Augia alba oder Augia Minor oder Augia parva) war ein reichsunmittelbares Chorherrenstift der Prämonstratenser wenige Kilometer südlich der ehemaligen Freien Reichsstadt Ravensburg in Oberschwaben. Es bestand von 1145 bis zur Säkularisation 1802/1803. Heute gehört es zum Ravensburger Ortsteil Eschach.
Geschichte
Gestiftet wurde Kloster Weißenau 1145 von Gebizo von Ravensburg, einem Ministerialen der Welfen, als Doppelkloster an jenem Ort, an welchem seit dem Jahr 990 bereits eine Einsiedelei bestand. Die Besiedlung unter Propst Hermann I. erfolgte mit Chorherren aus dem Kloster Rot an der Rot. Der Grundstein der ersten romanischen Klosterkirche wurde 1152 gelegt, die Errichtung von Kloster und Kirche erfolgte in den Jahren 1156–1172. Die vorläufige Weihe erfolgte schon 1163. Diese hochromanische Anlage hatte die Form einer dreischiffigen Basilika. Ebenfalls im Jahr 1163 wurde der Frauenkonvent nach Maisental verlegt, er ging nach 1350 unter. 1164 nahm Kaiser Friedrich I. Barbarossa das Kloster unter seinen Schutz, womit der Grund zur Reichsunmittelbarkeit gelegt wurde, zugleich gewährte er dem Konvent das Recht der freien Propstwahl. Im Jahr 1183 entsandte Weißenau eine Kolonie Chorherren zur Gründung des Klosters Schussenried. Nachdem die Propstei Weißenau 1257 zur Abtei erhoben worden war, erhielt sie 1283 von König Rudolf von Habsburg eine Heiligblutreliquie geschenkt, wodurch sich die wirtschaftliche Lage verbesserte. Die Reliquie, der das Kloster auch eine Erwähnung im Lohengrin verdankt, wurde bis 1802 mit einem Blutritt geehrt und steht nach wie vor im Mittelpunkt des traditionellen Magdalenenfestes.
Die Hochgerichtsbarkeit übte seit dem Ende des 13. Jahrhunderts die habsburgische Landvogtei Schwaben aus. Erst 1760 erwarb die Reichsabtei, welche seit der Frühen Neuzeit dem Schwäbischen Reichsprälatenkollegium des Reichstags und dem Schwäbischen Reichskreis angehörte, die hohe Obrigkeit über das Kloster und das aus drei Dörfern bestehende Territorium.
In der ersten Hälfte des 14. Jahrhunderts erlitt Kloster Weisenau insbesondere unter König Ludwig IV. dem Bayern im den Jahren 1322–24 schwere Verluste. Große Schäden verursachte im 16. Jahrhundert auch der Bauernkrieg (1525); Im Schmalkaldenischen Krieg (1546) sowie im und nach dem Dreißigjährigen Krieg (1618–1648) litt das Stift unter wirtschaftlichen Schwierigkeiten. Dennoch erfolgte von 1623 bis 1631 der Neubau des Kirchturms, des Chores und des Hochaltars der Abteikirche.
Anfang des 18. Jahrhunderts fiel die Entscheidung für einen barocken Neubau der gesamten Klosteranlage und der Kirche, der in den Jahren 1708–1724 erfolgte. In Auftrag gegeben von Reichsprälat Leopold Mauch und geplant vom Konstanzer Baumeister Franz Beer von Blaichten geschah der Bau der neuen Abteikirche in zeitgenössischen Stil, die 1724 fertiggestellt wurde. Die Stuckarbeiten fertigte 1710 Franz Schmuzer, die Deckengemälde der Kirche stammen von Jacob Carl Stauder und Josef Anton Hafner.
Wie auch das Kloster Schussenried fiel Weißenau bei der Säkularisation zunächst an das Haus der Reichsgrafen von Sternberg-Manderscheid, dessen Erben 1835 die Grundherrschaften Schussenried und Weißenau für eine Million Gulden an das württembergische Königshaus verkauften. Mit der Rheinbundakte kam das Gebiet aber schon 1806 zum Territorium des Königreichs Württemberg.
Die erhaltenen Klostergebäude liegen heute auf dem Gebiet des Wohnorts Weißenau und gehören somit zur Ortschaft Eschach der Stadt Ravensburg. Die Territorial- und Grundherrschaft des Klosters erstreckte sich in erster Linie auf einzelne Dörfer und Weiler der heutigen Ortschaft Eschach wie Oberhofen und Untereschach. Auch die Pfarreien St. Christina, deren Kirche nahe der ehemaligen Ravensburg (heute Veitsburg) steht, und Bodnegg gehörten zum Kloster Weißenau.
Spätere Nutzung
Das ehemalige Konventgebäude wurden seit 1888/92 zu einer Staatl. Irrenanstalt (Heilanstalt) umgebaut. Während des Dritten Reiches wurde die staatliche Anstalt Württembergs Zwischenanstalt für Patienten und Heimbewohner aus Göppingen, Rottenmünster und Winnental. Im Rahmen der „Aktion T4“ wurde im Jahr 1940 insgesamt 691 Frauen, Männer, Jugendliche und Kinder durch die sogenannten „Grauen Busse“ der Gemeinnützigen Krankentransport GmbH (Gekrat) zur Vernichtung in die Tötungsanstalt Schloss Grafeneck transportiert. Während dieser Zeit wurden dort auch Insassen aus politischen Gründen eingewiesen, darunter Theodor Roller.
Dort, in einigen weiteren ehemaligen Klostergebäuden und in umliegenden Neubauten ist seit 1953 das Psychiatrische Landeskrankenhaus, heute das Zentrum für Psychiatrie Weißenau (Anstalt öffentlichen Rechts unter Gewährsträgerschaft des Lands Baden-Württemberg) untergebracht. Im nahen Rahlenhof, der ehemaligen Sommerresidenz der Weißenauer Äbte, wurde bis vor einigen Jahren eine zugehörige Fachklinik für abhängigkeitskranke Männer, später für Jugendliche betrieben. Heute wird der Rahlenhof vom Berufsbildungswerk Adolf Aich der Stiftung Liebenau benutzt, das dort eine Außenwohngruppe betreibt.
Der reich stuckierte Festsaal im Konventgebäude wird als Konzertsaal (300 Plätze) genutzt.
Eine im 19. Jahrhundert zunächst im Kloster eingerichtete Bleich- und Appreturfabrik bestand bis 2006 in weitläufigen Industriegebäuden in unmittelbarer Nähe des Klosters. 2006 wurde der Produktionsbetrieb eingestellt, Teile der Verwaltung sind jedoch weiterhin in Weißenau ansässig.
Klosterkirche
Die barocke Klosterkirche St. Peter und Paul wird als Pfarrkirche der örtlichen römisch-katholischen Kirchengemeinde genutzt. Die Kirche mit ihrer opulenten Ausmalung und dem wertvollen barocken Chorgestühl ist eine Sehenswürdigkeit an der Oberschwäbischen Barockstraße. Am 22. Oktober 2023 wird die Kirche von Bischof Gerhard Fürst zum bischöflichen Münster erhoben.
Holzhey-Orgel
Die Orgel der Klosterkirche wurde 1787 von Johann Nepomuk Holzhey erbaut. Das denkmalgeschützte Instrument wurde zuletzt 1989 von der Orgelbaufirma Sandtner (Dillingen/Donau) umfassend restauriert. Die spätbarocke Orgel hat 41 Register auf drei Manualen und Pedal. Sie hat folgende Disposition:
- Innenansicht, Blick aus dem Chor gegen Westen
- Holzhey-Orgel der Klosterkirche Weißenau
- Spieltisch der Orgel in Weißenau
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- Koppeln: Positiv-Cupl (II–I), Echo-Cupl (III–I), Tuttibaß (I–Pedal).
- Anmerkungen:
Siehe auch
Literatur
- Hubert Krins: Festsaal und Abtei des Klosters Weißenau. In: Denkmalpflege in Baden-Württemberg, 6. Jg. 1977, Heft 4, S. 153–165. (PDF)
- Peter Eitel (Hrsg.): Weissenau in Geschichte und Gegenwart. Festschrift zur 700-Jahrfeier der Übergabe der Heiligblutreliquie durch Rudolf von Habsburg an die Prämonstratenserabtei Weissenau. Thorbecke, Sigmaringen 1983, ISBN 3-7995-4020-2.
- Ursula Riechert: Oberschwäbische Reichsklöster im Beziehungsgeflecht mit Königtum, Adel und Städten (12. bis 15. Jahrhundert). Dargestellt am Beispiel von Weingarten, Weissenau und Baindt. Verlag Peter Lang, Frankfurt am Main u. a. 1986, ISBN 3-8204-8617-8. (zugl. Dissertation, FU Berlin 1984)
- Helmut Binder (Hrsg.): 850 Jahre Prämonstratenserabtei Weissenau. 1145–1995. Thorbecke, Sigmaringen 1995, ISBN 3-7995-0414-1. (Rezension)
- Siegfried Heim: Unsere Mutterpfarre Weißenau. In: Siegfried Heim (Red.), Heimatkundekreis Wolfurt (Hrsg.): Heimat Wolfurt. Zeitschrift des Heimatkundekreises. Nr. 17 (März 1996), Wolfurt 1996, S. 4–8. – Volltext online (PDF; 4,75 MB).
- St. Peter und Paul, Weißenau. Schnell Kunstführer Nr. 151. Verlag Schnell & Steiner, Regensburg 2004, ISBN 3-7954-4158-7.
- Franz Schwarzbauer, Andreas Schmauder, Paul-Otto Schmidt-Michel (Hrsg.): Erinnern und Gedenken. Das Mahnmal Weißenau und die Erinnerungskultur in Ravensburg. 2007, ISBN 978-3-89669-625-0
- Elke Wenzel: Die mittelalterliche Bibliothek der Abtei Weißenau. Peter Lang, Frankfurt am Main 1998, ISBN 3-631-32206-2.
- Arno Borst: Mönche am Bodensee. Libelle Verlag, Lengwil 2009, ISBN 978-3-905707-30-4.
Einzelnachweise
- ↑ Landtag gedenkt in Ravensburg den NS-Opfern in der Schwäbischen Zeitung vom 27. Januar 2009. (nur noch Überschrift)
- ↑ Informationen zur Orgel auf der Website von Weißenau.
- ↑ Franz Lüthi: Die Holzhey-Orgel in der ehemaligen Abteikirche Weissenau. In: Bulletin der Orgelfreunde St. Gallen, 12, Nr. 3, 1994. S. 64ff. Online (PDF-Datei; 6,4 MB)
- ↑ Ravensburg/Weissenau – St. Petrus und Paulus – Hauptorgel und Truhenorgel – Orgel Verzeichnis – Orgelarchiv Schmidt. Abgerufen am 19. September 2021 (deutsch).
Weblinks
- Prämonstratenserabtei St. Maria und Peter Weißenau in der Datenbank Klöster in Baden-Württemberg des Landesarchivs Baden-Württemberg
- Katholische Pfarrgemeinde Weißenau
- ZfP Südwürttemberg
- Kulturkreis Eschach e.V. (Veranstaltungen und Führungen in der Klosteranlage)
Koordinaten: 47° 45′ 46,8″ N, 9° 35′ 45,6″ O ||